Entscheidungsdatum: 26.04.2012
Dem Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, §§ 233, 236 Abs. 2 Satz 2 ZPO.
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. Juni 2011 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 2.411,16 € (§ 41 GKG).
I.
Aufgrund eines Vertrages aus dem Jahre 1984 mit der D. nutzt der Beklagte ein Gebäude als Atelier und als Wohnung sowie das umliegende Gelände, darunter das Flurstück 667, als "Gartenausstellungsgelände". Im Mietvertrag wird das Objekt als "Gebäude … 128 m²" beschrieben. Im Jahre 1987 kam es einvernehmlich zu einer Erweiterung der genutzten Außenfläche. Ende 1991 kündigte die D. das Mietverhältnis, unterlag mit ihrer Räumungsklage aber vor dem AG Ratingen, das den Vertrag als Wohnungsmietvertrag wertete.
2004 erwarb eine GmbH das Eigentum an dem Flurstück 667. Sie kündigte das ihrer Auffassung nach hinsichtlich des Grundstücks bestehende Leihverhältnis; dem Räumungsbegehren kam der Beklagte nicht nach.
2007 verkaufte die GmbH das Flurstück 667 an die klagende Stadt, welche sich auf die Kündigung durch die GmbH bezog und Räumung und Herausgabe verlangte. Mit Schreiben vom 26. März 2008 kündigte sie auch selbst noch einmal außerordentlich ein eventuell bestehendes Leihverhältnis und ordentlich einen eventuell bestehenden Mietvertrag u. a. unter Berufung auf den Kündigungsgrund einer angemessenen wirtschaftlichen Verwertung.
Am 16. Dezember 2008 wurde die Klägerin als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
In dem sich anschließenden Räumungs- und Herausgabeprozess ist es vor allem um die Frage gegangen, ob über Haus und Gelände ein einheitliches Mietverhältnis besteht oder ob nur das Gebäude gemietet wurde und das Grundstück leihweise genutzt wird.
Das Landgericht ist von einem einheitlichen Mietvertrag ausgegangen, den die Klägerin wirksam gekündigt habe. Anzuwenden seien die Vorschriften über die Wohnraummiete. Als Kündigungsgrund hat es § 573 Abs. 1 Satz 1 BGB angenommen; ein berechtigtes Interesse sei im Hinblick auf den öffentlichen Bedarf an der Fläche zu bejahen. Es hat auf Räumung und Herausgabe erkannt.
Das Oberlandesgericht hat nur die Herausgabeverurteilung bestätigt, ist dabei aber nicht von einem einheitlichen Mietvertrag ausgegangen, sondern davon, dass nur das Gebäude vermietet, das Gelände hingegen leihweise genutzt worden sei.
Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich der Beklagte mit der Beschwerde.
II.
Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weil das Berufungsgericht den Anspruch des Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat, § 544 Abs. 7 ZPO.
1. Der Beklagte hat erstinstanzlich unter Bezugnahme auf das Zeugnis des damals zuständigen Sachbearbeiters der D. (J. ) vorgetragen, dass nach den Absprachen mit der D. nicht nur das Gebäude, sondern auch die umliegenden Flächen von dem Mietvertrag erfasst werden sollten. Das Gelände sei nämlich ziemlich heruntergekommen und verwildert gewesen, und dem Beklagten sei es daher zu dem Zweck überlassen worden, es zu kultivieren und zu verschönern.
Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht, wie der Beklagte zu Recht rügt, übergangen. Es durfte den Vortrag nicht deswegen unbeachtet lassen, weil ihn der Beklagte in der zweiten Instanz nicht ausdrücklich wiederholt hat. Denn das Landgericht war seiner Auffassung, dass es sich um einen einheitlichen Mietvertrag über Haus und Garten handele, gefolgt. Das Berufungsgericht hätte daher einen Hinweis erteilen müssen, dass es in diesem Punkt anderer Ansicht sei, und dem Beklagten Gelegenheit geben müssen, Vortrag und Beweisantrag hierzu zu wiederholen (vgl. BGH, Urteil vom 4. Oktober 2004 - II ZR 356/02, NJW-RR 2005, 39, 40).
Der Vortrag war auch nicht deswegen unerheblich, weil sich aus dem Mietvertrag klar ergeben hätte, dass nur das Gebäude Gegenstand des Vertrages war. Zwar heißt es dort und darauf stellt das Berufungsgericht entscheidend ab , dass das "Gebäude Am O. 3, R. " in einer Größe von "128 m²" vermietet werde. Der Vertrag enthält indes eine Reihe von Hinweisen, die es erlauben, den Vertrag auch dahin auszulegen, dass eine Fläche mit vermietet werden sollte, so etwa die Gestattung, das Gelände durch einen Zaun einzufrieden, ferner die Verpflichtung des Beklagten, "die Grenzen der Mietsache sichtbar zu halten", sowie die Obliegenheit, die Wasserversorgung auf eigene Kosten durchzuführen, was die Benutzung von auf dem Gelände befindlichen Sickergruben erforderlich machte.
Das Berufungsgericht geht auch selbst davon aus, dass der Beklagte das umliegende Gelände nutzen durfte, nimmt als Rechtsgrundlage insoweit aber einen Leihvertrag an. Das ist möglich, findet im Vertragstext aber keine Erwähnung und liegt daher nicht näher als die Annahme, das Gelände sei mitvermietet.
2. Vor diesem Hintergrund gewinnt der ebenfalls unter Beweis (Zeugen S. , J. und Dö. ) gestellte Vortrag des Beklagten in 1. Instanz indizielle Bedeutung, dass das schon von der D. umzäunte Gelände eine Einheit dargestellt habe, das nach einer vorgelegten Zeichnung die nunmehrigen Flurstücke 703 und 667, also gerade auch den hier streitigen Grundstücksteil umfasst habe. Dieses Gelände habe der Beklagte zum Zwecke der Verschönerung und zur Behebung eingetretener Missstände nutzen sollen. Auch diesen Vortrag hat das Berufungsgericht übergangen.
3. Der übergangene Vortrag ist entscheidungserheblich.
Ist von einem Mietvertrag über Gebäude und umliegende Flächen auszugehen, so konnte die Klägerin die Kündigung im März 2008 noch nicht aussprechen, weil der Eintritt in den Mietvertrag erst mit dem Eigentumserwerb erfolgt, § 566 BGB. Eigentümerin wurde sie erst im Dezember 2008.
Zum anderen ist nur das Flurstück 667 an die Klägerin veräußert worden; das Flurstück, auf dem das Gebäude steht, gehört entweder noch der D. oder ist an einen Dritten veräußert worden. Eine gesonderte Kündigung nur das Flurstück 667 betreffend wäre bei einem einheitlichen Mietvertrag nicht möglich gewesen. D. /Dritter und Klägerin hätten das Mietverhältnis nur insgesamt und damit nur gemeinsam, als Bruchteilsgemeinschafter (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 2005 - VIII ZR 399/03, NJW 2005, 3781), kündigen können. Daran fehlt es.
Krüger Stresemann Roth
Brückner Weinland