Entscheidungsdatum: 01.07.2010
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger wird das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 10. Dezember 2009 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 45.167 €.
I.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29. Juli 1999 erwarb die Beklagte von den Klägern mehrere Grundstücke "zur Vermeidung einer Enteignung bzw. Besitzeinweisung". An demselben Tag schlossen die Parteien einen städtebaulichen Vertrag, in welchem die Beklagte den Klägern gegen Zahlung von 800.000 DM für die Herstellung neuer Verkehrswege die Ausweisung neuer Baurechte in einem Gewerbegebiet zusagte.
Die auf Rückauflassung der verkauften Grundstücke gerichtete Klage ist in erster Instanz abgewiesen worden. In der Berufungsinstanz haben die Kläger u.a. geltend gemacht, der städtebauliche Vertrag sei nichtig, deshalb sei auch der Kaufvertrag nichtig, weil beide Verträge ein einheitliches Rechtsgeschäft bildeten. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Beschwerde wollen die Kläger die Zulassung der Revision gegen das Berufungsurteil erreichen, damit sie ihren Klageantrag weiterverfolgen können.
II.
Soweit für das Beschwerdeverfahren von Interesse, meint das Berufungsgericht, der städtebauliche Vertrag sei nichtig; das habe jedoch nicht die Nichtigkeit des Grundstückskaufvertrags zur Folge, weil beide Verträge keine rechtliche Einheit bildeten, die Kläger jedenfalls das Gegenteil nicht beweisen könnten. Von der Vernehmung der Zeugin B. müsse abgesehen werden, weil sie laut ärztlichem Attest aus gesundheitlichen Gründen auf unabsehbare Zeit nicht vor Gericht erscheinen könne. Der Prozessbevollmächtigte der Kläger sei dazu, dass die beiden Verträge miteinander hätten stehen und fallen sollen, nicht zu vernehmen, weil es sich bei dem diesbezüglichen Vortrag der Kläger nicht um eine Tatsachen-, sondern um eine Rechtsbehauptung handele.
III.
Das Berufungsurteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Kläger auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
1. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (BVerfG NJW 2003, 1655). Das ist zwar nicht in Bezug auf den von den Klägern angebotenen Beweis durch Vernehmung ihres Prozessbevollmächtigen, wohl aber hinsichtlich des auf die Vernehmung der Zeugin B. gerichteten Beweisangebots der Fall.
a) Das Berufungsgericht hat den in das Wissen ihres Prozessbevollmächtigten gestellten Vortrag der Kläger zu dem Willen der Beklagten, die innere und äußere Erschließung des Gewerbegebiets zu verbessern und deshalb den Grundstückskaufvertrag sowie den städtebaulichen Vertrag abzuschließen, im Tatbestand seiner Entscheidung als unstreitig dargestellt, indem es den entsprechenden Inhalt der Verträge wiedergegeben hat. Ebenfalls als unstreitig hat es den weiteren Vortrag angesehen, dass die Beklagte den Abschluss des Kaufvertrags zeitlich vor dem Abschluss des städtebaulichen Vertrags verlangt habe und die gesamten Modalitäten zunächst in einer Vertragsurkunde hätten vereinbart werden sollen (BU 12 Abs. 4). Insoweit bedurfte es somit keiner Beweisaufnahme. Übrig bleibt deshalb der Vortrag der Kläger, beide Verträge müssten miteinander stehen und fallen. Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine dem Zeugenbeweis (Prozessbevollmächtigter der Kläger) zugängliche Tatsachenbehauptung, sondern um die von den Klägern aus den vorgetragenen Tatsachen gezogene rechtliche Schlussfolgerung.
b) Von der Vernehmung der Zeugin B. durfte das Berufungsgericht jedoch nicht absehen. Es hat die in ihr Wissen gestellte Behauptung der Kläger, der eine Vertrag wäre ohne den anderen nicht geschlossen worden, für erheblich gehalten und die Zeugin zu dem auf den 12. November 2009 anberaumten Termin zur mündlichen Verhandlung geladen. Die Vernehmung ist nur deshalb unterblieben, weil das Berufungsgericht die Zeugin aufgrund des ärztlichen Attestes vom 7. Oktober 2009 als unerreichbar angesehen hat. Diese Annahme ist rechtsfehlerhaft. Denn die Voraussetzungen dafür, einen Beweisantrag wegen Unerreichbarkeit des Zeugen abzulehnen (siehe dazu BGHZ 168, 79, 85), sind nicht schon dann gegeben, wenn aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen endgültig von dem Nichterscheinen des Zeugen vor dem Prozessgericht ausgegangen werden muss. Denn es bleibt die Möglichkeit, den Zeugen außerhalb der Gerichtsstelle im Wege der Bild- und Tonübertragung (§ 128a Abs. 2 ZPO) oder, wenn das nicht möglich ist, nach § 375 Abs. 1 Nr. 2 ZPO durch ein Mitglied des Prozessgerichts zu vernehmen; auch ein Vorgehen nach § 377 Abs. 3 ZPO kommt in Betracht.
c) Das übergangene Beweisangebot ist entscheidungserheblich. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Zeugin entweder nach der einen oder der anderen prozessualen Möglichkeit hätte vernommen werden können, die Behauptung der Kläger bestätigt hätte und diese Aussage das Berufungsgericht zu einer anderen Beurteilung der Frage veranlasst hätte, ob der Grundstückskaufvertrag und der städtebauliche Vertrag eine rechtliche Einheit bilden.
2. Soweit die Kläger den Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auch deshalb geltend machen, weil die unterbliebene Vernehmung der Zeugin B. auf dem unzutreffenden Rechtssatz beruhe, dass die Ablehnung eines Beweisantrags wegen Unerreichbarkeit eines Zeugen auch dann gerechtfertigt sei, wenn das Gericht keine Bemühungen zur Beibringung des Zeugen - auch nicht unter Anwendung von Zwangsmitteln - entfaltet habe, hat die Beschwerde keinen Erfolg. Angesichts des Inhalts des von der Zeugin vorgelegten ärztlichen Attestes bestand für das Berufungsgericht keine Veranlassung, weitere Bemühungen zur Beibringung der Zeugin, also sie zum Erscheinen vor Gericht zu verpflichten, zu entfalten.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub