Entscheidungsdatum: 07.02.2013
Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet es nicht, nach beamtenrechtlichen Vorschriften gewährte Ruhegehälter wie Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung nur mit einem Besteuerungsanteil zu erfassen .
I. Streitig ist, ob nach beamtenrechtlichen Vorschriften gewährte Ruhegehälter wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes wie Renten aus der gesetzlichen Sozialversicherung mit einem Besteuerungsanteil zu erfassen sind.
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) werden als Ehegatten zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Seit dem Kalenderjahr 1998 erhält der Kläger aufgrund seiner früheren Tätigkeit als Wahlbeamter beamtenrechtliche Versorgungsbezüge. Diese beliefen sich im Streitjahr 2005 auf 35.606 € und im Streitjahr 2006 auf 35.393 €.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erfasste diese Versorgungsbezüge in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre 2005 und 2006 als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und zog hiervon jeweils einen Versorgungsfreibetrag in Höhe von 3.000 €, einen Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag in Höhe von 900 € sowie einen Werbungskosten-Pauschbetrag in Höhe von 102 € ab.
Mit ihren Einsprüchen machten die Kläger dagegen im Ergebnis erfolglos geltend, die Versorgungsbezüge seien wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes mit dem unmittelbar nur für Sozialversicherungsrenten geltenden Besteuerungsanteil zu erfassen. Die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 250 veröffentlichten Gründen ab.
Die Kläger rügen die Verletzung materiellen Verfassungsrechts.
Sie beantragen,
das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 25. April 2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2008 sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2006 vom 5. April 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. April 2008 dahingehend abzuändern, dass ein Freibetrag für Versorgungsbezüge des Klägers in Höhe von 17.803 € (Streitjahr 2005) bzw. 17.696,50 € (Streitjahr 2006) berücksichtigt wird,
hilfsweise, unter Aussetzung des Klageverfahrens dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorzulegen, ob die konkrete Ausgestaltung der Übergangsregelung durch das Alterseinkünftegesetz und insbesondere die Regelung zum Versorgungsfreibetrag in § 19 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) verfassungsgemäß ist.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung). Das FG hat zu Recht entschieden, dass die beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge des Klägers in voller Höhe als Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit zu erfassen sind.
1. Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. auch Ruhegelder und andere Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen. Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen, die als Ruhegehalt oder als gleichartiger Bezug auf Grund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften gewährt werden, sind gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG Versorgungsbezüge. Von diesen Versorgungsbezügen bleiben nach § 19 Abs. 2 Satz 1 EStG ein nach einem Prozentsatz ermittelter, auf einen Höchstbetrag begrenzter Betrag (Versorgungsfreibetrag) und ein Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag steuerfrei. Der maßgebende Prozentsatz, der Höchstbetrag des Versorgungsfreibetrags und der Zuschlag zum Versorgungsfreibetrag sind § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG zu entnehmen. Soweit es sich um Versorgungsbezüge i.S. des § 19 Abs. 2 EStG handelt, ist für Werbungskosten bei der Ermittlung der Einkünfte gemäß § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ein Pauschbetrag von 102 € abzuziehen, wenn nicht höhere Werbungskosten nachgewiesen werden.
Die dem Kläger wegen seiner ehemaligen Tätigkeit als Wahlbeamter gewährten Bezüge sind solche aus früheren Dienstleistungen i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Es handelt sich dabei um ein Ruhegehalt aufgrund beamtenrechtlicher Vorschriften i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a EStG, das wegen seiner Gewährung ab 1998 gemäß § 19 Abs. 2 Satz 3 EStG in Höhe des Versorgungsfreibetrags von 3.000 € und des Zuschlags zum Versorgungsfreibetrag von 900 € steuerfrei bleibt. Mangels Nachweises höherer Werbungskosten ist hiervon nach § 9a Satz 1 Nr. 1 Buchst. b EStG ein Pauschbetrag in Höhe von 102 € abzuziehen.
2. Entgegen der Auffassung der Kläger verstoßen diese Vorschriften nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG); eine Entscheidung des BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht ist daher nicht einzuholen. Die streitbefangenen Vorschriften bewirken zwar eine unterschiedliche Behandlung mit Sozialversicherungsrentnern. Denn aufgrund beamtenrechtlicher oder entsprechender gesetzlicher Vorschriften gewährte Bezüge und Vorteile aus früheren Dienstleistungen werden nicht nur mit dem Besteuerungsanteil, sondern im vollen Umfang nachgelagert besteuert. Gleichwohl führt dies nicht zu einem Verstoß gegen den Gleichheitssatz.
a) Der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) gebietet, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 21. Juni 2006 2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164; vom 15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1, 29, ständige Rechtsprechung). Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen (vgl. BVerfG-Urteil vom 9. Dezember 2008 2 BvL 1, 2/07, 1, 2/08, BVerfGE 122, 210, 230; BVerfG-Beschluss vom 17. November 2009 1 BvR 2192/05, BVerfGE 125, 1, 17). Aus ihm ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 120, 1, 29; vom 14. Oktober 2008 1 BvR 2310/06, BVerfGE 122, 39, 52; in BVerfGE 125, 1, 17, ständige Rechtsprechung). Der Grundsatz der gleichen Zuteilung steuerlicher Lasten verlangt eine gesetzliche Ausgestaltung der Steuer, die den Steuergegenstand in den Blick nimmt und mit Rücksicht darauf eine gleichheitsgerechte Besteuerung des Steuerschuldners sicherstellt. Ausnahmen von dem jedenfalls für die Ertragsteuern geltenden Gebot gleicher Besteuerung bei gleicher Ertragskraft bedürfen eines besonderen sachlichen Grundes (vgl. BVerfG-Beschlüsse in BVerfGE 116, 164, 180 f.; in BVerfGE 120, 1, 45; in BVerfGE 125, 1, 17 f.). Bei der Bestimmung der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz ist allerdings zu berücksichtigen, dass das BVerfG dem Gesetzgeber gerade bei der Umstrukturierung komplexer Regelungssysteme stets einen besonders weiten Spielraum bei der Ausgestaltung der Übergangsvorschriften einräumt (vgl. BVerfG-Beschluss in BVerfGE 125, 1, 17 f., m.w.N.). Art. 3 Abs. 1 GG ist jedenfalls dann verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonst wie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt (vgl. BVerfG-Urteil vom 6. März 2002 2 BvL 17/99, BVerfGE 105, 73, 110, BStBl II 2002, 618; BVerfG-Beschluss in BVerfGE 125, 1, 18, m.w.N.).
b) Die unterschiedliche Besteuerung von beamtenrechtlichen Ruhegehältern und Sozialversicherungsrenten ist durch besondere sachliche Gründe gerechtfertigt.
aa) Das BVerfG hat dem Gesetzgeber in seinem Urteil in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 aufgegeben, sich im Rahmen der Neuregelung der Besteuerung von Renten und Pensionen für ein Lösungsmodell zu entscheiden und dieses folgerichtig auszugestalten. Als tragendes Element der Neuordnung wurden durch das Alterseinkünftegesetz (AltEinkG) vom 5. Juli 2004 (BGBl I 2004, 1427) sämtliche Basis-Altersversorgungssysteme unter schiedslos dem System der nachgelagerten Besteuerung unterworfen (BTDrucks 15/2150, 1 und 22). Diese Entscheidung des Gesetzgebers ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 19. Januar 2010 X R 53/08, BFHE 228, 223, BStBl II 2011, 567; vom 4. Februar 2010 X R 58/08, BFHE 228, 326, BStBl II 2011, 579; vom 4. Februar 2010 X R 52/08, BFH/NV 2010, 1253).
Da jedoch die Alterseinkünfte bis zu dieser Neuregelung vollkommen unterschiedlich besteuert wurden, sind zur Verwirklichung einer einkommensteuerrechtlichen Gleichbehandlung jeweils unterschiedliche Zwischenschritte notwendig (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 2009 X R 6/08, BFHE 227, 137, BStBl II 2010, 282). Denn die gleitende Überführung der Besteuerung von Sozialversicherungsrenten unter bisheriger Berücksichtigung von Ertragsanteilen nach § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG a.F. hin zur vollständigen nachgelagerten Besteuerung erfordert steigende Besteuerungsanteile, wohingegen Versorgungsbezüge bereits dem tragenden Element des AltEinkG entsprechend nachgelagert besteuert werden.
Nachdem hinsichtlich der Besteuerung von Versorgungsbezügen das Ziel des AltEinkG also bereits in der Übergangsphase erreicht wurde, liefe ihre einkommensteuerliche Erfassung mit einem Besteuerungsanteil --sei es auch nur für eine Übergangszeit-- dem Leitgedanken des AltEinkG zuwider und entspräche nicht dem Gebot der Folgerichtigkeit (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 2009 X R 45/07, BFH/NV 2010, 421; X R 34/07, BFHE 227, 99, BStBl II 2010, 414; in BFHE 227, 137, BStBl II 2010, 282; vom 9. Dezember 2009 X R 28/07, BFHE 227, 165, BStBl II 2010, 348).
bb) Überdies hat der Gesetzgeber während der Übergangszeit zur Wahrung des Vertrauensschutzes von Versorgungsempfängern Maßnahmen aufrechterhalten bzw. ergriffen, um zwischen Versorgungsbezügen und Sozialversicherungsrenten bestehende Besteuerungsunterschiede abzumildern.
So wurde der Versorgungsfreibetrag während der Übergangsphase unverändert beibehalten. Dieser wurde wegen der steuerrechtlichen Ungleichbehandlung der nur geringfügigen Besteuerung von Sozialversicherungsrenten nach dem Ertragsanteil im Vergleich zu der vollen steuerlichen Erfassung der Versorgungsbezüge eingeführt (zu BTDrucks IV/3189, 2). Obwohl Sozialversicherungsrenten bereits ab dem Jahr 2005 nicht mehr mit dem Ertragsanteil, sondern mit dem regelmäßig höheren Besteuerungsanteil erfasst werden, werden einkommensteuerrechtliche Ungleichbehandlungen für bis zum Jahr 2005 beginnende Versorgungsbezüge durch einen weitgehend unveränderten Versorgungsfreibetrag reduziert.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber die Anpassung des für Beamtenpensionen ursprünglich gewährten Arbeitnehmer-Pauschbetrags (1.044 €) an den Rentenbeziehern zustehenden Werbungskosten-Pauschbetrag (102 €) nahezu kompensiert. Denn für bis zum Jahr 2005 beginnende Versorgungsbezüge wurde zur Vermeidung eines sprunghaften Anstiegs der Besteuerung zum Ausgleich dem Versorgungsfreibetrag ein entsprechender Zuschlag in Höhe von 900 € hinzugerechnet (BTDrucks 15/2150, 25).
cc) Es ist auch nicht zu beanstanden, dass das Gesetz den Besteuerungsanteil der Sozialversicherungsrenten nach dem Renteneintrittsalter bestimmt und für die gesamte Laufzeit des Rentenbezugs gleichbleibend festschreibt (§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a Doppelbuchst. aa Satz 5 EStG). Der Gesetzgeber war nicht aus gleichheitsrechtlichen Gründen gehalten, den Besteuerungsanteil --insbesondere von Rentnern mit einem Renteneintrittsalter bis 2005-- während des Übergangszeitraums zur nachgelagerten Besteuerung schrittweise zu erhöhen. Er konnte vielmehr berücksichtigen, dass Bezieher von Sozialversicherungsrenten und rentennahe Arbeitnehmer sich bei der Planung ihrer Altersversorgung auf die seit Jahrzehnten nahezu unverändert bestehende Rechtslage eingestellt haben, nach der Sozialversicherungsrenten nur mit einem geringen Ertragsanteil der Besteuerung unterlegen haben, und dass diese ihre Altersversorgung nicht mehr an die geänderte Rechtslage anpassen können. Mit dem schrittweisen, Jahr um Jahr steigenden Besteuerungsanteil der Sozialversicherungsrenten nach dem jeweiligen Renteneintrittsalter und dem parallel dazu verlaufenden Abbau des Versorgungsfreibetrags hat der Gesetzgeber eine behutsame, den gebotenen Vertrauensschutz hinreichend beachtende Übergangsregelung geschaffen. Bezieher von Beamtenversorgungsbezügen bedurften demgegenüber keines besonderen Vertrauensschutzes, da die Versorgungsbezüge der Beamten bereits vor dem Urteil des BVerfG in BVerfGE 105, 73, BStBl II 2002, 618 und den daraufhin folgenden gesetzlichen Regelungen der vollen Besteuerung unterlagen und nur ein Versorgungsfreibetrag gewährt wurde.
Ferner konnte und musste der Gesetzgeber beachten, dass Rentner über unterschiedliche Rentenerwerbsbiographien verfügen und ein höherer Besteuerungsanteil oder ein sich während des Rentenbezugs erhöhender Besteuerungsanteil bei zahlreichen Rentnern dem Verbot der Doppelbesteuerung zuwiderliefe (vgl. BVerfG-Urteil in BVerfGE 105, 73, 134 f., BStBl II 2002, 618; BTDrucks 15/2150, 38; vgl. auch BFH-Urteile vom 26. November 2008 X R 15/07, BFHE 223, 445, BStBl II 2009, 710; in BFH/NV 2010, 1253).
Auf die Frage, ob der Gesetzgeber für den Fall eines gleichheitswidrig zu langen Übergangszeitraumes überhaupt mit einer Regelung zu Gunsten des Klägers reagieren würde, kommt es danach nicht mehr an.