Entscheidungsdatum: 24.09.2013
Zuschüsse, die eine AG Vorstandsmitgliedern zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung oder einem Versorgungswerk gewährt, sind Arbeitslohn. Es handelt sich hierbei um Vorteile, die im überwiegenden Interesse des Arbeitnehmers gewährt werden und sich auch dann nicht lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen darstellen, wenn die Rentenzahlungen auf die betriebliche Altersversorgung angerechnet werden (Abgrenzung zum Senatsurteil vom 5. September 2006 VI R 38/04, BFHE 214, 573, BStBl II 2007, 181).
I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, erteilte den Mitgliedern ihres Vorstands im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung regelmäßig eine Pensionszusage. Das einzelne Vorstandsmitglied hatte hierzu keine eigenen Beiträge zu leisten. Aus der Zeit vor ihrer Vorstandstätigkeit brachten die Vorstandsmitglieder eine andere Altersversorgung, z.B. aus berufsständischen Versorgungswerken oder als Mitglied der gesetzlichen Rentenversicherung, mit. In den Streitjahren 1997 bis 2001 gewährte die Klägerin fünf Vorstandsmitgliedern Zuschüsse für die freiwillige Weiterversicherung in der bisherigen Versorgungseinrichtung. Dabei handelt es sich bei A und B (1997 und 1998) sowie bei C (1999 bis 2001) um Zuschüsse zur freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung und bei D (2001) und E (2000 und 2001) um Zuschüsse zur Erlangung einer Versorgung aus dem Rechtsanwaltsversorgungswerk. Die mit C, D und E abgeschlossenen Pensionsverträge sehen eine volle Anrechnung anderweitig bezogener Ruhegelder und Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung vor. Im Übrigen handelt es sich um sog. Altdienstverträge, in denen keine Anrechnungsklausel enthalten ist. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) führte bei der Klägerin für den Zeitraum 1997 bis 2001 eine Lohnsteuer-Außenprüfung durch, deren Ergebnisse im Bericht vom 11. November 2002 zusammengefasst sind. Das FA behandelte die Zuschüsse als steuerpflichtigen Arbeitslohn und erfasste den Sachverhalt im Lohnsteuer-Haftungsbescheid vom 25. November 2002, geändert durch den Bescheid vom 10. Januar 2008. Daneben nahm es die Klägerin u.a. für die Lohnsteuer auf die Differenz zwischen dem von ihr angesetzten Mietwert für eine der Witwe eines Vorstandsmitglieds überlassene Wohnung und dem laut Prüfung zu berücksichtigenden Mietwert in Haftung.
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte zum Teil Erfolg. Hinsichtlich des Mietwerts gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt und setzte in Übereinstimmung mit den Beteiligten auf der Grundlage des örtlichen Mietspiegels eine Miete in Höhe von 3.707 DM monatlich an. Zudem hatte die Klage insoweit Erfolg, als sich die Klägerin gegen die Inhaftungnahme für Lohnsteuer wegen der Zuschüsse für die Vorstandsmitglieder C, D und E wandte. Das FG begründete seine Entscheidung im Wesentlichen damit, dass der mit der Zahlung einhergehende Vorteil im ganz überwiegenden eigenbetrieblichen Interesse gewährt werde, weil die Zuschüsse aufgrund der Minderung der durch die Klägerin später zu erbringenden Versorgungsleistungen infolge der Anrechnung einem betrieblichen Zweck dienten. Im Übrigen wies das FG die Klage ab.
Das FA beantragt,
das Urteil des FG Düsseldorf vom 22. April 2010 8 K 3052/07 H(L) aufzuheben, soweit es die von der Klägerin gezahlten Arbeitgeberzuschüsse zur Rentenversicherung bzw. zum Versorgungswerk für die Vorstandsmitglieder C, D und E nicht als steuerpflichtigen Arbeitslohn behandelt hat, und die Klage insoweit abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Revision des FA ist begründet. Die Zuschüsse zu Beiträgen der Vorstandsmitglieder C, D und E zur Erlangung einer Altersvorsorge sind steuerpflichtiger Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Der Haftungsbescheid ist mithin --entgegen der Auffassung des FG-- auch insoweit rechtmäßig, als das FA die Klägerin hinsichtlich der streitigen Zuschüsse in Haftung genommen hat. Die Revision führt daher zur Änderung des angefochtenen Urteils und auch insoweit zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer, die er nach § 38 Abs. 1, Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG abzuführen hat.
2. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG u.a. Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Die Leistung des Arbeitgebers muss sich im weitesten Sinne als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung der individuellen Arbeitskraft erweisen. Dagegen sind solche Vorteile nicht als Arbeitslohn anzusehen, die sich bei objektiver Würdigung aller Umstände nicht als Entlohnung, sondern lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen erweisen. Vorteile besitzen danach keinen Arbeitslohncharakter, wenn sie im ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse des Arbeitgebers gewährt werden. Das ist der Fall, wenn sich aus den Begleitumständen wie Anlass, Art und Höhe des Vorteils, Auswahl der Begünstigten, freie oder nur gebundene Verfügbarkeit, Freiwilligkeit oder Zwang zur Annahme des Vorteils und seiner besonderen Geeignetheit für den jeweils verfolgten betrieblichen Zweck ergibt, dass diese Zielsetzung ganz im Vordergrund steht und ein damit einhergehendes eigenes Interesse des Arbeitnehmers, den betreffenden Vorteil zu erlangen, vernachlässigt werden kann (ständige Rechtsprechung, z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. Mai 2001 VI R 177/99, BFHE 195, 373, BStBl II 2001, 671; vom 7. Juli 2004 VI R 29/00, BFHE 208, 104, BStBl II 2005, 367; vom 11. März 2010 VI R 7/08, BFHE 228, 505, BStBl II 2010, 763).
3. a) Im Streitfall ist den Vorstandsmitgliedern durch die Zahlung der Zuschüsse ein Vorteil zugeflossen.
Mitglieder des Vorstands einer AG sind nicht in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig (§ 1 Satz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch in der in den Streitjahren geltenden Fassung --SGB VI--). Nicht versicherungspflichtige Personen können sich freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung versichern (§ 7 Abs. 1 SGB VI). Freiwillig Versicherte haben ihre Beiträge als Versicherungsnehmer selbst zu tragen (§ 171 SGB VI). Diese Regelung schließt jedoch eine Übernahme der Beitragszahlung durch Dritte oder eine Erstattung der Beiträge nicht aus (vgl. Kreikebohm/Schmidt in SGB VI, 3. Aufl., § 7 Rz 42 bis 45, § 171 Rz 3). Leistet der Arbeitgeber einen Zuschuss zur Beitragszahlung, so fließt dem Arbeitnehmer der Betrag bei Zahlung --ggf. im abgekürzten Zahlungsweg bei direkter Zahlung an die gesetzliche Rentenversicherung-- zu. Dasselbe gilt bei freiwilliger Fortführung der Mitgliedschaft in einem Rechtsanwaltsversorgungswerk, soweit der Arbeitgeber einen Zuschuss zu den vom Arbeitnehmer und Beitragsschuldner zu zahlenden Beiträgen leistet.
b) Die den Vorstandsmitgliedern zugeflossenen Zuschüsse sind auch als Entlohnung für ihre Tätigkeit anzusehen.
aa) Die Zuschussleistung stellt sich im Streitfall nicht lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen dar.
Die Erlangung eines Anspruchs auf Versorgungsleistungen liegt grundsätzlich im Interesse desjenigen, dessen Versorgung sichergestellt werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 7. Mai 2009 VI R 16/07, BFHE 225, 78, BStBl II 2010, 130). Zwar mag es ein betriebliches Anliegen der Klägerin gewesen sein, durch gegenwärtige Leistung von Zuschüssen später zu erbringende Pensionslasten zu reduzieren. Angesichts der erheblichen Bedeutung, die die Sicherung seiner Altersversorgung für den Arbeitnehmer hat, und der Höhe der betrieblichen Leistungen, tritt das Interesse des Arbeitgebers an der Finanzierung und Sicherung seiner Versorgungszusage nicht derart in den Vordergrund, dass der Vorteil des Arbeitnehmers durch die Zuschüsse zur Rentenversicherung oder zu den Versorgungswerken als bloße Begleiterscheinung des vom Arbeitgeber mit der Leistung verfolgten betrieblichen Zwecks anzusehen wäre (vgl. BFH-Urteil in BFHE 225, 78, BStBl II 2010, 130).
Soweit diese Beurteilung nicht mit der in der Entscheidung des BFH vom 5. September 2006 VI R 38/04 (BFHE 214, 573, BStBl II 2007, 181) vertretenen Auffassung übereinstimmt, hält der Senat daran nicht mehr fest.
bb) Die Zuschussleistung ist auch nicht einem gesetzlichen Arbeitgeberanteil an der Sozialversicherung gleichzustellen.
Im Falle einer gesetzlichen Verpflichtung des Arbeitgebers zur Abführung eines Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung handelt es sich beim Arbeitgeberanteil nicht um Arbeitslohn, weil die Entrichtung des Arbeitgeberanteils nicht als Gegenleistung für die Arbeitsleistung zu beurteilen ist (BFH-Urteil vom 6. Juni 2002 VI R 178/97, BFHE 199, 524, BStBl II 2003, 34). Der Arbeitgeber erfüllt hiermit vielmehr eine eigene ihm unmittelbar auferlegte öffentliche Verpflichtung.
Im Streitfall bestand keine gesetzliche Verpflichtung der Klägerin, für die Vorstandsmitglieder Anteile zu einer Rentenversicherung zu tragen. Mithin erfüllte die Klägerin hiermit nicht eine eigene öffentliche Verpflichtung.
4. Die Zuschüsse zur Rentenversicherung bzw. zu den Beiträgen zum Versorgungswerk sind auch nicht nach § 3 Nr. 62 Satz 1 EStG steuerfrei. Denn die Steuerbefreiung betrifft nur Zukunftssicherungsleistungen, zu denen der Arbeitgeber aufgrund gesetzlicher Vorschriften verpflichtet ist (BFH-Urteil vom 9. Oktober 1992 VI R 47/91, BFHE 169, 208, BStBl II 1993, 169; BFH-Beschluss vom 30. April 2002 VI B 237/01, BFH/NV 2002, 1029). Es liegt auch nicht der in § 3 Nr. 62 Satz 2 EStG geregelte Fall vor, dass Zuschüsse zu den Aufwendungen eines von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung befreiten Arbeitnehmers gezahlt worden sind. Denn bei Vorstandsmitgliedern handelt es sich nicht um von der gesetzlichen Versicherungspflicht befreite Arbeitnehmer; sie gehören vielmehr zu dem kraft Gesetzes nicht versicherungspflichtigen Personenkreis (BFH-Urteil in BFHE 169, 208, BStBl II 1993, 169).