Entscheidungsdatum: 13.10.2011
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 14. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 28. Dezember 2010 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 292.817 €.
I.
Der Beklagte war Gesellschafter eines privaten Unternehmens, das ein Betriebsgrundstück in Sachsen hatte und 1972 enteignet wurde. Das Grundstück wurde in Volkseigentum überführt und zuletzt einem VEB Denkmalschutz als Rechtsträger zugewiesen. Am 11. März 1990 beantragte der Beklagte die Restitution des Unternehmens. Der VEB übergab dem Beklagten daraufhin im Vorgriff auf die als sicher angesehene Restitution das Grundstück, das dieser ihm sogleich wieder überließ. Mit Mietvertrag vom 9. September 1991 vermietete der Beklagte das Grundstück zunächst dem inzwischen (durch Einzelumwandlung) in eine GmbH umgewandelten VEB und später einem Abschleppunternehmen. Auf Grund einer Einigung zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem VEB erteilte die zuständige Zuordnungsbehörde der Bundesrepublik Deutschland unter dem 29. Mai 2001 einen Zuordnungsbescheid, demzufolge diese Eigentümerin des Betriebsgrundstücks ist. Die Bundesrepublik trat am 6. April 2001 als Vermieterin in den Mietvertrag mit dem Abschleppunternehmen ein. Mit Bescheid vom 12. September 2001 wurde der Restitutionsantrag des Beklagten (mangels Erreichens des Quorums nach § 6 Abs. 1a Satz 2 VermG) zurückgewiesen. Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht der Bundesrepublik von dem Beklagten Herausgabe der von ihm von 1990 bis zum 31. Dezember 2000 gezogenen Mieten von 275.433,08 € und die Abtretung einer titulierten Restmietforderung des Beklagten gegen das Abschleppunternehmen von 17.383,92 €. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Rechtssache wirft keine entscheidungserheblichen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf. Eine Entscheidung ist auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich (§ 543 Abs. 2 ZPO).
1. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil das Berufungsgericht einen falschen Obersatz gebildet hätte.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, der der Klägerin abgetretene Anspruch der Bundesrepublik aus § 988 BGB scheitere daran, dass der Beklagte in dem Zeitraum, für den Herausgabe der Mieten verlangt wird, auf Grund eines Leihvertrags mit dem ehemaligen VEB nach § 986 BGB zum Besitz des Grundstücks berechtigt gewesen sei. Dem liege, meint die Klägerin, der falsche Obersatz zugrunde, dass "der Rechtsträger eines ehemals volkseigenen Grundstücks […] befugt gewesen [sei], dieses wie ein Eigentümer im Sinne von § 985 BGB an eine natürliche Person zu überlassen". Zudem habe das Zivilgesetzbuch der DDR anders als das Bürgerliche Gesetzbuch das Rechtsinstitut der Grundstücksleihe nicht gekannt.
b) Das führt nicht zur Zulassung.
aa) Entgegen der Meinung der Klägerin waren VEB durchaus befugt, als Rechtsträger von Volkseigentum Nutzungsverträge über volkseigene Grundstücke abzuschließen. Ihnen gehörten diese Grundstücke zwar nicht (Senat, Urteil vom 29. März 1996 - V ZR 326/94, BGHZ 132, 245, 257). Die Rechtsträgerschaft vermittelte ihnen auch kein dingliches Recht an dem volkseigenen Grundstück (Schmidt-Räntsch, Eigentumszuordnung, Rechtsträgerschaft und Nutzungsrechte an Grundstücken, 2. Aufl., S. 14 f., 19). Sie waren aber nach § 19 Abs. 1 ZGB berechtigt, zur Durchführung der ihnen übertragenen Aufgaben und zur Wahrnehmung der ihnen übertragenen Befugnisse das Volkseigentum zu besitzen und zu nutzen. Nach § 19 Abs. 1 Satz 2 ZGB durften sie in den Grenzen des § 20 Abs. 3 ZGB darüber auch "verfügen". Zu den danach möglichen "Verfügungen" gehörten nach dem Verständnis des Zivilgesetzbuchs der DDR in erster Linie nicht die Veräußerung oder Belastung von Volkseigentum, die § 20 Abs. 3 ZGB verbot, sondern der Abschluss von schuldrechtlichen Verträgen, unter anderem über die Nutzung des Volkseigentums durch andere Rechtssubjekte (ZGB-Kommentar, 2. Aufl., § 19 Anm. 1.4). Darunter fällt insbesondere der Abschluss von Miet-, Pacht- und anderen Nutzungsverträgen. Das zeigen die Beispiele der Wohnraummiet- und der Erholungsnutzungsverträge, die vor dem 3. Oktober 1990 auf der Grundlage von § 95 Abs. 1 Satz 1 und § 312 ZGB zum weit überwiegenden Teil von ehemals volkseigenen Betrieben mit den interessierten Bürgern geschlossen wurden und nach Art. 232 §§ 2 und 4 EGBGB nach dem Wirksamwerden des Beitritts bestehen blieben.
bb) Zu den möglichen schuldrechtlichen Nutzungsverträgen gehörten nicht nur die Wohnraummiete und der Erholungsnutzungsvertrag. Das Zivilgesetzbuch der DDR kannte vielmehr auch die Gewerberaummiete, für die nach § 131 ZGB die Regelungen über Wohnraum entsprechend galten. Auch ein Grundstücksleihvertrag war im Ergebnis möglich. Die Leihe war zwar in § 280 ZGB nur für die unentgeltliche Überlassung beweglichen Vermögens vorgesehen. Das bedeutet aber nicht, dass Grundstücke nicht unentgeltlich überlassen werden konnten. Das war vielmehr in der Form eines Mietverhältnisses ohne Miete (sog. "Mietverhältnis zu null") möglich (ZGB-Kommentar, aaO, § 280 Anm. 1.1 aE). Grundlage dafür war § 45 Abs. 3 ZGB, der eine Abweichung von den Bestimmungen des ZGB erlaubte, soweit nicht ausdrücklich Verbote entgegenstanden. Die Vorschriften über die Überlassung von (volkseigenen) Grundstücken zur Nutzung durch andere galten nicht nur für die Verträge zwischen Bürgern oder für Verträge zwischen Bürgern und den örtlichen Räten. Sie galten nach § 286 Abs. 4 ZGB vielmehr auch für Verträge von VEB mit Bürgern oder zwischen VEB. Diese Erstreckung bedarf nicht nur die in § 286 Abs. 1 ZGB ausdrücklich erwähnten Erholungsnutzungsverträge, sondern auch andere Verträge, etwa die schon erwähnten Wohnraummietverträge und Verträge zur gewerblichen Nutzung (ZGB-Kommentar, aaO, § 286 Anm. 4.3).
cc) Die so geschlossenen Nutzungsverträge sind mit dem Inkrafttreten der jeweiligen Zuordnungsvorschriften auf die neuen Rechtsträger übergegangen. Das ist zwar nur für den Fall der Restitution ausdrücklich geregelt, § 16 Abs. 2 VermG bzw. § 11 Abs. 2 VZOG. Für die gesetzliche Zuweisung von Eigentum gilt aber nach § 1a Abs. 1 Satz 2 VZOG nichts anderes (BGH, Urteil vom 9. Oktober 1996 - VIII ZR 266/95, BGHZ 133, 363, 367 f.; BVerwGE 96, 231, 232 f.).
2. Die Revision ist auch nicht zur Klärung der Frage zuzulassen, ob ein "werdendes", aber gescheitertes Rechtsgeschäft ein Recht zum Besitz vermitteln kann. Diese zudem inhaltlich schon - im Sinne der Klägerin - (vor-)entschiedene (Senat, Urteil vom 21. Januar 2011 - V ZR 243/09, NJW 2011, 1436, 1437 f.) Frage stellt sich nicht, weil das Berufungsgericht das Recht des Beklagten zum Besitz des Grundstücks nicht aus einem solchen Rechtsgeschäft ableitet, sondern aus einem von vornherein gültigen Vertrag.
a) Gescheitert ist die Restitution, die der Beklagte am 11. März 1990 beantragt hat. Das Recht des Beklagten zum Besitz des Grundstücks beruht aber nicht auf diesem Antrag. Den Antrag haben der ehemalige VEB und der Beklagte vielmehr zum Anlass genommen, ihre Rechtsbeziehungen bis zur Entscheidung darüber mit einem Vertrag zu regeln, den das Berufungsgericht als Leihvertrag eingeordnet hat.
b) Dieser Vertrag sollte zwar nur die Zeit bis zu der sicher erwarteten Restitution überbrücken. Er ist aber ein sofort vollständig wirksamer eigenständiger Vertrag. Er nimmt inhaltlich auf schuldrechtlicher Ebene eine vorläufige Einweisung vorweg, wie sie später mit dem heutigen § 6a Abs. 1 VermG in das Vermögensgesetz eingefügt worden ist. Der nach den §§ 17 bis 22 des Gesetzes über die Gründung und Tätigkeit privater Unternehmen und über Unternehmensbeteiligungen vom 7. März 1990 (GBl. I S. 141) mögliche Restitutionsantrag des Beklagten führte nach § 17 Abs. 4 dieses Gesetzes dazu, dass Rechtshandlungen zur Veränderung der Eigentumsform und die Entnahme von Grund- und Arbeitsmitteln bis zur Entscheidung über den Antrag nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden durften. Die Zustimmung erreichte der VEB durch die (vorläufige) Überlassung des Grundstücks an den Beklagten und Rücküberlassung an sich. Genau wie eine vorläufige Einweisung stellt der Vertrag bis zur Entscheidung über die Restitution ein von der angestrebten Restitution unabhängiges Recht zum Besitz dar. Daran ändert der Umstand nichts, dass in dem Vertrag, anders als etwa im Fall der vorläufigen Einweisung nach § 6a VermG, nicht geregelt war, was bei einem Scheitern der Restitution geschehen, ob etwa - wie nach § 6a Abs. 2 Sätze 4 und 5 VermG - eine Pacht oder ein Kaufpreis zu zahlen sein sollte. Dieses Versäumnis hätte Anlass zu einer Anpassung des Vertrags nach § 78 ZGB oder zu seiner gerichtlichen Aufhebung nach § 122 ZGB geben können. Da beides nicht geschehen ist, hatte das Versäumnis auf die Wirksamkeit des Vertrags keinen Einfluss. Er bestand deshalb unabhängig vom Schicksal der Restitution fort, bis ihn der Beklagte und die Bundesrepublik einvernehmlich durch die Übernahme des Mietvertrags mit dem Abschleppunternehmen beendeten, ohne Zahlungspflichten des Beklagten zu vereinbaren.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland