Entscheidungsdatum: 26.10.2012
1. Zwei gegen denselben Beschluss der Wohnungseigentümer gerichtete Anfechtungsklagen müssen zwingend - gegebenenfalls auch noch in der Berufungsinstanz oder instanzenübergreifend - zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden werden.
2. Unterbleibt die Verbindung, so kann jeder Kläger auch in dem Parallelverfahren Rechtsmittel gegen ein die Klage abweisendes Urteil einlegen; wird die Entscheidung in einem der Verfahren rechtskräftig, hat dies die Unzulässigkeit der zweiten Klage zur Folge.
Auf die Revision des Klägers wird - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels - das Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Bamberg vom 14. Dezember 2011 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung hinsichtlich des Klageantrags zurückgewiesen worden ist, der auf Verpflichtung der Wohnungseigentümer zur Zustimmung zu einem Beschluss gerichtet ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung am 26. Januar 2009 lehnten die Wohnungseigentümer mehrheitlich einen Beschluss ab, wonach die für den Austausch von Fenstern entstehenden Kosten jeweils den Wohnungseigentümern auferlegt werden sollten, deren Sondereigentumseinheiten die Fenster zuzuordnen waren. Gegen diesen ablehnenden Beschluss wendet sich der Kläger mit der Beschlussmängelklage und beantragt ferner, die Beklagten zur Zustimmung zu einem entsprechenden Beschluss zu verurteilen.
In einem Parallelverfahren hatten andere Wohnungseigentümer denselben Beschluss angefochten. Diese Klage wies das Amtsgericht mit Urteil vom 13. August 2009 ab. Nachdem die Berufung der Kläger in jenem Verfahren erfolglos war, wurde das Urteil rechtskräftig.
In dem hiesigen Rechtsstreit hat das Amtsgericht die Klage ebenfalls mit Urteil vom 13. August 2009 abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos gewesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt er seine erstinstanzlich gestellten Anträge weiter.
I.
Das Berufungsgericht hält die Klage für unzulässig, weil ihr die Rechtskraft des in dem Parallelverfahren ergangenen Urteils vom 13. August 2009 entgegenstehe. Der Streitgegenstand sei identisch. Die Rechtskraft erstrecke sich auf den Kläger, der in dem Parallelverfahren Beklagter gewesen sei. Dass die in § 47 WEG vorgesehene Verbindung der Verfahren unterblieben sei, stehe dem Eintritt der Rechtskraft nicht entgegen. Dem Kläger sei es möglich gewesen, den Klägern in dem Parallelverfahren als Nebenintervenient beizutreten, um seine Argumente zu Gehör zu bringen.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nur teilweise stand.
1. Im Hinblick auf den Antrag, den Beschluss vom 26. Januar 2009 für nichtig, hilfsweise für ungültig zu erklären, sieht das Berufungsgericht die Klage zu Recht als unzulässig an. Einer Sachentscheidung steht die Rechtskraft des in dem Parallelverfahren ergangenen Urteils entgegen.
a) Beide Verfahren wurden zwischen denselben Parteien geführt, wenn auch in unterschiedlichen Parteirollen. Weil der Kläger in dem Parallelverfahren auf der Seite der übrigen Wohnungseigentümer Beklagter war, ist in subjektiver Hinsicht Rechtskraftwirkung eingetreten (§ 325 Abs. 1 ZPO). Das gilt auch in materieller Hinsicht, weil der Streitgegenstand identisch ist (§ 322 Abs. 1 ZPO).
b) Dem Einwand der Rechtskraft steht nicht entgegen, dass die Klage in dem Parallelverfahren nicht auf die Nichtigkeit des Beschlusses gestützt war. Denn Nichtigkeits- und Anfechtungsklage haben denselben Streitgegenstand, was der Gesetzgeber in den gesetzlichen Regelungen der §§ 46 Abs. 2, 47 Satz 1 und 48 Abs. 4 WEG zum Ausdruck gebracht hat (Senat, Urteil vom 2. Oktober 2009 – V ZR 235/08, BGHZ 182, 307 Rn. 20 ff.; Urteil vom 20. Mai 2011 – V ZR 175/10, NJW-RR 2011, 1232 Rn. 9 jeweils mwN). Aus diesem Grund sind im Rahmen der Anfechtungsklage auch Gründe für die Nichtigkeit von Amts wegen zu prüfen. Ob einzelne Gründe, die zur Nichtigkeit oder zur Anfechtbarkeit führen könnten, tatsächlich geltend gemacht und geprüft worden sind, ist für den Eintritt der Rechtskraft unerheblich.
c) Entgegen der Ansicht des Klägers führt die unterbliebene Verbindung der Verfahren nicht zu einem anderen Ergebnis.
aa) Richtig ist allerdings, dass die Verbindung zwingend erforderlich war. Sie hätte auch noch in zweiter Instanz (Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 47 Rn. 8; Suilmann in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 47 Rn. 8; MünchKomm-BGB/Engelhardt, 5. Aufl., § 47 WEG Rn. 3) und sogar instanzenübergreifend erfolgen müssen (so zu Recht Klein, aaO; aA Timme/Elzer, WEG, § 47 Rn. 3). Weil sie rechtsfehlerhaft unterblieb, ist die Beschlussmängelklage in dem Parallelverfahren möglicherweise anders geführt worden, als es der Kläger für richtig hält. Verfahrensrechtlich hätte er dies allein dadurch verhindern können, dass er die von Amts wegen vorzunehmende Verbindung anregte. Denn ein Parteiwechsel in dem Parallelverfahren wäre nur im allseitigen Einverständnis zulässig gewesen (so zu Recht Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 46 Rn. 65). Auch hätte er in jenem Verfahren nicht - wie das Berufungsgericht gemeint hat - auf der Klägerseite als Nebenintervenient beitreten können. § 66 Abs. 1 ZPO setzt nämlich voraus, dass der Rechtsstreit zwischen anderen Parteien geführt wird. Daran fehlt es hier, weil der Kläger in dem Parallelverfahren Beklagter war. Nur dann, wenn die Verbindung erfolgt ist, sieht § 47 Satz 2 WEG vor, dass die Kläger der selbständigen Verfahren fortan als Streitgenossen anzusehen sind, um auf diese Weise den durch die Verbindung erforderlichen Wechsel der Parteirolle in dem jeweils anderen Prozess zu bewirken (BT-Drucks. 16/887, S. 39). Soweit sich dem Senatsurteil vom 27. März 2009 entnehmen lässt, dass eine streitgenössische Nebenintervention einzelner beklagter Wohnungseigentümer auf der Klägerseite möglich sei (V ZR 196/08, NJW 2009, 2132 Rn. 21 a.E.), hält der Senat daran nicht fest.
bb) Die unterbliebene Verbindung rechtfertigt jedoch keine Durchbrechung der Rechtskraft.
(1) Eine Durchbrechung der Rechtskraft kommt - abgesehen von dem Sonderfall einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung - nur unter den gesetzlich geregelten Voraussetzungen in Betracht. Dass der Kläger an das Ergebnis des Parallelverfahrens gebunden ist, ist im Interesse der Rechtssicherheit nach einhelliger Meinung jedenfalls dann hinzunehmen, wenn - wie hier - in dem Parallelverfahren eine Sachprüfung stattgefunden hat (BayObLG, ZMR 2004, 604; OLG München, ZMR 2007, 396; MünchKomm-BGB/Engelhardt, 5. Aufl., § 47 WEG Rn. 3; Then in Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 47 Rn. 3; Suilmann in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 47 Rn. 10; Timme/Elzer, WEG, § 47 Rn. 11 f.).
(2) Für eine Ausnahme besteht kein Anlass, weil der Kläger - wenngleich als Beklagter - Partei des Parallelverfahrens war. Aus diesem Grund ist sein Verfahrensgrundrecht auf Wahrung rechtlichen Gehörs nicht verletzt worden; es ist nicht richtig, wenn das Berufungsgericht meint, es sei „faktisch keine Beteiligung“ erfolgt, und die Revision ausführt, er habe „tatenlos zusehen“ müssen, wie das Parallelverfahren rechtskräftig wurde. Der Kläger hätte auch noch in zweiter Instanz die Verbindung der Verfahren anregen können. Auch hätte ihm offen gestanden, selbst in dem Parallelverfahren Berufung einzulegen und zugleich die Verbindung mit dem von ihm geführten Verfahren anzuregen, um den Eintritt der Rechtskraft zu verhindern (vgl. Riecke/Schmid/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 47 Rn. 8). Entgegen der Auffassung der Revision wäre er trotz seines Obsiegens in dem Parallelverfahren beschwert gewesen. Er hätte nämlich so gestellt werden müssen, als wäre das Verfahren ordnungsgemäß geführt worden; wäre die Verbindung verfahrensfehlerfrei in erster Instanz erfolgt, hätte er die Parteirolle gewechselt und wäre aus diesem Grund bereits in erster Instanz unterlegene Partei gewesen.
2. Zu Unrecht meint das Berufungsgericht dagegen, die Rechtskraft des in dem Parallelverfahren ergangenen Urteils vom 13. August 2009 erstrecke sich auch auf den Antrag, mit dem der Kläger die Beklagten zur Zustimmung zu der begehrten Beschlussfassung verurteilen lassen will.
a) Ein entsprechender Antrag ist in dem Parallelverfahren nicht gestellt worden; dort ist nur der Negativbeschluss angefochten worden. Weil es sich um unterschiedliche Anträge mit unterschiedlicher Zielrichtung handelt, fehlt es an der Identität des Streitgegenstands. Der infolge der rechtskräftigen Entscheidung in dem Parallelverfahren bestandskräftige Negativbeschluss vom 26. Januar 2009 entfaltet keine Sperrwirkung für eine erneute Beschlussfassung über den gleichen Gegenstand (Senat, Beschluss vom 19. September 2002 – V ZB 30/02, BGHZ 152, 46, 51). Demzufolge schließt das rechtskräftige Urteil in dem Anfechtungsprozess eine spätere Gestaltungsklage nicht aus.
b) Insoweit erweist sich die Entscheidung auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561).
Allerdings ist der derzeit auf Zustimmung zu einem bestimmten Beschluss gerichtete Antrag unzulässig. Denn ein einzelner Wohnungseigentümer muss seinen Anspruch gemäß § 21 Abs. 4 WEG grundsätzlich im Wege der Gestaltungsklage gemäß § 21 Abs. 8 WEG verfolgen und den Antrag auf abändernde Beschlussfassung durch gerichtliche Entscheidung richten (vgl. Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 – V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 21; Urteil vom 11. Juni 2010 – V ZR 174/09, BGHZ 186, 34 Rn. 12). Da dieser Punkt in den Tatsacheninstanzen keine Rolle gespielt hat, eine Umdeutung des Klageantrags aber nicht in Betracht kommt (vgl. Senat, Beschluss vom 25. September 2003 – V ZB 21/03, BGHZ 156, 192, 204 f.; Urteil vom 11. Juni 2010 – V ZR 174/09, BGHZ 186, 34 Rn. 12), muss die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, um dem Kläger Gelegenheit zu geben, seinen Antrag anzupassen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:
Die Wohnungseigentümer können gemäß § 16 Abs. 4 WEG mit qualifizierter Mehrheit beschließen, dass die Kosten für einen Fensteraustausch abweichend von dem gesetzlichen Maßstab des § 16 Abs. 2 WEG jeweils von den Wohnungseigentümern zu tragen sind, deren Sondereigentum die Fenster zuzuordnen sind (Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 125 mwN; Jennißen in Jennißen, WEG, 3. Aufl., § 16 Rn. 64; Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 2. Aufl., § 16 Rn. 62). Das setzt allerdings voraus, dass sie nur einen Einzelfall, also die Kosten für eine bestimmte Maßnahme regeln; unzulässig wäre eine abstrakte Kostenregelung für künftige Maßnahmen (BT-Drucks. 16/887, S. 24; Becker in Bärmann, aaO, Rn. 116), die demzufolge auch ein einzelner Wohnungseigentümer nicht gemäß § 16 Abs. 4 WEG beanspruchen kann. Eine generelle Kostenregelung könnte er nur gemäß § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG herbeiführen. Das Berufungsgericht wird zunächst überprüfen müssen, wie das Begehren des Klägers - das er gegebenenfalls klarstellen kann - zu verstehen ist (vgl. § 139 Abs. 1 Satz 2 ZPO).
Sofern eine Einzelfallregelung Klageziel ist, setzt nach der Rechtsprechung des Senats auch der Anspruch gemäß § 16 Abs. 4 WEG voraus, dass die Voraussetzungen von § 10 Abs. 2 Satz 3 WEG gegeben sind. Es reicht nicht aus, dass die beanspruchte Kostenverteilung ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht; vielmehr ist erforderlich, dass ein Festhalten an dem gesetzlichen Kostenverteilungsmaßstab aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheint (Senat, Urteil vom 15. Januar 2010 - V ZR 114/09, BGHZ 184, 88 Rn. 27 ff.). Die danach erforderliche Abwägung hat das Berufungsgericht anhand der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen.
Stresemann Roth Brückner
Weinland Kazele