Entscheidungsdatum: 13.06.2013
NV: Im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung an eine Versorgungseinrichtung erbrachte Sonderzuwendungen des Arbeitgebers sind kein Arbeitslohn, wenn sie zur Verbesserung der Kapitalausstattung der Versorgungseinrichtung geleistet werden und wirtschaftlich nicht an die Stelle regulärer Umlagen treten.
I. Streitig ist, ob eine vom Arbeitgeber an eine Versorgungseinrichtung erbrachte Sonderzahlung Arbeitslohn ist.
Die bei der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) beschäftigten Arbeitnehmer erhalten aufgrund tarifvertraglicher Vereinbarung eine zusätzliche Alters- und Hinterbliebenenversorgung. Deshalb sind sie bei einer Zusatzversorgungskasse versichert. An diese Zusatzversorgungskasse erbrachte die Klägerin für die Arbeitnehmer monatlich Umlagen nach dem Abschnittsdeckungsverfahren. Zur Verbesserung ihrer Kapitalausstattung erhob die Zusatzversorgungskasse von der Klägerin im Dezember des Streitjahres 1998 eine Sonderzahlung.
In ihrer Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember des Streitjahres 1998 unterwarf die Klägerin die Sonderzahlung zunächst der pauschalen Lohnsteuer nach § 40b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Später stellte sie bei dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) den Antrag, die Lohnsteuer-Anmeldung für Dezember des Streitjahres 1998 insoweit zu ändern. Denn ihrer Auffassung nach sei die Sonderzahlung kein Arbeitslohn. Diesen Antrag lehnte das FA ab.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 912 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
Es beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Senat hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Sonderzahlung kein Arbeitslohn ist.
1. Zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gehören nach § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Arbeitslohn ist jeder gewährte Vorteil, der durch das individuelle Dienstverhältnis veranlasst ist.
a) Zum Arbeitslohn können auch Ausgaben gehören, die ein Arbeitgeber leistet, um einen Arbeitnehmer oder diesem nahestehende Personen für den Fall der Krankheit, des Unfalls, der Invalidität, des Alters oder des Todes abzusichern --Zukunftssicherung-- (etwa Senatsurteil vom 11. Dezember 2008 VI R 9/05, BFHE 224, 70, BStBl II 2009, 385). Erlangt der Arbeitnehmer durch die Beitragsleistungen seines Arbeitgebers einen unmittelbaren und unentziehbaren Rechtsanspruch gegen den Versicherer bzw. die Versorgungseinrichtung, fließt ihm mit der Beitragsleistung Arbeitslohn zu (Senatsurteil vom 7. Mai 2009 VI R 8/07, BFHE 225, 68, BStBl II 2010, 194).
aa) Demgemäß liegt Arbeitslohn vor, wenn Versorgungsleistungen durch abschnittsbezogene Umlagen der beteiligten Arbeitgeber finanziert werden (Senatsurteile vom 15. Februar 2006 VI R 92/04, BFHE 212, 445, BStBl II 2006, 528; vom 30. Mai 2001 VI R 178/99, BFH/NV 2001, 1258). Denn bereits durch die Teilnahme an dem kollektiven Finanzierungsverfahren erwirbt der aktive Arbeitnehmer Anwartschaftsrechte auf künftige Versorgung, was für die Zuwendung eines Lohnbestandteils ausreicht (Senatsurteile in BFHE 212, 445, BStBl II 2006, 528; vom 14. September 2005 VI R 32/04, BFHE 210, 447, BStBl II 2006, 500).
bb) Überdies können Sonderzuwendungen, die der Arbeitgeber zur Abdeckung von Fehlbeträgen beim Deckungskapital eines Versicherers bzw. einer Versorgungseinrichtung erbringt, Arbeitslohn sein.
So hat der erkennende Senat entschieden, dass Pauschalzuweisungen eines Arbeitgebers an eine betriebliche Pensionskasse zur Abdeckung von Fehlbeträgen des Deckungskapitals Arbeitslohn der aktiven Arbeitnehmer oder der Pensionäre sind, wenn die Beiträge zur Pensionskasse allein vom Arbeitgeber getragen werden und die Höhe der laufenden Beiträge versicherungsmathematisch nicht exakt kalkuliert wurde (Senatsurteil vom 7. Juli 1972 VI R 116/69, BFHE 107, 11, BStBl II 1972, 890). Entscheidend war dabei, dass die Pauschalzuweisung wirtschaftlich an die Stelle eines eigenen Beitrags des Arbeitnehmers trat, da sie dazu diente, Fehlbeträge auszugleichen, die aufgrund der fehlenden versicherungsmathematischen Kalkulation der Beiträge von vornherein billigend in Kauf genommen wurden (Senatsurteil vom 12. September 2001 VI R 154/99, BFHE 196, 539, BStBl II 2002, 22).
Ist dagegen der Barwert der Versorgungsanwartschaften versicherungsmathematisch in dem Sinne richtig berechnet worden, dass die für den jeweiligen Deckungsabschnitt zu entrichtenden Umlagen zur Deckung der für diesen Zeitraum anfallenden Ausgaben ausgereicht hätten, haben Sonderzuwendungen des Arbeitgebers an den Versicherer bzw. die Versorgungseinrichtung keinen Arbeitslohncharakter (vgl. Senatsurteile in BFHE 212, 445, BStBl II 2006, 528; in BFHE 210, 447, BStBl II 2006, 500; in BFH/NV 2001, 1258). Denn treten solche Sonderzuwendungen wirtschaftlich nicht an die Stelle eines eigenen Beitrags der Arbeitnehmer, erlangen diese hierdurch auch keinen Vorteil (vgl. Senatsurteile in BFHE 212, 445, BStBl II 2006, 528; vom 15. Februar 2006 VI R 64/05, BFH/NV 2006, 1272, jeweils zur Gegenwertzahlung beim Ausscheiden eines Arbeitgebers aus der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder; in BFHE 210, 447, BStBl II 2006, 500, zu Sonderzuwendungen an eine Zusatzversorgungskasse wegen der Schließung des Umlagesystems; in BFHE 196, 539, BStBl II 2002, 22, zur Bildung einer gesetzlich vorgeschriebenen Solvabilitätsspanne).
b) Erst Sonderzuwendungen des Arbeitgebers, die Sonderzahlungen i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sätze 2 bis 4 EStG i.d.F. des Jahressteuergesetzes (JStG) 2007 sind und nach dem 23. August 2006 geleistet wurden (§ 52 Abs. 35 EStG i.d.F. des JStG 2007), zählen zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
2. Nach diesen Grundsätzen ist die streitbefangene Sonderzahlung kein Arbeitslohn.
Denn die Arbeitnehmer der Klägerin haben durch die Sonderzahlung keinen Vorteil erlangt. Nach den mit zulässigen Revisionsrügen nicht angegriffenen und daher den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG waren die durch die Klägerin monatlich entrichteten Umlagen zur Deckung der Ausgaben im laufenden Deckungsabschnitt versicherungsmathematisch zutreffend kalkuliert, so dass die Sonderzahlung wirtschaftlich nicht an die Stelle eines eigenen Beitrags des Arbeitnehmers trat. Die Klägerin wandte den bei ihr beschäftigten Arbeitnehmern mithin nichts zu, was über den Erwerb der Versorgungsanwartschaften durch die regulären Umlagezahlungen hinausgeht. Überdies haben sich nach den tatsächlichen und den Senat auch im Revisionsverfahren bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) die bereits laufenden Versorgungsbezüge ebenfalls nicht erhöht.