Bundesfinanzhof

Entscheidungsdatum: 31.03.2010


BFH 31.03.2010 - VI B 19/10

Rechtschutzgewährende Auslegung eines Rechtsmittels


Gericht:
Bundesfinanzhof
Spruchkörper:
6. Senat
Entscheidungsdatum:
31.03.2010
Aktenzeichen:
VI B 19/10
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend FG Münster, 16. November 2009, Az: 10 K 3765/08 E, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

NV: Hat das FG die Revision nicht zugelassen, ist das Begehren der Kläger die Gerichtsentscheidung durch die nächste Instanz prüfen zu lassen, als Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision auszulegen.

Tatbestand

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I. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) sind Eheleute, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind. Bei den Einkommensteuerfestsetzungen ist die Abzugsfähigkeit verschiedener Aufwendungen als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 33 des Einkommensteuergesetzes streitig geblieben. Nach erfolglosem Vorverfahren haben die Kläger Klage erhoben. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit Urteil vom 16. November 2009 abgewiesen. Die Revision ist nicht zugelassen worden. Die mit einer zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehene Entscheidung wurde den Klägern ausweislich der vorliegenden Postzustellungsurkunden am 30. Dezember 2009 zugestellt. Mit Schriftsatz vom 26. Januar 2010 wandten sich die Kläger erneut an das FG und stellten folgende Anträge:

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" - die unverzügliche Abgabe von der vollständigen Akte 10 K 3765/08 E -sämtliche Unterlagen und Belege dieser Akte- und die vollständige Übertragung der geschäftsführenden Aufgaben und Pflichten aus dem Verfahren 10 K 3765/08 E an  diejenige Behörde oder Institution oder Gericht, die dem Finanzgericht Münster dem Range nach vorgesetzt ist,
und
- diejenige Behörde oder Institution oder Gericht, die dem  Finanzgericht Münster dem Range nach vorgesetzt ist, bestimmt und beauftragt ein tatsächlich und nachweislich unabhängiges, justiztreues und gesetzestreues Gericht mit der Geschäftsführung des Verfahrens und der Akte 10 K 3765/08 E,
und
- die Aufhebung der Gerichtsentscheidung 10 K 3765/08 E von dem FG Münster mit dem Ausfertigungsdatum 29.12.2009 durch dasjenige Gericht, das im vorhergehenden Antrag durch die vorgesetzte Behörde oder Institution oder Gericht bestimmt und beauftragt wurde,
und
- die Bekanntgabe der Bezeichnung bzw. des Namens und die  vollständige Adresse von derjenigen Behörde oder Institution oder Gericht, die dem Finanzgericht Münster dem Range nach vorgesetzt ist, in Schriftform per Briefpost an die Adresse der Kläger,
und
- die Bekanntgabe der Bezeichnung bzw. des Namens und die vollständige Adresse von demjenigen Gericht, das durch die vorgesetzte Behörde oder Institution oder Gericht als ein tatsächlich unabhängiges, justiztreues und gesetzestreues Gericht bestimmt und mit der Geschäftsführung des Verfahrens und der Akte 10 K 3765/08 E beauftragt wurde, in Schriftform per Briefpost an die Adresse der Kläger."

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Eine Begründung der Anträge wurde innerhalb von vier Wochen nach schriftlicher Benennung des neu geschäftsführenden Gerichts in Aussicht gestellt.

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Das FG hat das Schreiben der Kläger vom 26. Januar 2010 als Nichtzulassungsbeschwerde ausgelegt, die Streitsache zur weiteren Veranlassung dem Bundesfinanzhof (BFH) vorgelegt und die Kläger mit Schreiben vom 29. Januar 2010 hiervon in Kenntnis gesetzt. Darüber hinaus hat es in diesem Schreiben den Klägern erläutert, dass sich die Adresse des BFH auf S. 2 des Urteils in der Rechtsmittelbelehrung finde und weitere Informationen unter www.bundesfinanzhof.de abrufbar seien.

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Unter dem Datum 12. Februar 2010 hat die Geschäftsstelle des VI. Senats den Klägern mitgeteilt, dass die Streitsache dem BFH vorliege und unter dem Az. VI B 19/10 geführt werde. Zugleich hat die Senatgeschäftsstelle auf den beim BFH gemäß § 62 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bestehenden Vertretungszwang hingewiesen und verdeutlicht, dass ein Rechtsmittel, das --wie vorliegend-- von einer nicht vertretungsberechtigten Person oder Gesellschaft eingelegt worden sei, zur Unzulässigkeit und Kostenpflicht führe. Im Hinblick auf diese Rechtslage wurde um Mitteilung bis zum 10. März 2010 gebeten, ob die Beschwerde zurückgenommen werde. Weiter wurde den Klägern erläutert, dass sich die Gerichtskosten im Fall der Rücknahme auf die Hälfte ermäßigten.

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Mit Schriftsatz vom 16. Februar 2010 fragte die Klägerin: "Worum geht es mit Ihrem Anliegen vom 12.02.2010? Wann und mit welchem Schreiben richtete ich persönlich eine Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (Einkommensteuer 2004 und 2005) an den Bundesfinanzhof? Hilfsweise und bedingt durch mein Nichtwissen um Ihr Anliegen beantrage ich nach Ihrer Beantwortung von meinen Fragen das einstweilige Ruhenlassen des Verfahrens, das Sie mit Ihrem Schreiben vom 12.02.2010 vortrugen." Den Antrag begründete die Klägerin damit, dass sie zur Vermeidung von Nachteilen die Mitteilung des BFH zur Sache und angemessene Zeit, um eine Rechtsvertretung gewinnen und informieren zu können, benötige. Um Antwort wurde bis spätestens zum 24. Februar 2010 gebeten.

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Mit Schreiben vom 24. Februar 2010 hat sich die Klägerin an den Präsidenten/Vorstand des BFH gewandt und gebeten, die Geschäftsstelle des VI. Senats des BFH anzuweisen, den Schriftsatz vom 16. Februar 2010 unverzüglich zu beantworten, da der Termin 24. Februar 2010 nicht eingehalten worden sei.

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Unter dem Datum 26. Februar 2010 hat die Geschäftsstelle des VI. Senats des BFH der Klägerin das Geschehen nochmals erläutert, um Klarstellung bis zum 20. März 2010 gebeten, ob eine Behandlung der Sache als Nichtzulassungsbeschwerde angestrebt werde, und auf deren Unzulässigkeit hingewiesen.

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Daraufhin wandte sich die Klägerin mit Schreiben vom 12. März 2010 erneut an den Präsidenten/Vorstand des BFH und beklagte sich über die Widersprüchlichkeit der bisherigen Schreiben der Geschäftsstelle des VI. Senats. Bevor "Absicht und Interesse" beantwortet werden könnten, müsse bis zum 17. März 2010 klargestellt werden, ob der BFH ein Gericht sei, welches definitiv nach den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit, nach dem Grundsatz der Gerechtigkeit und nach dem Maßstab der Wahrheit arbeiten müsse. Auch begehrte die Klägerin zu wissen, ob das Grundgesetz ein verbindlich verpflichtendes Werkzeug für die Arbeitsweise aller Mitarbeiter/innen des BFH sei.

Entscheidungsgründe

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II. 1. Der Senat legt den Schriftsatz der Kläger vom 26. Januar 2010 als Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision (Einkommensteuer 2004 und 2005) aus. In diesem Schreiben begehren die Kläger unter anderem die Aufhebung des Urteils des FG Münster in der Sache 10 K 3765/08 E durch das dem FG Münster im Range vorgesetzte Gericht. Damit haben die Kläger unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Überprüfung der streitigen Gerichtsentscheidung durch die nächste und damit die Revisionsinstanz erstreben. Da das FG in der Streitsache die Revision nicht zugelassen hat, mussten die Kläger hierfür jedoch zunächst diese Zugangsschranke zur Revisionsinstanz beseitigen. Dies aber ist Gegenstand des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Erst bei Erfolg dieses Rechtsmittels kann ein Revisionsverfahren geführt werden. Das Rechtsschutzbegehren der Kläger ist deshalb rechtsschutzgewährend als Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision und nicht als Revision auszulegen.

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2. Gleichwohl ist das Rechtsmittel unzulässig. Vor dem BFH muss sich --wie auch aus der Rechtsmittelbelehrung in dem angefochtenen Urteil hervorgeht-- jeder Beteiligte, sofern es sich nicht um eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder um eine Behörde handelt, durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer oder vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen; zur Vertretung berechtigt sind auch Gesellschaften i.S. des § 3 Nr. 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch solche Personen handeln (§ 62 Abs. 4 FGO). Im Streitfall ist die Beschwerde nicht von einer solchen Person oder Gesellschaft eingelegt worden; die Beschwerde ist daher als unzulässig zu verwerfen.

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3. Eine Aussetzung (§ 74 FGO) oder ein Ruhen des Verfahrens (§ 155 FGO i.V.m. § 251 der Zivilprozessordnung) kam nicht in Betracht. Im Übrigen haben die Kläger ein solches Vorgehen auch nicht beantragt, sondern einen entsprechenden Antrag im Schriftsatz vom 16. Februar 2010 lediglich in Aussicht gestellt.