Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 18.07.2014


BGH 18.07.2014 - V ZR 30/13

Aufwendungsersatz für einen Grundstückseigentümer: Voraussetzungen von Abwehr- und Beseitigungsansprüchen wegen Gebäudeschäden durch einen Felsabbruch im Bereich einer im 2. Weltkrieg angelegten Luftschutzstollenanlage


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
18.07.2014
Aktenzeichen:
V ZR 30/13
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Koblenz, 10. Januar 2013, Az: 1 U 42/10, Urteilvorgehend LG Koblenz, 10. Dezember 2009, Az: 1 O 278/09
Zitierte Gesetze
§ 19 SchBauG

Leitsätze

1. Abwehr- und Beseitigungsansprüche nach § 1004 BGB, § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG entstehen im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AKG mit der Beeinträchtigung des Grundstückseigentums und dem ersatzlosen Fortfall der bisherigen öffentlich-rechtlichen Widmung.

2. Der ersatzlose Fortfall der bisherigen Widmung des Grundstücks als Schutzbau liegt nicht schon in der Aufgabe dieser Nutzung, sondern erst in der Entscheidung, dass der Schutzbau nicht mehr wiederverwendet werden soll. Beides muss dem Grundstückseigentümer bekannt gemacht werden. Daran fehlt es vorbehaltlich anderer eindeutiger Hinweise der Behörde, wenn diese den Grundstückseigentümer im Zusammenhang mit der Aufgabe des Schutzbaus zur Einhaltung der Beschränkungen des § 19 SchBauG auffordert.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 10. Januar 2013 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Auf dem Grundstück der Klägerin befindet sich ein Felsen mit einer ehemaligen Stollenanlage, die während des Zweiten Weltkriegs als Luftschutzraum genutzt wurde. Diese hat mehrere Eingänge. Einer davon befindet sich auf einem anderen Grundstück und war verschlossen. Vor einem auf dem Grundstück der Klägerin befindlichen weiteren Eingang wurde in den 1960er Jahren eine Mauer errichtet, um ein Betreten der Anlage von dort aus zu verhindern. Ende 1982 nahmen die Parteien Verhandlungen über eine vertragliche Regelung des Übergangs des Besitzes an der Stollenanlage auf die Klägerin auf. Die beklagte Bundesrepublik Deutschland (fortan: Beklagte) strebte die Aufnahme einer Klausel an, in welcher die Beseitigung der akuten Gefahrenzustände durch die Beklagte festgestellt und bestimmt werden sollte, dass ihre Verpflichtung zur Beseitigung neu auftretender Gefahrenstellen unberührt bleibe. Dazu sah sich die Klägerin außerstande. Daraufhin erklärte die Beklagte mit einem Schreiben an die Klägerin vom 26. April 1983, sie gebe den Besitz an der Anlage auf. Ende 2006 stellte die Klägerin schwere Bauschäden an einem 1954 vor der Wand des Felsens errichteten Lagergebäude fest, die auf einen Felsabbruch oberhalb des Zugangs zu der Stollenanlage zurückzuführen sind. Die Klägerin verlangt von der Beklagten als Ersatz für Sicherungs- und Abtragungsarbeiten Zahlung von zuletzt 215.261,38 € nebst Zinsen in Höhe von 72.115,79 € für den Zeitraum bis zum 31. Juli 2012.

2

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels weitgehend entsprochen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision möchte die Beklagte die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erreichen. Die Klägerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

3

Das Berufungsgericht meint, der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag in Verbindung mit § 1004 Abs. 1 BGB und § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG zu. Der Felsabbruch, der die Arbeiten der Klägerin ausgelöst habe, sei durch die unsachgemäße Errichtung des Luftschutzraums verursacht worden. Der Anspruch sei nicht nach § 28 AKG erloschen. Die in dieser Vorschrift geregelte Ausschlussfrist habe nicht mit dem Verschließen der Anlage in den 1960er Jahren, sondern erst mit der endgültigen Besitzaufgabe durch die Beklagte begonnen. Die Klägerin habe durch den Schriftwechsel mit der Beklagten in den Jahren 1982 und 1983 ihre Ansprüche rechtzeitig angemeldet.

II.

4

Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht stand.

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1. Auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen kann ein Anspruch der Klägerin auf Ersatz der aus dem Felsabbruch entstandenen Kosten unter dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag nicht bejaht werden.

6

a) Im Ansatz zutreffend geht das Berufungsgericht allerdings davon aus, dass die Beklagte der Klägerin die Kosten der Beseitigung des Felsabbruchs und der Sicherung der Felswand zu erstatten hätte, wenn die Beklagte zur Beseitigung und Sicherung verpflichtet gewesen wäre, und zwar - soweit sich die Voraussetzungen feststellen lassen - aus Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 683, 677, 670 BGB), im Übrigen aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB (Senat, Urteile vom 4. Februar 2005 - V ZR 142/04, NJW 2005, 1366 f. und vom 13. Januar 2012 - V ZR 136/11, NJW 2012, 1080 Rn. 6).

7

b) Noch zutreffend nimmt das Berufungsgericht weiter an, dass sich eine Verpflichtung der Beklagten zur Beseitigung des Abbruchs und zur Sicherung der Felswand gegen weitere Abbrüche nur unter dem Gesichtspunkt einer Eigentumsstörung gemäß § 1004 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG ergeben kann. Eine Verpflichtung zur Beseitigung der Eigentumsstörung, auf welcher der Felsabbruch beruht, würde außer der Behebung der Abbruchsursache auch die Entfernung des abgebrochenen Felsmaterials und die Sicherung der Wand gegen weitere Abbrüche umfassen (vgl. dazu: Senat, Urteile vom 21. Oktober 1994 - V ZR 12/94, NJW 1995, 395, 396 und vom 28. November 2003 - V ZR 99/03, NJW 2004, 603, 604).

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c) Die von dem Berufungsgericht gegebene Begründung trägt aber seine Annahme nicht, der Ersatzanspruch sei nicht nach § 26 AKG erloschen, weil die Klägerin ihn rechtzeitig vor Ablauf der Ausschlussfrist nach § 28 AKG bei der zuständigen Anmeldestelle der Beklagten angemeldet habe.

9

aa) Das Berufungsgericht sieht die erforderliche Anmeldung von Ansprüchen in dem Schreiben der Klägerin vom 3. Juni 1983. Diese tatrichterliche Würdigung ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbar und in diesem Rahmen nicht zu beanstanden. In diesem Schreiben erklärt die Klägerin, sie könne die für die Besitzübergabevereinbarung vorgesehene Feststellung, die Beklagte habe alle Gefahrenzustände beseitigt, nicht prüfen und vermöge auf ihre Ansprüche nicht zu verzichten. Das lässt sich ohne weiteres als Geltendmachung von Ansprüchen wegen etwaiger Gefahren verstehen, die von den Luftschutzräumen in der Stollenanlage ausgehen.

10

bb) Die Anmeldung vermochte der Klägerin ihre Rechte aber nur zu erhalten, wenn sie rechtzeitig war. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 AKG können die in § 19 Abs. 2 AKG bezeichneten Ansprüche, um die es hier geht, nur innerhalb einer Frist von einem Jahr nach dem Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. Januar 1958 angemeldet werden. Ist der Anspruch später entstanden, beginnt die Frist nach § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AKG erst mit diesem Zeitpunkt.

11

(1) Wann die in § 19 Abs. 2 AKG bezeichneten (Beseitigungs-) Ansprüche entstehen, bestimmt sich nach bürgerlichem Recht. Die Vorschrift des § 19 Abs. 2 AKG modifiziert diese Ansprüche nicht. Sie setzt sie voraus und legt nur die Bedingungen fest, unter denen sie nicht gemäß § 1 AKG erlöschen, sondern ausnahmsweise erfüllt werden sollen (Senat, Urteil vom 7. April 2006- V ZR 144/05, NJW-RR 2006, 1496 Rn. 17). Nach § 1004 Abs. 1 BGB entsteht der Beseitigungsanspruch des Eigentümers, auf den es hier ankommt, mit der Beeinträchtigung des fremden Grundstücks (dazu: Senat, Urteile vom 23. Februar 1973 - V ZR 109/71, BGHZ 60, 235, 240 und vom 12. Dezember 2003 - V ZR 98/03, NJW 2004, 1035, 1036; Wenzel, NJW 2005, 241, 242), und zwar in dem Moment, in dem diese Beeinträchtigung abwehrfähig wird (Senat, Urteil vom 7. April 2006 - V ZR 144/05, NJW-RR 2006, 1496 Rn. 16).

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(2) Beeinträchtigt ist ein Grundstück, auf dem vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs ein Luftschutzraum errichtet worden ist, nicht erst dann, wenn von der Anlage, etwa einem Hohlraum, eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit ausgeht oder wenn diese Anlage Erdbewegungen auslöst, die zum Einsturz des Gebirges über dem Luftschutzraum oder - wie hier - zu dem Abbruch von Teilen eines Felsens führt, in den er getrieben worden ist. Die Beeinträchtigung des Grundstückseigentums liegt vielmehr schon in der Anlegung des Luftschutzstollens auf dem fremden Grundstück als solcher. Tritt auf Grund dieser Veränderung später eine Gefahr auf, liegt darin keine neue Störung, wie sie der Senat in der wiederholten Vornahme einer störenden Handlung oder in der Aufrechterhaltung eines Zustands auf dem eigenen Grundstück gesehen hat, der sich zur Störung des Nachbargrundstücks entwickelt. Die Annahme einer neuen Störung setzt bei Luftschutzanlagen auf fremdem Grundstück eine fortdauernde Inanspruchnahme der Anlagen durch die staatliche Stelle, etwa durch ihre Nutzung zur Vermietung, voraus. Deren fortdauerndes Untätigbleiben genügt dagegen für die Annahme einer neuen Störung nicht (Senat, Urteil vom 7. April 2006 - V ZR 144/05, NJW-RR 2006, 1496 Rn. 16).

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(3) Abwehrfähig wird die Eigentumsstörung nach § 1004 Abs. 1 BGB, § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG mit dem Fortfall der öffentlich-rechtlichen Widmung des Grundstücks; die Aufgabe des Besitzes durch die staatliche Stelle ist hierfür weder erforderlich noch ausreichend.

14

(a) Der Geltendmachung des Abwehr- und Beseitigungsanspruchs steht in den Fällen der vorliegenden Art nur die öffentlich-rechtliche Widmung entgegen. Denn mit der Durchsetzung der Ansprüche würde die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe, für die das Grundstück gewidmet ist, unterbunden oder erschwert. Dieses Hindernis entfällt mit der endgültigen Entwidmung (Senat, Urteil vom 7. April 2006 - V ZR 144/05, NJW-RR 2006, 1496 Rn. 16). Dann nämlich dient das Grundstück weder der ursprünglichen noch, etwa auf Grund einer Umwidmung, einer anderen öffentlichen Aufgabe. Die Erfüllung solcher Aufgaben könnte nicht mehr dadurch beeinträchtigt werden, dass der Eigentümer seine Abwehr- und Beseitigungsansprüche geltend macht. Deshalb entfällt mit der Entwidmung auch die Pflicht des Eigentümers nach § 1004 Abs. 2 BGB, eine Eigentumsstörung bei der Nutzung des Grundstücks für den Widmungszweck hinzunehmen (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2012], § 1004 Rn. 190). Damit wird diese Störung abwehrfähig.

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(b) Die Abwehrfähigkeit einer Eigentumsstörung hängt, anders als das Berufungsgericht meint, nicht von der Aufgabe auch des Besitzes ab. Die Aufgabe des Besitzes kann zwar äußeres Zeichen einer anderweit erfolgten Entwidmung sein (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juli 1963 - III ZR 132/61, BGHZ 40, 78, 82 f., allerdings zu der Frage des Besitzes im Sinne von § 11 AKG). Auf sie kommt es aber für die Entwidmung eines Schutzraums, um die es hier geht, nicht an.

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(aa) Der Besitz hindert als solcher den privaten Eigentümer nicht an der Durchsetzung seiner Ansprüche auf Beseitigung von Störungen seines Grundstückseigentums. Daran ändert es nichts, dass die staatliche Stelle auf Grund ihrer tatsächlichen Sachherrschaft die Möglichkeit hätte, die Anlage bei Bedarf für (andere) öffentliche Zwecke zu benutzen oder benutzen zu lassen. Ohne die Zustimmung des Eigentümers wäre sie dazu nur berechtigt, wenn es für eine zwangsweise Inanspruchnahme seines Grundstücks eine gesetzliche Grundlage gibt, die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür vorliegen und das vorgeschriebene Verfahren eingehalten wird. Allein die theoretische Möglichkeit, das Grundstück etwa in dem von dem Berufungsgericht angesprochenen Katastrophenfall auf Grund Polizei- und Ordnungsrechts in Anspruch zu nehmen, führt nicht zu einer fortbestehenden oder neuen Widmung und hindert den Eigentümer daher nicht, seine Rechte gegenüber der staatlichen Stelle geltend zu machen.

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(bb) Die Aufgabe des Besitzes an einem Luftschutzraum führt auch nicht ohne Weiteres zu dessen (vollständiger) Entwidmung. Schutzräume unterlagen nämlich von dem Inkrafttreten des Schutzbaugesetzes (SchBauG) vom 9. September 1965 (BGBl. I S. 1232) bis zur Aufhebung der relevanten Teile dieses Gesetzes am 4. April 1997 (Art. 7 Abs. 2 Nr. 3 des Gesetzes vom 25. März 1997, BGBl. I S. 726) dem Veränderungsverbot nach § 19 Abs. 1 SchBauG aF. Dieses Verbot galt nach § 19 Abs. 2 SchBauG aF auch für seinerzeit schon vorhandene Schutzbauwerke, und zwar bis zum Ablauf der in § 15 Abs. 1 SchBauG aF bestimmten Frist zur Entscheidung über ihre Wiederverwendung. Diese Frist ist zwar nie abgelaufen, weil die Vorschrift durch die mit Artikel 17 Nr. 2 Buchstabe a des Finanzänderungsgesetzes 1967 (BGBl. I S. 1259) geänderte Regelung in § 41 Abs. 1 Satz 1 SchBauG vom 1. Januar 1968 an suspendiert und bis zu ihrer Aufhebung am 4. April 1997 nicht mehr in Kraft gesetzt worden ist. Sie führt aber dazu, dass die vorhandenen Schutzbauwerke bis zu einer Entscheidung über die Wiederverwendung oder endgültige Aufgabe als Schutzräume nicht vollständig entwidmet waren. Das wiederum hatte zur Folge, dass der Anspruch des Eigentümers auf Beseitigung der in der Anlegung solcher Schutzräume liegenden Eigentumsstörungen bis zur Aufhebung auch dieser Vorschrift zum 4. April 1997 nur durchsetzbar war, wenn die zuständige Behörde - bei Schutzräumen des Bundes nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SchBauG aF das Bundesministerium des Innern - dies genehmigte. Daran kann auch die Aufgabe des Besitzes durch die zuständige Dienststelle nichts ändern (vgl. zum Ganzen: BGH, Urteil vom 25. Oktober 1979 - III ZR 134/77, WM 1980, 200, 202).

18

(4) Der Anspruch auf Beseitigung eines Schutzraums entsteht deshalb in diesen Fällen erst, wenn dieser nicht mehr als Schutzraum genutzt wird und auch darüber entschieden ist, dass er nicht mehr als Schutzraum wiederverwendet werden soll. Diese Entscheidung muss entweder dem betroffenen Grundstückseigentümer mitgeteilt oder öffentlich bekannt gemacht werden. Eine schlichte Außerdienststellung genügt demgegenüber nicht.

19

(a) Die aktuelle Nutzung eines Stollens als Schutzraum könnte zwar durch einseitigen Akt der zuständigen Dienststelle aufgehoben werden (BGH, Urteile vom 11. Juli 1963 - III ZR 132/61, BGHZ 40, 78, 82 f., vom 27. Mai 1971 - III ZR 200/68, LM Nr. 73 zu Allg. KriegsfolgenG, Bl. 2 und vom 25. Oktober 1979 - III ZR 134/77, WM 1980, 200, 202). Hierfür wären keine Förmlichkeiten vorgeschrieben. Von seinem Anspruch auf Beseitigung der in der Anlegung des Schutzraums liegenden Eigentumsstörung kann der Grundstückseigentümer aber erst (effektiv) Gebrauch machen, wenn er von dem Ende der staatlichen Inanspruchnahme seines Grundstücks und dem Fortfall der öffentlich-rechtlichen Beschränkungen erfährt. Vorher kann der Anspruch auch nicht im Sinne von § 28 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AKG entstehen.

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(b) Der Grundstückseigentümer muss nicht nur darüber unterrichtet werden, dass der Schutzraum vorerst nicht weiter betrieben werden soll. Vielmehr muss im Hinblick auf die Beschränkungen nach § 19 SchBauG aF auch mitgeteilt werden, dass der Schutzraum nicht mehr wiederverwendet werden soll. Für diese Entscheidung und die Unterrichtung des Grundstückseigentümers sind ebenfalls keine bestimmten Formen vorgeschrieben. Der Eigentümer kann deshalb durch einen förmlichen Bescheid ebenso unterrichtet werden wie durch konkludentes Handeln oder auch eine öffentliche Bekanntmachung. Entscheidend ist, dass er von der zuständigen Behörde klar und eindeutig erfährt, dass sein Grundstück endgültig nicht mehr für den Schutzraum in Anspruch genommen werden soll.

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(c) Diesen Anforderungen genügt das Schreiben der zuständigen Dienststelle der Beklagten vom 26. April 1983 nicht. Darin wird die Klägerin nämlich ausdrücklich auf die Beschränkungen nach § 19 SchBauG aF aufmerksam gemacht und aufgefordert, sich daran zu halten. Das bedeutet für die Klägerin bei objektiver Betrachtung, dass jedenfalls die Entscheidung über die Wiederverwendung noch aussteht und sie von ihren Eigentümerrechten gerade nicht uneingeschränkt Gebrauch machen kann. Anders läge es, wenn die Klägerin bereits zuvor über die endgültige Freigabe ihres Grundstücks unterrichtet worden wäre und den Hinweis auf § 19 SchBauG als Fehler erkennen konnte. Feststellungen dazu hat das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus konsequent - nicht getroffen. Eine entsprechende Unterrichtung der Klägerin lässt sich deshalb aber auch nicht ausschließen.

22

2. Das angefochtene Urteil erweist sich nicht aus einem anderen Grund als richtig. Die zuständige Dienststelle der Beklagten hat die Klägerin zwar im Rahmen der Verhandlungen über die Aufgabe des Besitzes in einem Schreiben vom 15. Juni 1983 darauf hingewiesen, dass die Aufgabe des Besitzes die Verpflichtung der Beklagten zur Beseitigung von etwaigen künftigen Gefahrenstellen im Sinne des § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG nicht berühre, und in ihrem Entwurf einer Vereinbarung über den Übergang des Besitzes an der Anlage auf die Klägerin eine entsprechende Klausel vorgeschlagen. Die Klägerin sieht darin die Übernahme einer eigenständigen, von den gesetzlichen Voraussetzungen der § 1004 BGB, § 19 Abs. 2 Nr. 1 AKG losgelösten Beseitigungspflicht durch die Beklagte. Mit der Auslegung dieser Erklärungen der Beklagten hat sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht befasst. Sie kann der Senat aber nachholen, da das Landgericht diese Erklärungen ausgelegt hat und weitere Erkenntnisse nicht zu erwarten sind. Danach erweist sich die Auslegung der Erklärung durch das Landgericht als zutreffend. Die Beklagte hat mit der in dem erwähnten Schreiben und dem Vereinbarungsvorschlag gewählten Formulierung „... nicht berührt wird“ dem Wortsinn nach nur zum Ausdruck gebracht, dass die Übernahme des Besitzes an der Anlage durch die Klägerin keinen Verzicht auf deren Ansprüche bewirken sollte. Dass die Beklagte mit dieser Erklärung über den Wortsinn hinaus nach den maßgeblichen gesetzlichen Vorschriften nicht bestehende Verpflichtungen hat begründen und damit in der Sache auf eine Berufung auf den Anspruchsausschluss nach §§ 26, 28 AKG hat verzichten wollen, könnte nur angenommen werden, wenn sich das aus ihren Erklärungen eindeutig ergäbe (vgl. Senat, Urteil vom 30. September 2005 - V ZR 197/04, BGH-Report 2006, 4, 5 für Anspruchsverzicht). Daran fehlt es. Die Beklagte hat sich in ihrem Schreiben ausdrücklich auf die Vorschrift des § 19 Abs. 2 AKG bezogen. Anhaltspunkte dafür, dass sie sich von den Regelungen des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes hat entfernen wollen, sind nicht ersichtlich.

III.

23

Das Berufungsurteil kann keinen Bestand haben. Die Sache ist nicht entscheidungsreif, weil es zur Entscheidung der Frage, ob die Ausschlussfrist gewahrt worden ist, noch weiterer Feststellungen bedarf. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dafür weist der Senat auf Folgendes hin:

24

1. Festzustellen ist zunächst, ob die Behörde über die Außerdienststellung der Stollenanlage als Schutzraum entschieden und dies der Klägerin bekannt gemacht hat. Anknüpfungspunkte hierfür bieten etwa die Errichtung der Mauer, wenn, was bislang nicht festgestellt ist, die Behörde sie für die Klägerin erkennbar im Zuge einer endgültigen Aufgabe des Schutzbaus veranlasst hat, ein Verzeichnis der Schutzbauten oder Korrespondenz mit der Ortsgemeinde, die heute nach § 7 Abs. 1 Satz 2 ZSKG für die Errichtung und Unterhaltung von Schutzbauten zuständig ist.

25

2. Festzustellen wäre weiter, ob die zu 1 genannte Entscheidung (nebst Bekanntgabe) bis spätestens ein Jahr vor dem Eingang des Schreibens der Klägerin vom 3. Juni 1983 bei der zuständigen Dienststelle der Beklagten getroffen worden ist.

26

3. Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass der Klägerin nach § 28 Abs. 2 AKG Nachsicht zu gewähren gewesen wäre, wenn sie ohne ihr Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. Ein solcher Grund könnte darin liegen, dass die Klägerin von der - festzustellenden - Entscheidung über die endgültige Aufgabe der Stollenanlage als Schutzraum, etwa bei einer öffentlichen Bekanntmachung, keine Kenntnis hatte. Die Gewährung von Nachsicht scheidet nach § 28 Abs. 2 Satz 2 AKG allerdings aus, wenn seit dem Ende der versäumten Frist ein Jahr verstrichen ist.

Stresemann                           Lemke                           Schmidt-Räntsch

                       Brückner                        Weinland