Entscheidungsdatum: 16.09.2011
Die Revision gegen das Urteil der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 21. September 2010 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungs- und Teileigentümergemeinschaft. In der Teilungserklärung ist die Größe des Miteigentumsanteils bei den Teileigentümern niedriger angesetzt worden als bei den Wohnungseigentümern mit vergleichbar großen Wohnungen. Während bei den Wohnungen rechnerisch auf 1/10.000stel Miteigentumsanteil 3,37 qm entfallen, beträgt dieser bei den meisten Räumen der Teileigentumseinheiten rund 34,2 qm. Für die Verteilung der Nutzungen, Lasten und Kosten sieht die in der Teilungserklärung enthaltene Gemeinschaftsordnung keine vom Gesetz abweichende Regelung vor.
Auf der Wohnungseigentümerversammlung vom 13. Mai 2009 fassten die Wohnungseigentümer zu Tagesordnungspunkt 10 den Beschluss, dass die Kosten für die Müllabfuhr (für die hieran Beteiligten), Straßenreinigung, Schneebeseitigungsmittel, Hausreinigung, Gartenpflege, Versicherungen, Schädlingsbekämpfung, Niederschlagswasser sowie die Wartungskosten für die Notstrom- und Brandsicherung in Zukunft nicht mehr nach Miteigentumsanteilen, sondern nach der Fläche der jeweiligen Sondereigentumseinheiten abgerechnet werden. Hinsichtlich der Kosten für Aufzug, Hausbeleuchtung, Waschanlage, Haustelefon und Hauswart verblieb es bei einer Verteilung nach Miteigentumsanteilen und hinsichtlich der Heiz- und Wasserkosten bei einer Verteilung nach Verbrauch.
Der Kläger ist Eigentümer von zwei Teileigentumseinheiten, die er als Abstellräume nutzt. Seine gegen den Beschluss der Wohnungseigentümer erhobene Anfechtungsklage ist in beiden Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision möchte er erreichen, dass der angefochtene Beschluss für ungültig erklärt wird. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
I.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts entspricht die geänderte Regelung den Grundsätzen ordnungsmäßiger Verwaltung. Zwar sei fraglich, ob für die Veränderung ein sachlicher Grund vorliegt. Dies sei aber nicht Voraussetzung für eine zulässige Änderung. Es finde lediglich eine Missbrauchskontrolle statt. Der neue Verteilungsschlüssel betreffe durchweg solche Kostenpositionen, die nach Art und Anfall keinen direkten Bezug zur Intensität der Nutzung des Sondereigentums aufwiesen. Der Kläger werde durch die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels auch nicht erheblich mehr belastet. Zwar vervielfältige sich der Kostenbeitrag des Klägers hinsichtlich der von der geänderten Kostenverteilung erfassten Positionen für den kleinen Raum um den Faktor 6 und für den großen Raum um den Faktor 6,5. Die absolute Mehrbelastung des Klägers betrage aber monatlich nur etwa 5 € bzw. 15 €, was im Rahmen dessen liege, womit ein Eigentümer jederzeit schon wegen der allgemeinen Kostensteigerungen rechnen müsse. Angesichts der relativ geringfügigen absoluten Mehrbelastung des Klägers sei nicht ersichtlich, dass sich die Mehrheit in missbräuchlicher Weise auf Kosten der Minderheit entlasten wolle.
Wegen der Frage, ob die Änderung des Verteilungsschlüssels gemäß § 16 Abs. 3 WEG eines sachlichen Grundes bedarf, hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen.
II.
Das hält einer rechtlichen Überprüfung stand. Das Berufungsgericht hat die Änderung des Umlageschlüssels zu Recht nicht beanstandet.
1. § 16 Abs. 3 WEG eröffnet den Wohnungseigentümern bei den in der Vorschrift näher bezeichneten Betriebs- und Verwaltungskosten die Möglichkeit, den bestehenden Umlageschlüssel durch Mehrheitsbeschluss zu ändern, soweit dies ordnungsmäßiger Verwaltung entspricht. Von dieser Kompetenz haben die Wohnungseigentümer Gebrauch gemacht.
2. Die von dem Berufungsgericht aufgeworfene Frage, ob eine Änderung des Verteilungsschlüssels gemäß § 16 Abs. 3 WEG eines sachlichen Grundes bedarf oder ob lediglich eine Missbrauchskontrolle stattfindet, hat der Senat mit Urteil vom 1. April 2011 (V ZR 162/10, NJW 2011, 2202) geklärt. Den Wohnungseigentümern ist bei Änderungen des Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 3 WEG aufgrund ihres Selbstorganisationsrechts ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt. Sie dürfen jeden Maßstab wählen, der den Interessen der Gemeinschaft und der einzelnen Wohnungseigentümer angemessen ist und insbesondere nicht zu einer ungerechtfertigten Benachteiligung Einzelner führt (BT-Drucks. 16/887 S. 23). Zwar ist den Materialien zu entnehmen, dass eine Änderung des Umlageschlüssels darüber hinaus an das Vorliegen eines sachlichen Grundes geknüpft sein soll (BT-Drucks. aaO). Unter der Geltung des nunmehrigen § 16 Abs. 3 WEG bedeutet dies jedoch nur, dass sowohl das "Ob" als auch das "Wie" der Änderung nicht willkürlich sein dürfen (Senat, Urteil vom 1. April 2011 – V ZR 162/10, NJW 2011, 2202, 2203).
3. Gemessen daran ist die Umstellung des mangels anderweitiger Vereinbarung geltenden gesetzlichen Umlageschlüssels nach § 16 Abs. 2 WEG, der eine Verteilung der Kosten nach Miteigentumsanteilen vorsieht, für die hier in Rede stehenden Betriebskosten auf einen flächenabhängigen Verteilungsmaßstab nicht zu beanstanden.
a) Zwar ist die Mehrbelastung des Klägers nicht unerheblich. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts führt der neue Kostenverteilungsschlüssel dazu, dass sich der Kostenbeitrag des Klägers hinsichtlich der von der Änderung erfassten Positionen um etwa das Sechsfache bzw. das Sechseinhalbfache gegenüber dem ursprünglichen Kostenbeitrag erhöht. Zu berücksichtigen ist aber, dass die nach dem ursprünglichen Verteilungsmaßstab geringere Kostenbelastung des Klägers auf einem Verteilungsschlüssel beruht, der einzelne Miteigentümer gegenüber den übrigen Miteigentümern unbillig privilegiert, während der neue Verteilungsschlüssel zu einer höheren Kostengerechtigkeit führt.
(1) Der hier bisher geltende gesetzliche Kostenverteilungsschlüssel des § 16 Abs. 2 WEG hängt in seinen Auswirkungen davon ab, nach welchen Kriterien die Größe der Miteigentumsanteile bestimmt worden ist (BayObLG, NJW-RR 1992, 342, 343). Wie das Verhältnis zwischen Sondereigentum und Miteigentumsanteil an dem gemeinschaftlichen Eigentum festgelegt wird und welche Gesichtspunkte dabei berücksichtigt werden, hat das Gesetz der freien Bestimmung durch die Wohnungseigentümer überlassen (Senat, Urteil vom 18. Juni 1976 – V ZR 156/75, NJW 1976, 1976). Bei einer nicht sachgerechten Festlegung der Miteigentumsanteile kann dies aber zu unbilligen Ergebnissen führen (BayOblG, NJW-RR 1992, 342, 343; WuM 1997, 61, 62).
(2) Die in der Teilungserklärung erfolgte deutlich geringere Bewertung der Teileigentumseinheiten im Verhältnis zu den Wohnungen hat zur Folge, dass ein Teileigentümer von den Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums - mit Ausnahme der verbrauchsabhängig abgerechneten Heiz- und Wasserkosten - nur 1/10 dessen zu tragen hat, was ein Wohnungseigentümer für eine Wohnung mit einer vergleichbaren Flächengröße zahlt. Darin liegt jedenfalls für die hier in Rede stehenden Betriebskosten eine unausgewogene Kostenverteilung, die der neue Abrechnungsschlüssel beseitigt. Auf die Frage, ob der Kläger seine beiden Teileigentumseinheiten nur als Abstellraum nutzen darf, woran nach der Teilungserklärung, die eine teilgewerbliche Nutzung erlaubt, Zweifel bestehen, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Die Kosten für Straßen- und Hausreinigung, Schneebeseitigung, Gartenpflege, Niederschlagswasser, Müllbeseitigung (für die hieran Beteiligten), Versicherungen, Schädlingsbekämpfung sowie Wartungskosten für die Notstrom- und Brandsicherung fallen unabhängig von der Art und Intensität der Nutzung der Sondereigentumseinheiten an. Die Beteiligung der Teileigentümer an diesen Kosten nur mit einem geringen Bruchteil wird dem Nutzen, den auch sie von den Aufwendungen haben, nicht gerecht. Demgegenüber führt der neue Verteilungsschlüssel, der an die Wohn-/Nutzfläche der jeweiligen Sondereigentumseinheit anknüpft, zu einer höheren Abrechnungsgerechtigkeit.
b) Entgegen der Auffassung der Revision folgt eine einseitige und rechtsmissbräuchliche Benachteiligung der Teileigentumseigentümer nicht daraus, dass nach dem geänderten Kostenverteilungsschlüssel die Betriebs- und Verwaltungskosten teilweise nach der Fläche der Eigentumseinheiten umgelegt werden, während sich der Anteil an den Nutzungen des gemeinschaftlichen Eigentums unverändert nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile bestimmt. Der Umstand allein, dass die Nutzungen, Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums nicht nach einem einheitlichen Maßstab verteilt sind, rechtfertigt nicht die Annahme einer unangemessenen Benachteiligung des Klägers. Der Maßstab zur Verteilung der Nutzungen muss - wie die Beschlusskompetenz aus § 16 Abs. 3 und 4 WEG zur abweichenden Kostenverteilung zeigt - nicht zwingend mit dem Verteilungsmaßstab der Lasten und Kosten übereinstimmen (Becker in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 16 Rn. 14 f.). Besondere Umstände, warum hier durch die Veränderung des Verteilungsschlüssels für bestimmte Betriebs- und Verwaltungskosten unter Beibehaltung des Verteilungsmaßstabes für die Nutzungen eine - wie der Kläger meint - "Schieflage" entstanden ist, zeigt die Revision nicht auf. Solche Umstände sind auch nicht ersichtlich, zumal der beanstandete Kostenverteilungsschlüssel nicht die gesamten Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums betrifft, insbesondere nicht die Kosten der Instandhaltung und Instandsetzung, sondern nur auf einen Teil der Gemeinschaftskosten Anwendung findet.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
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