Entscheidungsdatum: 12.06.2014
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss des Oberlandesgerichts München - 8. Zivilsenat - vom 15. November 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben als die Berufung gegen die Abweisung des Klageantrages zu 3 und der diesbezüglichen Hilfsanträge (Ansprüche im Zusammenhang mit den geltend gemachten Beeinträchtigungen, die von der Nutzung der Zufahrt durch Kraftfahrzeuge ausgehen sollen) zurückgewiesen wurde. Im Übrigen wird die Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 52.000 €.
I.
Die Klägerin zu 1 ist Eigentümerin eines Grundstücks. Es ist mit einem Einfamilienhaus, das sie gemeinsam mit dem Kläger zu 2 bewohnt, und einem vermieteten Mehrfamilienhaus sowie einer Tiefgarage bebaut. Eigentümer des südwestlich angrenzenden Grundstücks, auf dem eine Baumschule betrieben wird, ist der Beklagte zu 2. Auf diesem Grundstück wurde 2005 entlang der Grenze zu dem Grundstück der Klägerin zu 1 eine neue Zufahrt errichtet.
Die Kläger verlangen von dem Beklagten zu 2 – soweit hier noch von Interesse – die Unterlassung der Nutzung der neuen Zufahrt sowie deren Rückbau auf den gesetzlichen Mindestabstand. Hilfsweise begehren sie von dem Beklagten zu 2 durch geeignete Maßnahmen, insbesondere die Errichtung eines 4 m breiten Pflanzstreifens, zu gewährleisten, dass durch die Nutzung der Zufahrt wesentliche Beeinträchtigungen des Grundstücks der Klägerin zu 1 unterbleiben, wiederum hilfsweise den Beklagten zu 2 zu einer Zahlung einer Geldentschädigung in Höhe von 50.000 € zu verurteilen.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Kläger nach § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.
II.
Das Berufungsgericht meint, den Klägern stehe kein Unterlassungsanspruch wegen der durch die Nutzung der Zufahrt behaupteten Beeinträchtigungen zu. Eine Beeinträchtigung der Statik der Tiefgarage, die sich auf dem Grundstück der Klägerin zu 1 befinde, sei nicht substantiiert vorgetragen worden, weil unklar bleibe, wie weit genau Wände und Decke der Tiefgarage an die Zufahrt heranreichten.
III.
Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO teilweise aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
1. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG NJW 2003, 1655). Das ist unter anderem dann der Fall, wenn ein Gericht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs missachtet, wonach die Ablehnung eines Beweises für eine erhebliche Tatsache nur zulässig ist, wenn diese so ungenau bezeichnet ist, dass ihre Erheblichkeit nicht beurteilt werden kann oder wenn sie ins Blaue hinein aufgestellt worden ist (vgl. BVerfG ZIP 1996, 1761, 1762; Senat, Beschluss vom 2. April 2009 – V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236; Urteil vom 13. Dezember 2002 – V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491). Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, verletzt sie Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie offenkundig unrichtig ist (Senat, Beschluss vom 12. Juni 2008 – V ZR 221/07, WM 2008, 2068; vgl. auch BVerfG NJW 2001, 1565).
2. So liegt es hier in Bezug auf den von den Klägern bereits erstinstanzlich angebotenen Sachverständigenbeweis für ihre Behauptung, dass die Nutzung des Zufahrtsweges auf dem Grundstück des Beklagten zu 2 zu Beeinträchtigungen führe, deren Beseitigung und Unterlassung sie nach § 1004 Abs. 1, § 862 BGB verlangen können.
Die Kläger haben vorgetragen, dass auf der neuen Zufahrt seit deren Fertigstellung Anfang 2006 ein Kunden- und Lieferverkehr nicht nur mit Personenkraftwagen, sondern auch mit Baugerätschaften und Lastkraftwagen bis zu 40 Tonnen herrsche. Hiervon gehe ein Verdichtungsdruck aus, der die Statik der Tiefgarage auf dem Grundstück der Klägerin zu 1 beeinträchtige. Damit haben sie Tatsachen vorgetragen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, den geltend gemachten Anspruch als entstanden erscheinen zu lassen. Denn es ist nicht ausgeschlossen, dass von einem Schwerverkehr ein Verdichtungsdruck auf ein benachbartes unterirdisches Bauwerk ausgeht. Der Vortrag weiterer Einzeltatsachen kann nicht verlangt werden; etwaige Zweifel des Gerichts an der Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung sind vielmehr im Rahmen der Beweisaufnahme zu klären (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juni 2008 – II ZR 121/07, NJW-RR 2008, 1311 mwN). Das Berufungsgericht überspannt daher die Anforderungen an die Darlegungslast, wenn es den Vortrag der Kläger deshalb für unsubstantiiert hält, weil aus ihm nicht hervorgehe, wie weit genau Wände und Decke der Tiefgarage an die Zufahrt heranreichten oder dass der Zufahrtsverkehr über die Decke der Tiefgarage verlaufe.
IV.
Da das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft die Durchführung einer Beweisaufnahme unterlassen hat, ist das Berufungsurteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die weitergehende Beschwerde der Kläger hat demgegenüber keinen Erfolg. Von einer Begründung wird abgesehen (§ 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO).
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch
Czub Kazele