Entscheidungsdatum: 21.02.2014
Die Revision gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Kammergerichts vom 2. November 2012 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Rechtsvorgänger der Parteien schlossen am 18. Dezember 1992 einen Erbbaurechtsvertrag, worin das Land Berlin (Rechtsvorgänger der Beklag- ten) der Rechtsvorgängerin der Klägerin ein Erbbaurecht an einem Grundstück in B. zwecks Errichtung eines Wohngebäudes mit 78 Einheiten und 39 Pkw-Stellplätzen bestellte. Nach § 4 Abs. 1 beträgt der Erbbauzins jährlich 4,5 % des Verkehrswerts des Grund und Bodens von 1.600 DM/qm. In § 4 Abs. 4 ist ein Anspruch auf Anpassung des Erbbauzinses bei einer Änderung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse und bei bestimmten Änderungen des Grundstückswerts vereinbart. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin verpflichtete sich u.a., bei der Durchführung der Baumaßnahmen die von der -Kreditanstalt B. in einem Bewilligungsbescheid vom 8. April 1992 festgelegten Vorgaben einzuhalten.
Mit diesem Bescheid wurde der Rechtsvorgängerin der Klägerin für die Errichtung des Wohngebäudes eine Aufwendungsbeihilfe von 28.794.721,80 DM für die Dauer von 15 Jahren ab der mittleren Bezugsfertigkeit bewilligt. Diese Frist endete am 31. August 2009. Eine Anschlussförderung wurde nicht gewährt. Die Klägerin zahlt deshalb seit dem 1. Oktober 2009 keinen Erbbauzins mehr.
Sie verlangt die Abänderung des Erbbaurechtsvertrags dahingehend, dass sie vom 1. September 2009 an, hilfsweise vom 1. September 2009 bis zum 31. Dezember 2012, keinen Erbbauzins zahlen müsse. Weiter will sie festgestellt haben, dass das Ausbleiben der Anschlussförderung bei der Anpassung des Erbbauzinses am 1. Januar 2013, 1. Januar 2018 und 1. Januar 2023 in näher beschriebener Weise zu berücksichtigen sei. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung ist ohne Erfolg geblieben. Mit der von dem Kammergericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin die Klage weiter. Für den Fall, dass das Rechtsmittel nicht unbeschränkt zugelassen worden ist, will die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision insgesamt erreichen. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Rechtsmittel.
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts, dessen Entscheidung in Grundeigentum 2013, 120 veröffentlicht ist, hat die Klägerin wegen der Nichtgewährung der Anschlussförderung keinen vertraglichen Anspruch auf Herabsetzung des Erbbauzinses. Die in § 4 des Erbbaurechtsvertrags vereinbarten Voraussetzungen für eine Zinsanpassung lägen nicht vor; für eine ergänzende Vertragsauslegung sei kein Raum. Auch nach den Grundsätzen vom Wegfall der Geschäftsgrundlage ergebe sich kein Herabsetzungsanspruch. Der Erbbaurechts-vertrag enthalte abschließende Regelungen für eine eventuelle Anpassung des Erbbauzinses. Selbst wenn man das anders sehen wollte, scheide ein Anspruch aus, weil sich mit dem Ausbleiben der Anschlussförderung ein von der Klägerin zu tragendes Risiko verwirklicht habe. Eine schwerwiegende, die Un-zumutbarkeitsgrenze überschreitende Äquivalenzstörung liege auch nicht vor.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Die Revision ist insgesamt statthaft (§ 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
a) In dem Tenor des angefochtenen Urteils hat das Berufungsgericht die Revision unbeschränkt zugelassen. Am Ende der Entscheidung heißt es, dass die Revision zuzulassen sei, weil der erkennende Senat von der Entscheidung eines anderen Senats des Berufungsgerichts, welche der Bundesgerichtshof durch die Zurückweisung der dagegen gerichteten Nichtzulassungsbeschwerde bestätigt habe (Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZR 226/11), im Ergebnis abweiche und nicht bekannt sei, weshalb der Bundesgerichtshof die Revision nicht zugelassen habe. Es könne deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass der Bundesgerichtshof den vorliegenden Sachverhalt nicht anders beurteile als den, welcher dem anderen Rechtsstreit zugrunde gelegen habe. Damit hat das Berufungsgericht ersichtlich keine Beschränkung der Revisionszulassung aussprechen, sondern die Zulassung begründen wollen.
b) Aus der unbeschränkten Revisionszulassung folgt, dass die von der Klägerin (vorsorglich) eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde gegenstandslos ist (Senat, Urteil vom 19. April 2013 - V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 12).
2. Die auch im Übrigen zulässige Revision ist jedoch unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Herabsetzung des Erbbauzinses.
a) Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die ausdrücklich vereinbarten Voraussetzungen für eine Zinsanpassung nicht vorliegen, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Klägerin greift sie auch nicht an.
b) Erfolglos wendet sie sich gegen die weitere Auffassung des Berufungsgerichts, dass für eine ergänzende Vertragsauslegung kein Raum sei, weil es an einer planwidrigen Vertragslücke fehle. Insoweit ist die angefochtene Entscheidung im Rahmen der revisionsrechtlich nur eingeschränkten Überprüfbarkeit (siehe dazu nur Senat, Urteil vom 12. Oktober 2012 - V ZR 222/11, NJW-RR 2013, 494 Rn. 8) nicht zu beanstanden.
aa) Eine Regelungslücke liegt dann vor, wenn die Parteien einen Punkt übersehen oder wenn sie ihn bewusst offengelassen haben, weil sie ihn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses für nicht regelungsbedürftig gehalten haben und sich diese Annahme nachträglich als unzutreffend herausstellt (BGH, Urteil vom 17. April 2002 - VIII ZR 297/01, NJW 2002, 2310). Das Berufungsgericht verneint das Vorhandensein einer derartigen Lücke mit der Begründung, dass der Erbbauzins nach dem in den vertraglichen Regelungen in § 4 Abs. 1 und 4 zum Ausdruck kommenden Willen der Vertragsparteien nur von dem Verkehrswert des Grund und Bodens bzw. von der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse, nicht aber von dem Umfang der dem Erbbauberechtigten bewilligten Förderung und einer Anschlussförderung abhängig sein sollte.
bb) Dem hält die Klägerin zum einen entgegen, dass das Berufungsgericht übersehen habe, dass die Höhe des Erbbauzinses nicht nur von dem Verkehrswert des Grundstücks, sondern auch von der Festlegung eines konkreten Prozentsatzes beeinflusst sei und deshalb keine Rede davon sein könne, die Höhe des Erbbauzinses werde ausschließlich durch den Verkehrswert bestimmt und sei insoweit in dem Vertrag geregelt. Damit hat sie keinen Erfolg. Da nach der Regelung in § 4 Abs. 4 Nr. 2 des Vertrags eine Anpassung des Erbbauzinses nur bei einer Änderung des Verkehrswertes des Grundstücks in Betracht kommt, der für die Erbbauzinsbemessung maßgebliche Prozentsatz jedoch immer unverändert bleibt, bemisst sich der Erbbauzins nach dem Grundstückswert. Das Berufungsgericht hat also nichts übersehen.
cc) Zum anderen meint die Klägerin, die Parteien hätten den Prozentsatz im Hinblick auf eine erwartete Anschlussförderung bestimmt. Dies ist der rechtlichen Beurteilung jedoch nicht zugrunde zu legen, weil es an den entsprechenden Feststellungen in dem Berufungsurteil fehlt. Die Klägerin verweist auch nicht auf dahingehenden Parteivortrag, den das Berufungsgericht übergangen hätte.
dd) Auch rügt die Klägerin, dass das Berufungsgericht entgegen seiner Pflicht (§ 139 ZPO) sie nicht darauf hingewiesen habe, dass es aus seiner Sicht für das Verneinen einer Regelungslücke maßgeblich auf die Höhe des ursprünglich vereinbarten Erbbauzinses und die diesen bestimmenden Faktoren ankomme. Das verhilft dem Rechtsmittel ebenfalls nicht zum Erfolg. Das Berufungsgericht musste den Hinweis nicht erteilen. Er war entbehrlich, weil die Klägerin von der Beklagten über die Problematik der ergänzenden Vertragsauslegung ausreichend informiert worden war (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2007 - IX ZR 207/05, NJW-RR 2008, 581, 582). Diese hat in beiden Tatsacheninstanzen vorgetragen, dass wegen Fehlens einer Regelungslücke für eine ergänzende Vertragsauslegung kein Raum sei. Somit hat das Berufungsgericht seine Entscheidung insoweit nicht auf einen Gesichtspunkt gestützt, den die Klägerin erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat (§ 139 Abs. 2 Satz 1 ZPO).
ee) Der von der Klägerin angeführte Bericht der Expertenkommission zur Anschlussförderung im öffentlich geförderten Wohnungsbau im Land Berlin vom 27. Januar 2003 ergibt nichts für das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke. Ihm sind keine Anhaltspunkte für den Willen der Vertragsparteien bei dem Abschluss des Erbbaurechtsvertrags zu entnehmen.
ff) Anders als die Klägerin meint, hat das Berufungsgericht ihren Vortrag zu der Wechselbezüglichkeit der Festsetzungen in dem Erbbaurechtsvertrag und in dem Bewilligungsbescheid vom 8. April 1992 nicht übergangen. Dies zeigen die Ausführungen auf Seite 6 letzter Absatz des Berufungsurteils.
gg) Das Berufungsgericht hat nicht - wie die Klägerin weiter meint - übersehen, dass die Regelungen zur Anpassung des Erbbauzinses in § 4 Abs. 4 Nr. 1 und 2 des Vertrags ein Regel-Ausnahme-Verhältnis begründeten, und deshalb nicht bedacht, dass darin der Grundgedanke zum Ausdruck komme, eine Änderung der Vertragsgrundlagen solle dann nicht von einer Partei als Vorteil behalten werden oder als Last zu tragen sein, wenn diese zu der Änderung nichts beigetragen habe, während bei der anderen Partei sich der Vorteil als Nachteil bzw. die Last als Vorteil niederschlage. Das Berufungsgericht sieht die Gewährung der Anschlussförderung gerade nicht als Vertragsgrundlage an, so dass diese sich durch das Ausbleiben der Förderung nicht geändert haben kann. Anders als in dem für ihre Ansicht von der Klägerin herangezogenen Urteil des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 23. August 2011 (4 U 152/08, WuM 2011, 709), welches Gegenstand eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens vor dem Senat war (V ZR 226/11) und welches das Berufungsgericht zur Zulassung der Revision veranlasst hat, ist in dem hier zu beurteilenden Berufungsurteil auch nicht festgestellt, dass die Gewährung der Anschlussförderung Geschäftsgrundlage des Erbbaurechtsvertrags war.
hh) Schließlich wendet sich die Klägerin erfolglos gegen die Annahme des Berufungsgerichts, es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke, weil das Risiko der Nichtgewährung der Anschlussförderung erkennbar gewesen sei, die Vertragsparteien aber gleichwohl keine Regelung für den Fall einer Realisierung getroffen hätten. Dass die Vertragsparteien die Wahrscheinlichkeit der Nichtgewährung einer Anschlussförderung bei dem Abschluss des Erbbaurechtsvertrags als gering angesehen haben mögen, was das Berufungsgericht unterstellt, bedeutet entgegen der Ansicht der Klägerin nicht, dass das Risiko überhaupt nicht erkannt wurde. Ihrem in diesem Zusammenhang erhobenen Vorwurf, das Berufungsgericht habe "den gebotenen Hinweis" unterlassen, muss nicht nachgegangen werden. Denn die Klägerin legt nicht dar, welchen Hinweis das Berufungsgericht nach ihrer Ansicht hätte erteilen müssen.
c) Schließlich ist es im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht einen Anspruch auf Herabsetzung des Erbbauzinses nach den Grundsätzen vom Wegfall der Geschäftsgrundlage ebenfalls verneint.
aa) Die Vertragsanpassung nach § 313 BGB setzt u.a. eine unvorhergesehene Änderung der Umstände voraus, welche Geschäftsgrundlage geworden sind; an dieser Voraussetzung fehlt es, wenn jeder Vertragsteil bei Vertragsschluss damit rechnen muss, dass sich die zur Geschäftsgrundlage gewordenen Umstände ändern (Senat, Urteil vom 19. Januar 2007 - V ZR 163/06, NJW 2007, 1884 Rn. 16).
bb) So war es hier, wenn man zugunsten der Klägerin davon ausgeht, dass die Bewilligung der Anschlussförderung Geschäftsgrundlage des Erbbaurechtsvertrags ist. Die Rechtsvorgänger der Parteien mussten nämlich mit Kürzungen der staatlichen Wohnungsbauförderung bei einer grundlegenden Änderung der Rahmenbedingungen, also auch mit einem Ausbleiben der Anschlussförderung nach dem Auslaufen der 15-jährigen Grundförderung rechnen (vgl. BGH, Urteil vom 22. März 2010 - II ZR 66/08, NJW 2010, 953, 954 Rn. 27). Die Rechtsvorgängerin der Klägerin konnte ihre Erwartung, es werde zu der Anschlussförderung kommen, weder auf einen gesetzlichen Anspruch noch auf eine anspruchsbegründende Regelung des Förderverhältnisses seitens des Rechtsvorgängers der Beklagten noch auf einen sonstigen von diesem geschaffenen Vertrauenstatbestand stützen (BVerwGE 126, 33 Rn. 49 ff.). Zudem bestand Ende des Jahres 1992, dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses, eine Unsicherheit über die Entwicklung der Wohnungsbauförderung in Berlin, weil sich auch insoweit nach der Wiedervereinigung die Verhältnisse sowohl strukturell als auch generell geändert hatten. Das belegen die von der Klägerin in den Tatsacheninstanzen vorgelegte Senatsvorlage vom 16. März 1992 und der ebenfalls vorgelegte Senatsbeschluss vom 14. April 1992 betreffend den Bericht zur Überprüfung des Systems der Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau und zur Überprüfung des Systems der Wohnungsbauförderung (generell). Darin stand auch die Modifizierung der Anschlussförderung einschließlich ihres künftigen Wegfalls zur Diskussion. Hierin unterscheidet sich der vorliegende Fall von dem, welcher der bereits genannten Entscheidung des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 23. August 2011 (4 U 152/08, WuM 2011, 709) zugrunde liegt. Dort wurde der Erbbaurechtsvertrag vier Tage nach dem Mauerfall und somit in einem Zeitpunkt abgeschlossen, in welchem die Wiedervereinigung und ihre Folgen nicht abzusehen waren.
III.
Nach alledem ist die Revision mit der auf § 97 Abs. 1 ZPO beruhenden Kostenfolge zurückzuweisen.
Stresemann Lemke Brückner
Weinland Kazele