Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 12.07.2018


BGH 12.07.2018 - V ZR 285/17

Stellvertretung: Innerfamiliärer Treuhandvertrag als Kausalverhältnis für die Bevollmächtigung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
12.07.2018
Aktenzeichen:
V ZR 285/17
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2018:120718BVZR285.17.0
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Düsseldorf, 25. April 2017, Az: I-24 U 19/16vorgehend LG Wuppertal, 15. Dezember 2015, Az: 4 O 16/15
Zitierte Gesetze

Tenor

Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil des 24. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 25. April 2017 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 1.000.000 €.

Gründe

I.

1

Mit notarieller Urkunde vom 8. Dezember 1983 erteilte der Kläger seinem Vater, dem Beklagten, eine nicht beschränkte, unwiderrufliche Vollmacht, die diesen auch von den Beschränkungen des § 181 BGB befreite.

2

Der Kläger erwarb in den Jahren 1988, 1990 und 2007 Grundstücke, auf denen sich marode Industriegebäude befanden, die in bewohnbare Wohnhäuser umgebaut wurden. Ein Gebäude ist vermietet, die übrigen Gebäude werden von dem Beklagten, seiner Ehefrau und seiner Mutter sowie seit 2007 von dem Kläger bewohnt. Über das Vermögen des Beklagten wurde 2007 das Insolvenzverfahren eröffnet; mit Beschluss vom 14. Mai 2013 wurde ihm die Restschuldbefreiung erteilt. Im Jahr 2014 bot der Kläger die Grundstücke zum Verkauf an.

3

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 25. Juli 2014 erwarb der Beklagte von dem Kläger die 1988 bis 2007 erworbenen Grundstücke. In einem weiteren notariellen Vertrag vom gleichen Tag wurde zugunsten des Beklagten an den Grundstücken eine Briefgrundschuld in Höhe von 500.000 € bestellt. Dem Kläger wurde ein lebzeitiges Wohnrecht an der von ihm bewohnten Wohnung eingeräumt. Für den Kläger trat aufgrund der Vollmacht von 1983 jeweils der Beklagte auf. Die entsprechenden Eintragungen in das Grundbuch sind erfolgt.

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Mit der Klage verlangt der Kläger von dem Beklagten die Rückübertragung der Grundstücke, die Herausgabe der notariellen Vollmacht und des Grundschuldbriefes, hilfsweise ihn von einer Inanspruchnahme aus der Grundschuld freizustellen. Ferner verlangt er die Freistellung von allen durch die Grundbuchumschreibung entstandenen und noch entstehenden Schäden. Das Landgericht hat der Klage bis auf den Antrag auf Herausgabe des Grundschuldbriefes - insoweit hat es dem Hilfsantrag entsprochen - stattgegeben, wobei es den Antrag auf Freistellung von allen durch die Grundbuchumschreibung entstandenen und noch entstehenden Schäden in einen Feststellungsantrag umgedeutet hat. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Verurteilung zur Auflassung des Eigentums an den Grundstücken entfällt und der Beklagte stattdessen verurteilt wird, insoweit die Berichtigung des Grundbuchs zu bewilligen. Die Revision hat es nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, der im Rahmen eines Revisionsverfahrens die vollständige Klageabweisung erreichen will.

II.

5

Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger ein Grundbuchberichtigungsanspruch gemäß § 894 BGB zu. Das Grundbuch sei unrichtig, weil es an einer wirksamen Eigentumsübertragung und einer wirksamen Bestellung der Grundschuld fehle. Der Übertragungsvertrag vom 25. Juli 2014 und die Bestellung der Grundschuld seien aufgrund eines Missbrauchs der Vertretungsmacht durch den Beklagten wegen sittenwidriger Kollusion nichtig. Zwar sei die Vollmacht vom 8. Dezember 1983 wirksam erteilt worden. Das Fehlen eines ihre Unwiderruflichkeit rechtfertigenden Kausalverhältnisses im Jahr 1983 mache die Vollmacht nicht insgesamt nichtig, sondern habe nur den Ausschluss der Widerruflichkeit zur Folge. Es könne dahinstehen, ob der Kläger die Vollmacht widerrufen habe. Eine wirksame Übertragung der Grundstücke auf den Beklagten könne jedenfalls nicht festgestellt werden. Dies folge bereits daraus, dass ausweislich Nr. I. 8 des Vertrages mit der Übertragung auch das Treuhandverhältnis habe erledigt sein sollen und deshalb die Vollmacht nach § 168 Satz 1 BGB erloschen sei. Darüber hinaus könne nicht festgestellt werden, dass das von dem Beklagten behauptete Treuhandverhältnis bestanden habe. Dieser habe schon das Zustandekommen eines Treuhandvertrages mit den Familienangehörigen im Jahr 1988 nicht beweisen können. Zudem hätte ein (unterstelltes) Treuhandverhältnis der notariellen Form des § 311b BGB bedurft. Die fehlende Beachtung der Form wäre auch nicht durch Auflassung und Eintragung des Klägers in das Grundbuch geheilt worden.

III.

6

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.

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1. Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen und Anträge der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 22. Oktober 2015 - V ZR 146/14, NJW-RR 2016, 210 Rn. 4). Das Gebot rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht unter anderem dazu, den wesentlichen Kern des Vorbringens der Partei zu erfassen und - soweit er eine zentrale Frage des jeweiligen Verfahrens betrifft - in den Gründen zu bescheiden. Von einer Verletzung dieser Pflicht ist auszugehen, wenn die Begründung der Entscheidung des Gerichts nur den Schluss zulässt, dass sie auf einer allenfalls den äußeren Wortlaut, aber nicht den Sinn des Vortrags der Partei erfassenden Wahrnehmung beruht (Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2015 - V ZR 61/15, NJW-RR 2016, 78 Rn. 7 mwN).

8

2. So verhält es sich hier, soweit das Berufungsgericht meint, das Zustandekommen eines Treuhandverhältnisses zwischen dem Kläger und den Familienangehörigen sei nicht bewiesen.

9

a) Das Berufungsgericht verweist zur Begründung darauf, der Beklagte habe stets vorgetragen, dass der Kläger für die gesamte Familie habe Eigentum erwerben sollen, mithin alle Familienmitglieder an dem Treuhandverhältnis beteiligt gewesen seien. Daraus folge, dass dann nicht der Beklagte allein, sondern auch seine Mutter und seine zweite Ehefrau Treugeber gewesen seien. Dies habe die Beweisaufnahme jedoch nicht ergeben. Vor allem könne der Aussage der Zeugin B.         eine Treuhandabrede zugunsten der gesamten Familie nicht entnommen werden. Ihre Aussage spreche dafür, dass der Kläger als „Treuhänder bzw. Strohmann“ in das Grundbuch eingetragen werden und der Beklagte kraft der ihm fünf Jahre zuvor erteilten Vollmacht alle Fäden allein in der Hand behalten sollte.

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b) Damit übergeht das Berufungsgericht den Vortrag des Beklagten in der Berufungsbegründung, in der er sich gerade den Inhalt der Aussage der Zeugin B.         zu Eigen gemacht hat. Diese habe ausgesagt, dass der Beklagte jederzeit „in das Grundbuch rein“ könne, da er die Rechte habe. Deswegen habe der Beklagte zur Absicherung die Vollmacht des Klägers aus dem Jahre 1983 gehabt. Die Zeugin habe detailreich die Grundlagen des Treuhandvertrages beschrieben.

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aa) Der Beklagte hat damit in Ergänzung seines erstinstanzlichen Vortrages den Inhalt des von ihm behaupteten Treuhandvertrages näher dargelegt. Das steht auch nicht in Widerspruch zu seinem bisherigen Vorbringen, wonach ein Treuhandverhältnis zwischen dem Kläger, ihm, seiner Mutter und seiner Ehefrau vereinbart und der Kläger stellvertretend für die Familie in das Grundbuch eingetragen worden sei. Dies setzt nicht zwingend voraus, dass auch die weiteren Familienmitglieder Treugeber sind. Einen typischen Treuhandvertrag, der sich nach bestimmten Regeln richtet, gibt es nicht; die Rechtsbeziehungen müssen vielmehr nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem zugrunde liegenden Auftrag, bestimmt werden (BGH, Urteil vom 14. März 1966 - VII ZR 7/64, NJW 1966, 1116). Möglich ist insoweit auch, dass Dritte aufgrund der Treuhandabrede ein eigenes Forderungsrecht im Sinne eines Vertrages zugunsten Dritter (§ 328 BGB) erwerben (vgl. zu einer solchen Fallgestaltung: BGH, Urteil vom 12. Oktober 1989 - IX ZR 184/88, BGHZ 109, 47, 52). Vor diesem Hintergrund ist das Berufungsgericht an dem äußeren Wortlaut des erstinstanzlichen Vortrages des Beklagten haften geblieben, ohne dessen Kern zu erfassen. Er kann durchaus dahingehend verstanden werden, dass alle Familienangehörigen an dem Treugut teilhaben sollten, etwa in Form eines Anspruchs auf Nutzung bestimmter Wohnungen, ohne selbst Treugeber zu sein. Der ergänzende Vortrag in der Berufungsbegründung, den das Berufungsgericht unbeachtet lässt, stellt eine weitergehende Ausfüllung dar. Die Zeugin B.     , deren Bekundungen sich der Beklagte zu Eigen macht, hat auch davon gesprochen, dass alle Familienangehörige berechtigt sein sollten, auf einem der erworbenen Grundstücke zu wohnen, was ein Korrelat zu deren finanziellen Beiträgen zum Erwerb der Grundstücke und der Renovierung der Gebäude darstellen kann.

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bb) Selbst wenn die Berufungsbegründung nicht lediglich als Ergänzung des bisherigen Vortrages zu verstehen wäre, läge jedenfalls ein zulässiges Hilfsvorbringen des Beklagten vor. Eine Partei ist nicht gehindert, ihr Vorbringen im Laufe des Rechtsstreits zu ändern, insbesondere zu präzisieren, zu ergänzen oder zu berichtigen. Darum können für einen Klageantrag, sofern nicht eine bewusste Verletzung der Wahrheitspflicht (§ 138 Abs. 1 ZPO) gegeben ist, in tatsächlicher Hinsicht widersprechende Begründungen gegeben werden, wenn das Verhältnis dieser Begründungen zueinander klargestellt ist, sie also nicht als ein einheitliches Vorbringen geltend gemacht werden (BGH, Beschluss vom 16. April 2015 - IX ZR 195/14, NJW-RR 2015, 829 Rn. 16 mwN). Danach handelt es sich bei dem Vorbringen, nicht die gesamte Familie, sondern nur er und der Kläger hätten eine Treuhandabrede getroffen, jedenfalls um in ein Eventualverhältnis gestellte zulässige Behauptung des Beklagten.

13

3. Der übergangene Vortrag ist entscheidungserheblich, da der Beklagte bei einem bestehenden Treuhandvertrag von der ihm durch den Kläger erteilten, notariell beurkundeten Vollmacht vom 8. Dezember 1983 Gebrauch machen konnte.

14

a) Soweit das Berufungsgericht meint, ein Treuhandverhältnis sei jedenfalls nichtig, weil es an der hierfür erforderlichen notariellen Beurkundung (§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB) fehle und auch die anschließende Eintragung des Klägers als Eigentümer nicht zu einer Heilung gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geführt habe, steht dies in Widerspruch zur Rechtsprechung des Senats.

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aa) Im Ergebnis zutreffend nimmt das Berufungsgericht zwar noch an, dass der Treuhandvertrag einer notariellen Beurkundung bedurft hätte. Dies ergibt sich daraus, dass der Kläger nach dem Inhalt des behaupteten Treuhandvertrages von Dritten Grundstücke erwerben sollte. Die Begründung einer Erwerbsverpflichtung des Treuhänders ist nach § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB formbedürftig (Senat, Urteil vom 7. Oktober 1994 - V ZR 102/93, BGHZ 127, 168, 171 mwN). Anders liegt dies in Bezug auf die Pflicht des Treuhänders, die Grundstücke auf den Auftraggeber zu übertragen. Diese Verpflichtung ergibt sich nicht erst aus der hierauf gerichteten vertraglichen Abrede, sondern folgt schon aus § 667 BGB, wonach der Auftragnehmer das aus der Geschäftsbesorgung Erlangte an den Auftraggeber herauszugeben hat (vgl. Senat, Urteil vom 7. Oktober 1994 - V ZR 102/93, BGHZ 127, 168, 170; Urteil vom 5. November 1982 - V ZR 228/80, BGHZ 85, 245, 248 f.).

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bb) Der bezüglich der Erwerbsverpflichtung des Klägers gegebene Formmangel des Treuhandvertrages ist durch den formwirksamen Abschluss der in der Folgezeit geschlossenen Kaufverträge zwischen dem Kläger und den Dritten nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt worden. Es entspricht der Rechtsprechung des Senats, dass eine formunwirksame Kauf- oder Verkaufsverpflichtung nicht nur durch Auflassung und Eintragung, sondern auch dadurch geheilt werden kann, dass die Parteien einen formwirksamen Vertrag mit entsprechender Kauf- oder Verkaufsverpflichtung schließen (Senat, Urteil vom 13. Juli 2012 - V ZR 176/11, WM 2013, 854 Rn. 10; Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 178/03, BGHZ 160, 368, 373). Handelt es sich um ein Geschäft mit einem Dritten, führt dies zur Heilung, wenn ein Erfüllungszusammenhang besteht (Senat, Urteil vom 8. Oktober 2004 - V ZR 178/03, BGHZ 160, 368, 376). Dieser ist hier entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gegeben. Der Erwerb der Grundstücke durch den Kläger erfolgte nach dem Vortrag des Beklagten gerade in Erfüllung der entsprechenden Erwerbsverpflichtung des Klägers aus dem Treuhandvertrag. Sollte es an dem formwirksamen Abschluss des Kaufvertrages mit Dritten fehlen, wäre der formunwirksame Treuhandvertrag jedenfalls mit den Auflassungen und den Eintragungen des Klägers als Eigentümer in das Grundbuch geheilt worden.

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b) Nicht haltbar ist ferner die Ansicht des Berufungsgerichts, eine wirksame Übertragung des Eigentums scheide auch deshalb aus, weil die dem Beklagten erteilte Generalvollmacht vom 8. Dezember 1983, wenn sie - wie vom Beklagten behauptet - aufgrund einer Treuhandvereinbarung erteilt worden sein sollte, bereits mit dem Übertragungsvertrag vom 25. Juli 2014 erloschen sei. Diese tatrichterliche Würdigung entbehrt einer Grundlage und ist denkgesetzwidrig. In Nr. I. 8 des Übertragungsvertrages vom 25. Juli 2014 ist zwar die Erklärung des Beklagten enthalten, „dass mit der heutigen Übertragung auch dieses, von ihm aufgekündigte Treuhandverhältnis erledigt werden soll“. Daraus ergibt sich aber in eindeutiger Weise, dass das Treuhandverhältnis erst mit dem Vollzug der in dem notariellen Vertrag enthaltenen Erklärungen beendet werden soll. Für die Annahme, die Erklärungen des Beklagten vor dem Notar hätten wegen der Beendigung des Treuhandvertrages und des damit verbundenen Erlöschens der Vollmacht (§ 168 Satz 1 BGB) nicht mehr wirksam für den Kläger abgegeben werden können, ist daher kein Raum.

18

4. Der Rechtsstreit ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die zu den entscheidungserheblichen Streitpunkten erforderlichen Feststellungen getroffen werden können.

Stresemann     

        

Schmidt-Räntsch     

        

Kazele

        

Haberkamp     

        

Hamdorf