Entscheidungsdatum: 18.07.2014
Dem Erlass eines Anerkenntnisurteils steht die fehlende Durchführung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens vor der Klageerhebung nicht entgegen.
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts München I - 1. Zivilkammer - vom 23. September 2013 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien sind Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Der Kläger nimmt den Beklagten auf Unterlassung von Äußerungen in Anspruch, die in einem an die übrigen Wohnungseigentümer gerichteten Schreiben enthalten sind.
In der von dem Amtsgericht durchgeführten Güteverhandlung hat der anwaltlich nicht vertretene Beklagte nach eingehender Erörterung der Sach- und Rechtslage den Klageanspruch anerkannt, woraufhin ein Anerkenntnisurteil erging. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten, mit der er geltend gemacht hat, die Klage sei wegen des vor Klageerhebung nicht durchgeführten Schlichtungsverfahrens unzulässig gewesen, zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger beantragt, will der Beklagte die Klageabweisung erreichen.
I.
Das Berufungsgericht meint, die Verurteilung des Beklagten gemäß seinem Anerkenntnis sei nicht zu beanstanden. Zwar hätte nach § 15a EGZPO i.V.m. Art. 1 Nr. 2 BaySchlG vor Erhebung der Klage ein Streitschlichtungsverfahren durchgeführt werden müssen, woran es fehle. Gleichwohl sei die Klage nicht als unzulässig abzuweisen gewesen. Jedenfalls wenn nach einer ausführlichen Erörterung der streitgegenständlichen Punkte in der obligatorischen Güteverhandlung eine gütliche Streitbeilegung durch ein umfassendes prozessuales Anerkenntnis erreicht werde, stelle das Erfordernis der vorgerichtlichen Streitschlichtung nach § 15a EGZPO ausnahmsweise eine verzichtbare Prozessvoraussetzung für den Erlass eines Anerkenntnisurteils dar.
II.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand.
1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, dass das vorliegende Verfahren in den Anwendungsbereich von Art. 1 Nr. 2 BaySchlG fällt. Danach kann eine Klage vor den Amtsgerichten in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten über Ansprüche wegen der Verletzung der persönlichen Ehre, die nicht in Presse oder Rundfunk begangen worden ist, erst erhoben werden, wenn die Parteien einen Versuch unternommen haben, die Streitigkeit in einem Schlichtungsverfahren gütlich beizulegen. Das Landesrecht macht damit von der Öffnungsklausel in § 15a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EGZPO Gebrauch. Es enthält eine von Amts wegen zu prüfende besondere Prozessvoraussetzung, die bereits im Zeitpunkt der Klageerhebung vorliegen muss (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 2013 - VI ZR 151/12, VersR 2014, 601 Rn. 4 mwN).
2. Frei von Rechtsfehlern nimmt das Berufungsgericht an, das Amtsgericht habe ein Anerkenntnisurteil erlassen können, obwohl der Klage kein Schlichtungsverfahren vorausgegangen ist.
a) Mit einem Anerkenntnis kann der Beklagte zwar über den sachlich-rechtlichen Anspruch disponieren. Die Parteien können jedoch grundsätzlich nicht über Prozess- und Rechtsmittelvoraussetzungen verfügen, so dass diese auch im Fall eines Anerkenntnisses von dem Gericht zu prüfen sind (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 - IX ZB 41/12, WM 2013, 1827 Rn. 7; Beschluss vom 10. November 2009 - XI ZB 15/09, NJW-RR 2010, 275 Rn. 15). Allerdings kann ein Anerkenntnisurteil ausnahmsweise dann ergehen, wenn eine fehlende Prozessvoraussetzung ihm nach dem Sinn und Zweck des § 307 ZPO nicht entgegensteht.
So hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass der Revisionsbeklagte den gegen ihn geltend gemachten Anspruch, jedenfalls solange der Kläger seine Revision noch nicht begründet hat, durch Erklärung seines zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten anerkennen kann, obwohl vor dem Bundesgerichtshof nach § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO ein qualifizierter Anwaltszwang besteht (Urteil vom 6. Mai 2014 - X ZR 11/14, NJWRR 2014, 831 Rn. 7, 8). Ebenso kann der Beklagte den Klageanspruch innerhalb laufender Berufungsbegründungsfrist wirksam anerkennen, auch wenn die Berufung nicht mehr begründet und das Rechtsmittel damit unzulässig wird (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 - IX ZB 41/12, WM 2013, 1827 Rn. 8). Darüber hinaus findet § 307 ZPO entsprechende Anwendung, wenn ein Anerkenntnis im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision erklärt wird. Dass es in diesem Verfahren nicht um die Korrektur der Entscheidung zur Hauptsache, sondern allein um die Frage geht, ob die Revision zuzulassen ist, steht der Wirksamkeit des Anerkenntnisses nicht entgegen. Trotz des fehlenden Devolutiveffekts hinsichtlich der Hauptsache kann ein Anerkenntnisurteil ergehen (BGH, Urteil vom 4. März 2010 - XI ZR 228/09, NJW-RR 2010, 783 Rn. 2).
Tragend für diese Entscheidungen ist die Funktion des § 307 ZPO. Aus der Dispositionsmaxime der Parteien folgt, dass - soweit diese reicht - in jeder Lage des Verfahrens die Möglichkeit bestehen muss, dieses durch Anerkenntnisurteil unmittelbar zu beenden (BGH, Beschluss vom 18. Juli 2013 - IX ZB 41/12, WM 2013, 1827 Rn. 8 mwN). Dies entspricht auch der Intention des Gesetzgebers, der zur Verfahrensbeschleunigung und Verfahrenserleichterung die Voraussetzungen zum Erlass eines Anerkenntnisurteils durch Abschaffung des Antragserfordernisses (BT-Drucks. 14/3750, S. 58 f.) und den generellen Verzicht auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (BR-Drucks. 378/03, S. 8 f.; BT-Drucks. 15/3482, S. 17) zunehmend erleichtert hat (BGH, Urteil vom 6. Mai 2014 - X ZR 11/14, NJWRR 2014, 831 Rn. 8 mwN).
b) Für ein Anerkenntnis, das auf eine ohne vorherige Durchführung eines Schlichtungsverfahrens erhobene Klage hin erklärt wurde, gilt nichts anderes.
Dem beschriebenen Ziel des § 307 ZPO liefe es zuwider, wenn ein Gericht bei einem wirksam erklärten Anerkenntnis den Beklagten nicht durch ein Anerkenntnisurteil verurteilen könnte, sondern stattdessen die Klage durch ein streitiges Urteil als derzeit unzulässig abweisen und die Parteien auf ein zunächst erforderliches Streitschlichtungsverfahren verweisen müsste.
Für die Durchführung eines Streitschlichtungsverfahrens fehlt in diesem Fall ein Bedürfnis, da der Streit durch die vollumfängliche Anerkennung des Klageanspruchs, mithin durch die Herstellung eines Konsenses - der freiwilligen Aufgabe der eigenen Rechtsposition zugunsten des Klägers - gerade beigelegt wurde. Das Anerkenntnis enthält das Zugeständnis der Richtigkeit der tatsächlichen Klagebehauptungen und zugleich die Anerkennung, dass sich aus diesen Tatsachen die von dem Kläger behaupteten Rechtsfolgen ableiten lassen, mit denen er seinen Klageanspruch begründet. Das Gericht ist der Prüfung des ihm ursprünglich vorgelegten Streitstoffes enthoben (BGH, Urteil vom 6. Mai 2014 - X ZR 11/14, NJWRR 2014, 831 Rn. 6; Urteil vom 8. Oktober 1953 - III ZR 206/51, BGHZ 10, 333, 335). Insoweit ist die Sachlage mit jener vergleichbar, in der ein gerichtlicher Vergleich geschlossen wird. Der Abschluss eines Prozessvergleichs setzt nicht voraus, dass das obligatorische Schlichtungsverfahren durchgeführt wurde. Er ist vielmehr auch dann wirksam, wenn die Klage unzulässig war (Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 35. Aufl., § 794 Rn. 9).
3. Soweit der Beklagte schließlich der Ansicht ist, sein Anerkenntnis sei deshalb nicht wirksam abgegeben worden, weil das Klageverfahren nicht habe durchgeführt werden dürfen, ist dies nach den vorangegangenen Ausführungen nicht zutreffend. Gründe, aus denen die Unwirksamkeit des Anerkenntnisses folgt, liegen nicht vor.
Als Prozesserklärung ist das Anerkenntnis nur wirksam, wenn es - wie hier - unbedingt erklärt wird (BGH, Urteil vom 19. Juni 1985 - IVb ZR 38/84, NJW 1985, 2713, 2716) und die allgemeinen Prozesshandlungsvoraussetzungen vorliegen. Der Erklärende muss also partei-, prozess- und postulationsfähig sein. Für die Wirksamkeit des Anerkenntnisses spielt es entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keine Rolle, ob ihm eine (eingehende) Erörterung der Sach- und Rechtslage vorausgegangen ist. Die materielle Rechtslage ist für die Wirksamkeit des Anerkenntnisses grundsätzlich unerheblich. Ein Beklagter, der sich einem hinreichend bestimmten Klageantrag ausgesetzt sieht, weiß, welcher Rechtsfolge er sich mit seinem Anerkenntnis unterwirft. Zudem obliegt dem Gericht die Prüfung der Zulässigkeit des Anspruchs, da ein Anerkenntnisurteil nicht ergehen darf, wenn mit ihm ein unmöglicher oder ein gesetzlich verbotener Anspruch zugesprochen würde (BGH, Urteil vom 8. Oktober 1953 - III ZR 206/51, BGHZ 10, 333, 335). Das gewährleistet einen ausreichenden Schutz des Anerkennenden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Lemke Roth Brückner
Weinland Kazele