Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 18.04.2013


BFH 18.04.2013 - VI R 70/11

(Kindergeldberechtigung bei unbeschränkter Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG; Monatsprinzip)


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
18.04.2013
Aktenzeichen:
VI R 70/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend FG Düsseldorf, 13. Juli 2011, Az: 15 K 206/11 Kg, Urteilnachgehend FG Düsseldorf, 8. Dezember 2014, Az: 15 K 2543/13 Kg, Urteil
Zitierte Gesetze
Art 13 Abs 1 EWGV 1408/71
Art 13 Abs 2 Buchst a EWGV 1408/71
Art 14 Nr 2 Buchst b Ziff i EWGV 1408/71
Art 39 EG
Art 42 EG

Leitsätze

1. NV: Der Anspruch auf Kindergeld nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG besteht nur für die Monate, in denen der Steuerpflichtige inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt.

2. NV: Diese Auslegung steht im Einklang mit dem Recht der Europäischen Union.

Tatbestand

1

I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist polnischer Staatsangehöriger. Er lebt mit seiner Ehefrau und seiner am … 2004 geborenen Tochter K in Polen. Von März bis Juli 2008 arbeitete der Kläger bei einem Baumschulbetrieb in N. Er war sozialversicherungspflichtig.

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Im Mai 2009 beantragte der Kläger Kindergeld für K. Mit Bescheid vom 18. Juni 2009 setzte die Beklagte und Revisionsbeklagte (die Familienkasse) Kindergeld für die Monate März bis Juli 2008 unter Anrechnung polnischer Familienleistungen fest. Mit dem hiergegen gerichteten Einspruch begehrte der Kläger die Gewährung von ganzjährigem Kindergeld für 2008 sowie die Korrektur der Anrechnung. Die Familienkasse gab dem Einspruch insoweit statt, als der Anrechnungsbetrag wegen einer Devisenverwechslung zugunsten des Klägers korrigiert wurde. Im Übrigen wies sie den Einspruch als unbegründet zurück. Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab.

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Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, der Kläger sei in den betreffenden Monaten nicht kindergeldberechtigt gewesen, weil er im Inland weder seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt gehabt habe noch nach § 1 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gewesen sei oder nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt worden sei. Für den maßgebenden Zeitraum komme eine Kindergeldberechtigung aufgrund von § 1 Abs. 3 EStG nicht in Betracht, weil dies nur für Zeiträume gelten könne, in denen der Steuerpflichtige inländische Einkünfte i.S. des § 1 Abs. 3 EStG erziele. Denn diese Steuerpflicht entstehe nach § 1 Abs. 3 Satz 1 EStG nur, soweit inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG vorlägen. Dies beinhalte auch ein zeitliches Moment mit der Folge, dass die Einkünfte i.S. des § 49 EStG den Beginn und das Ende der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG markierten.

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Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts.

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Er beantragt,

das Urteil des FG Düsseldorf vom 13. Juli 2011  15 K 206/11 Kg sowie die Einspruchsentscheidung vom 13. Dezember 2010 aufzuheben und die Familienkasse zu verpflichten, für K Kindergeld für die Monate Januar, Februar, August, September, Oktober, November und Dezember 2008 unter Anrechnung der polnischen Familienleistungen zu gewähren.

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Die Familienkasse beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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II. Die Revision des Klägers ist begründet. Das Urteil des FG war aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger ein Anspruch auf Kindergeld nur für diejenigen Kalendermonate zusteht, in denen er im Inland unbeschränkt steuerpflichtige Einkünfte i.S. von § 1 Abs. 3 i.V.m. § 49 EStG erzielt hat. Hierzu sind jedoch noch weitere Feststellungen zur "Behandlung als unbeschränkt Steuerpflichtiger" durch das Finanzamt (FA) sowie zum Zeitpunkt des Zuflusses der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit zu treffen.

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1. Die Familienkasse … der Bundesagentur für Arbeit ist aufgrund eines Organisationsaktes (Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom 18. April 2013 gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff., Nr. 2.2 der Anlage 2) im Wege des gesetzlichen Parteiwechsels in die Beteiligtenstellung der Agentur für Arbeit … - Familienkasse eingetreten (s. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 3. März 2011 V B 17/10, BFH/NV 2011, 1105, unter II.A.).

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2. Für Kinder i.S. des § 63 EStG hat nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG Anspruch auf Kindergeld, wer ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland nach § 1 Abs. 3 EStG "als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt" wird.

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Nach § 1 Abs. 3 EStG werden auf Antrag auch natürliche Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt, die im Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, soweit sie inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG haben. Dies gilt nur, wenn ihre Einkünfte im Kalenderjahr zu mindestens 90 % der deutschen Einkommensteuer unterliegen oder die nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte den Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG nicht übersteigen. Voraussetzung ist weiter u.a., dass die Höhe der nicht der deutschen Einkommensteuer unterliegenden Einkünfte durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird.

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3. Bei Anwendung des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG liegt eine Behandlung "nach § 1 Abs. 3 als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig" nur für die Kalendermonate vor, in denen der Kindergeldberechtigte Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielt, die nach § 1 Abs. 3 EStG der Einkommensteuer unterliegen (gl.A. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2012 V R 43/11, BFHE 239, 327).

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a) Mit dem Tatbestandsmerkmal "als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt" i.S. von § 1 Abs. 3 EStG stellt die Vorschrift steuersystematisch auf die "Behandlung" bei der Einkommensteuerfestsetzung ab. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Einkommensteuer nach § 2 Abs. 7 Satz 1 EStG eine Jahressteuer ist und ihre Grundlagen bei der Steuerfestsetzung gemäß § 2 Abs. 7 Satz 2 EStG jeweils für das Kalenderjahr zu ermitteln sind.

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b) Aus § 2 Abs. 7 EStG folgt jedoch nicht, dass sich die Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig jeweils auf ein Kalenderjahr bezieht. Endet z.B. die am Jahresanfang bestehende unbeschränkte Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG während eines Kalenderjahres --nach Wegzug aus dem Inland und damit nach der Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes im Inland--, erfolgt eine "Behandlung" als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig für den nachfolgenden Zeitraum bis zum Ende des Kalenderjahres nur nach § 1 Abs. 3 EStG. Die Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig gemäß § 1 Abs. 3 EStG beschränkt sich dann auf den Zeitraum, für den die Steuerpflicht nach dieser Vorschrift besteht (Lehner/Waldhoff, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 1 Rz D 212).

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c) Dass sich die Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig i.S. von § 1 Abs. 3 EStG wie im Fall des Wegzugs auf einen Teil eines Kalenderjahres beschränkt, zeigt, dass eine Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nach § 1 Abs. 3 EStG i.S. des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nur für die Zeiträume eines Kalenderjahres vorliegt, in denen der Steuerpflichtige die nach § 1 Abs. 3 EStG steuerpflichtigen Einkünfte bezieht. Dies steht auch im Einklang mit dem Wortlaut des § 1 Abs. 3 EStG, wonach die Behandlung von Personen als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig nur erfolgt, "soweit sie inländische Einkünfte im Sinne des § 49 EStG haben". Dabei handelt es sich somit nicht nur um eine gegenständliche Definition im Hinblick auf die Bestimmung des sachlichen Umfangs der Einkünfte, sondern auch um eine zeitliche Einschränkung auf den Zeitraum der Behandlung als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig (BFH-Urteil in BFHE 239, 327).

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d) Für diese Auslegung sprechen zudem Sinn und Zweck des § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG. Danach sollen natürliche Personen, die im Inland weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt haben und auf Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werden, kindergeldrechtlich den natürlichen Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland gleichgestellt werden. Wer ohne inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt als nach § 1 Abs. 3 EStG unbeschränkt Steuerpflichtiger keine Einkünfte im Inland (als anspruchsbegründendes Merkmal nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b i.V.m. § 1 Abs. 3 EStG) erzielt, kann kindergeldrechtlich nicht besser gestellt werden als der Steuerpflichtige, der durch seinen Wegzug ins Ausland seinen inländischen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland (als anspruchsbegründendes Merkmal nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG) aufgibt und mit Beendigung des Monats des Wegzugs seinen Anspruch auf Kindergeld verliert. Gleiches gilt für den Zeitraum vor Begründung seines inländischen Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts (BFH-Urteil in BFHE 239, 327).

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e) Der Kläger kann sich für seine Auffassung auch nicht auf § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung stützen, wonach ein Kind nur berücksichtigt werden darf, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.680 € "im Kalenderjahr" hat (sog. Jahresgrenzbetrag). Auch hier ist eine Monatsbetrachtung erforderlich, wenn die kindbezogenen Voraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld nicht ganzjährig vorliegen (§ 32 Abs. 4 Sätze 7 und 8 EStG). Denn nach Satz 7 dieser Regelung ermäßigt sich der Betrag nach Satz 2 oder 3 (der Jahresgrenzbetrag von 7.680 €) für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen nach Satz 1 Nr. 1 oder 2 an keinem Tag vorliegen. Nach Satz 8 bleiben Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, außer Ansatz (BFH-Urteil in BFHE 239, 327).

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4. Diese Auslegung steht --entgegen den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung-- nicht im Widerspruch zum Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 14. Februar 1995 C-279/93, Schumacker, Slg. 1995, I-225.

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a) Danach befinden sich bei der Besteuerung des Einkommens Gebietsansässige und Gebietsfremde grundsätzlich nicht in einer vergleichbaren Lage. Daher ist der Wohnsitzstaat für die Berücksichtigung der persönlichen und familiären Umstände verantwortlich (EuGH-Urteil in Slg. 1995, I-225, Rz 32 bis 35). Ausnahmsweise muss jedoch der Tätigkeitsstaat die persönliche und familiäre Lage berücksichtigen, wenn der Gebietsfremde sein Welteinkommen ausschließlich oder nahezu ausschließlich im Tätigkeitsstaat erzielt, weil andernfalls seiner persönlichen Lage und seinem Familienstand weder im Wohnsitzstaat noch im Beschäftigungsstaat Rechnung getragen würden (EuGH-Urteil in Slg. 1995, I-225, Rz 37 bis 38).

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b) § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG trägt den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen des Art. 39 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften i.d.F. des Vertrags von Amsterdam zur Änderung des Vertrags über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte --EG-- (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1997, Nr. C 340, 1) Rechnung und bezweckt, Steuerpflichtigen mit steuerbaren und steuerpflichtigen inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG unter den in § 1 Abs. 3 EStG genannten Voraussetzungen im Rahmen der Besteuerung der inländischen Einkünfte die Berücksichtigung der personen- und familienbezogenen Steuerentlastungen zu ermöglichen. Entsprechend wird bei der Veranlagung zur Einkommensteuer unabhängig davon, ob die unbeschränkte Steuerpflicht auf § 1 Abs. 1 EStG beruht oder ob der Steuerpflichtige nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt wird, für jedes zu berücksichtigende Kind nach § 32 Abs. 6 EStG unter den dort genannten weiteren Voraussetzungen ein Kinderfreibetrag für das sächliche Existenzminimum sowie ein Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf vom Einkommen abgezogen. Diese Regelungen genügen den Vorgaben des EuGH-Urteils "Schumacker" in Slg. 1995, I-225 (EuGH-Urteil vom 14. September 1999 Rs. C-391/97, Gschwind, Slg. I 1999, 5451, BStBl II 1999, 841; BFH-Urteil vom 15. Mai 2002 I R 40/01, BFHE 199, 224, BStBl II 2002, 660).

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c) Wird das Existenzminimum eines Kindes einschließlich des Bedarfs für Betreuung, Erziehung und Ausbildung nicht durch § 32 Abs. 6 EStG freigestellt, wird dies durch das Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG bewirkt. Soweit das Kindergeld dafür nicht erforderlich ist, dient es der Förderung der Familie (§ 31 Satz 2 EStG) und hat eine sozialrechtliche Funktion (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005  2 BvR 167/02, BVerfGE 112, 164; BFH-Urteil vom 22. November 2007 III R 60/99, BFHE 220, 39, BStBl II 2009, 910).

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5. Auch soweit das Kindergeld eine sozialrechtliche Funktion hat, besteht keine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, Kindergeld auch für Monate zu gewähren, in denen der Kläger keine inländischen Einkünfte i.S. des § 49 EStG hatte (vgl. EuGH-Urteil vom 12. Juni 2012 C-611/10 und 612/10, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2012, 999, Rz 45).

22

a) Eine dementsprechende Verpflichtung ergibt sich insbesondere nicht aus der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und Selbständige sowie deren Familienangehörige, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern, in der durch die Verordnung (EG) Nr. 118/97 des Rates vom 2. Dezember 1996 (ABlEG 1997, L 28, S. 1) geänderten und aktualisierten Fassung, diese wiederum geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 647/2005 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. April 2005 (Amtsblatt der Europäischen Union 2005, L 117, S. 1) (im Folgenden: VO Nr. 1408/71), sowie den Bestimmungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und das Diskriminierungsverbot (Art. 39 und 42 EG; jetzt Art. 45 und 48 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union).

23

Nach Art.  13 Abs. 1 VO Nr. 1408/71 unterliegt ein Arbeitnehmer den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. Dies ist grundsätzlich der Mitgliedstaat, in dem der Arbeitnehmer beschäftigt ist, auch wenn er im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohnt (Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO Nr. 1408/71). Dies gilt jedoch nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit gewöhnlich im Gebiet von zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausübt. Dann sind die Rechtsvorschriften des Mitgliedstaates maßgeblich, in dessen Gebiet er wohnt (Art. 14 Nr. 2 Buchst. b Buchst. i VO Nr. 1408/71). Diese Regelung verstößt nicht gegen EU-Primärrecht, und zwar auch dann nicht, wenn die Regelungen des Wohnsitzstaates für den Arbeitnehmer ungünstiger sind als diejenigen des Mitgliedstaates, in dem z.T. die Tätigkeit ausgeübt wird (EuGH-Urteil in DStRE 2012, 999, Rz 43 und 44). Im Streitfall sind daher --jedenfalls für die Zeit, in der der Kläger in Deutschland nicht gearbeitet hat-- die polnischen Regelungen über Familienleistungen einschlägig.

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b) Im Übrigen liegt eine Schlechterstellung von gebietsfremden Ausländern gegenüber gebietsansässigen Inländern durch die Beschränkung der Gewährung von Kindergeld auf den Zeitraum des Bezugs inländischer Einkünfte i.S. von § 49 EStG nicht vor. In diesem Zusammenhang ist die gesetzgeberische Grundentscheidung zu berücksichtigen, dass die Anspruchsvoraussetzungen für die Kindergeldgewährung nach § 66 Abs. 2 EStG monatsweise zu prüfen sind. Dementsprechend besteht in den Fällen der unbeschränkten Steuerpflicht nach § 1 Abs. 1 EStG gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG der Kindergeldanspruch nur für diejenigen Kalendermonate, in denen der Anspruchsberechtigte im Inland einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat (BFH-Urteil vom 20. November 2008 III R 53/05, BFH/NV 2009, 564). Die unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG tritt für Zwecke der Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG an die Stelle des nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG erforderlichen Anknüpfungspunkts des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthalts. Der Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG ist demnach gleichfalls eine monatsbezogene Prüfung zugrunde zu legen, deren Anknüpfungspunkt die Einkünfte i.S. des § 49 EStG darstellen. Dies bedeutet, dass für In- und Ausländer das Monatsprinzip anzuwenden ist.

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Eine unzulässige Diskriminierung liegt auch nicht deshalb vor, weil der im Inland Ansässige Kindergeld unabhängig von jeglicher Einkunftserzielung erhält, während der nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG Kindergeldberechtigte nur für diejenigen Monate Kindergeld beziehen kann, in denen inländische Einkünfte vorliegen. Eine gemeinschaftsrechtliche Verpflichtung, die Kindergeldberechtigung bei Ansässigkeit im Inland von der Erzielung von Einkünften abhängig zu machen, besteht nicht. Der Anknüpfungspunkt für die Kindergeldberechtigung wird hier durch den inländischen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt vermittelt. Anknüpfungspunkt für die Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG sind inländische Einkünfte i.S. des § 49 EStG. Gewährte man für diejenigen Monate, in denen der Kindergeldberechtigte keine inländischen Einkünfte erzielt, Kindergeld, fehlte es an jeglichem Anknüpfungspunkt für eine Kindergeldberechtigung.

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Schließlich liegt auch keine Ungleichbehandlung gegenüber Grenzpendlern vor. Grenzpendler haben im Inland regelmäßig weder einen Wohnsitz noch einen gewöhnlichen Aufenthalt, so dass eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 1 EStG ausscheidet. Liegen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 3 EStG vor, kommt eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG in Betracht, soweit inländische Einkünfte erzielt werden. Dies bedeutet, dass auch der Grenzpendler nur ganzjährig Kindergeld erhält, wenn sich die grenzüberschreitende Tätigkeit auf das gesamte Kalenderjahr erstreckt.

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6. Die Sache ist gleichwohl nicht spruchreif.

Eine Kindergeldberechtigung nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG setzt voraus, dass der Anspruchsteller aufgrund eines entsprechenden Antrags vom zuständigen FA nach § 1 Abs. 3 EStG als unbeschränkt einkommensteuerpflichtig behandelt wird (BFH-Urteil vom 24. Mai 2012 III R 14/10, BFHE 237, 239, BStBl II 2012, 897). Ob der Kläger beim FA einen Antrag nach § 1 Abs. 3 EStG gestellt hatte und entsprechend zur Einkommensteuer veranlagt wurde, lässt sich den Feststellungen des FG nicht zweifelsfrei entnehmen. Ebenso fehlen Feststellungen zum Zeitpunkt, zu dem dem Kläger die Einkünfte nach § 49 Abs. 1 Nr. 4 EStG i.V.m. § 11 EStG zugeflossen sind (vgl. BFH-Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 69/09, BFHE 236, 298, BStBl II 2012, 888).

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7. Auf die Verfahrensrüge kam es wegen der Zurückverweisung an das FG nicht mehr an.