Entscheidungsdatum: 27.04.2012
1. Teilt ein Wohnungseigentümer sein Wohnungseigentum ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer nachträglich auf und veräußert die neu geschaffenen Einheiten an verschiedene Dritte, entstehen bei Geltung des Kopfstimmrechts keine weiteren Stimmrechte (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 24. November 1978, V ZB 2/78, BGHZ 73, 150 ff.).
2. Die Zustimmung des Verwalters zu einer solchen Teilveräußerung aufgrund eines in der Teilungserklärung enthaltenen Zustimmungserfordernisses führt nicht zu einer Vermehrung der Stimmrechte.
Die Revision gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg vom 23. August 2011 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft, zu deren Wohnanlage ein Vorder- und ein Hinterhaus gehören. Nach der Teilungserklärung aus dem Jahr 1982 besteht das Vorderhaus aus elf Einheiten, während das gesamte Hinterhaus die Einheit Nr. 12 bildet. Das Stimmrecht ist nicht geregelt. Die Veräußerung von Wohnungseigentum steht unter dem Vorbehalt der Zustimmung des Verwalters.
Im Jahr 2009 teilte die Klägerin die in ihrem Eigentum stehende Einheit Nr. 12 ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer in neun selbständige Einheiten auf und veräußerte anschließend das neu geschaffene Wohnungseigentum Nr. 12 mit Zustimmung des Verwalters. In der Eigentümerversammlung beschlossen die Wohnungseigentümer, dass dem Erwerber der neuen Einheit Nr. 12 ein eigenes Stimmrecht nicht zustehe. Die Klägerin sieht die Veräußerung der übrigen von ihr geschaffenen Wohneinheiten gefährdet und will feststellen lassen, dass dem Erwerber der Einheit Nr. 12 ebenso wie den künftigen Erwerbern der weiteren Einheiten ein eigenes Stimmrecht zusteht.
Die Klage ist in den Tatsacheninstanzen erfolglos gewesen. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, verfolgt die Klägerin ihre zuletzt gestellten Anträge weiter.
I.
Das Berufungsgericht meint, die Veräußerung einer ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer neu geschaffenen Wohneinheit führe bei dem geltenden Kopfstimmrecht nicht zu einer Vermehrung der Stimmrechte. Dies müssten die bisherigen Wohnungseigentümer ohne eine entsprechende Vereinbarung nicht hinnehmen. Die Erwerber der Einheiten in dem Vorderhaus hätten mit einer Minderung ihres Stimmgewichts durch eine spätere Aufteilung des Hinterhauses nicht rechnen müssen, insbesondere deshalb nicht, weil auch an drei Garagen gesondertes Teileigentum geschaffen worden sei. Erwerber neu geschaffener Einheiten seien nicht schutzwürdig, weil sie die Teilungserklärung einsehen könnten. Ob die Erwerber das Stimmrecht zu einem Bruchteil ausüben könnten, sei nicht zu entscheiden, weil der gestellte Antrag eine auf diese Feststellung gerichtete Auslegung nicht erlaube.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Zutreffend geht das Berufungsgericht von der Zulässigkeit der Klage aus. Insbesondere besteht das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Es ist unerheblich, dass die Klägerin die neu geschaffene Einheit Nr. 12 bereits veräußert hat, weil sie nach wie vor Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft ist und aus diesem Grund ein anerkennenswertes Interesse daran hat, die Stimmrechtsverhältnisse in der Gemeinschaft verbindlich klären zu lassen.
2. Die Klage ist unbegründet, soweit die Klägerin feststellen lassen will, dass den Erwerbern der neu geschaffenen Einheiten jeweils ein eigenes Stimmrecht zusteht. Eine solche Stimmrechtsvermehrung tritt nicht ein, obwohl in der Gemeinschaft gemäß § 25 Abs. 2 Satz 1 WEG das Kopfprinzip gilt, bei dem jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat.
a) Der Senat hat bereits entschieden, dass die nachträgliche Aufteilung und Veräußerung eines Wohnungseigentumsrechts ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer unter der Geltung des Kopf- oder des Objektstimmrechts nicht zu einer Vermehrung der Stimmrechte führt (Beschluss vom 24. November 1978 - V ZB 2/78, BGHZ 73, 150, 155; für das Objektstimmrecht Beschluss vom 7. Oktober 2004 - V ZB 22/04, BGHZ 160, 354, 366 f.). Zwar bedarf die spätere Aufteilung nicht der Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer (Senat, Beschluss vom 17. Januar 1968 - V ZB 9/67, BGHZ 49, 250 ff.). Auch die anschließende Veräußerung einer neu geschaffenen Einheit ist - vorbehaltlich einer Vereinbarung gemäß § 12 WEG - zustimmungsfrei (Beschlüsse vom 24. November 1978 und vom 7. Oktober 2004, aaO). Diese Befugnisse des teilenden Wohnungseigentümers setzen aber voraus, dass der Status der übrigen Wohnungseigentümer gewahrt wird. Der Senat hat dies nur dann als gewährleistet angesehen, wenn die ursprüngliche Stimmenzahl keine Änderung erfährt (Beschlüsse vom 24. November 1978 und vom 7. Oktober 2004, aaO). Das bestehende Stimmrecht ist wegen der Selbständigkeit der neu geschaffenen Einheiten von deren Erwerbern nach Bruchteilen und nicht analog § 25 Abs. 2 Satz 2 WEG zur gesamten Hand auszuüben; diese für das Objektstimmrecht bereits entschiedene Rechtsfolge (Beschluss vom 7. Oktober 2004, aaO, S. 367) gilt in gleicher Weise für das Kopfstimmrecht, wenn die neu geschaffenen Einheiten an unterschiedliche Erwerber veräußert werden (offen gelassen in dem Beschluss vom 24. November 1978, aaO, S. 155).
Die Ablehnung der Vermehrung von Stimmrechten durch eine solche Teilveräußerung ist überwiegend auf Zustimmung (OLG Köln, OLGR 1992, 221 f.; OLG Stuttgart, NZM 2005, 312; LG München I, ZWE 2009, 456 ff.; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 25 Rn. 39; Elzer in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 25 Rn. 39; MünchKomm-BGB/Engelhardt, 5. Aufl., § 25 WEG Rn. 4; Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl., § 25 WEG Rn. 6; Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, § 25 Rn. 8; Wedemeyer, NZM 2000, 638, 639 ff.), teilweise aber auch auf Ablehnung gestoßen (KG, NZM 2000, 671 f.; ohne nähere Begründung OLG Düsseldorf, NZM 2004, 234 f.; Riecke in Riecke/Schmidt, WEG, 3. Aufl., § 25 Rn. 59; Staudinger/Bub, BGB [2005], § 25 WEG Rn. 155 f.; Timme/Steinmeyer, WEG, § 25 Rn. 27; Weitnauer/Lüke, WEG, 9. Aufl., § 25 Rn. 13; Briesemeister, NZM 2000, 992 ff.). Der Senat hält an seiner Rechtsauffassung fest. Die gegen sie erhobenen Einwände erweisen sich als nicht stichhaltig.
b) Richtig ist, dass bei der Geltung des Kopfstimmrechts eine nachträgliche Vermehrung von Stimmrechten eintreten kann, wenn ein Eigentümer mehrere Einheiten hält und diese sukzessive veräußert (vgl. OLG München, NZM 2007, 45 f.). Auf die spätere Schaffung neuer Einheiten ohne Mitwirkung der übrigen Eigentümer ist dies indes nicht übertragbar (so aber KG, aaO, S. 672; Riecke in Riecke/Schmidt, aaO; Timme/Steinmeyer, aaO). Inwieweit die übrigen Wohnungseigentümer als schutzbedürftig anzusehen sind, hängt maßgeblich davon ab, ob die Vermehrung der Stimmrechte in der Teilungserklärung angelegt und damit vorhersehbar ist oder nicht. Hält ein Eigentümer mehrere Einheiten, ist jederzeit damit zu rechnen, dass aufgrund des Kopfstimmrechts bei einer Veräußerung an Dritte neue Stimmrechte entstehen. Daran fehlt es, wenn - wie hier - eine Einheit nachträglich ohne Mitwirkung der übrigen Wohnungseigentümer aufgeteilt und die neu geschaffenen Einheiten veräußert werden. Ebenso wenig kann die Schutzbedürftigkeit der Erwerber solcher Einheiten über die der bisherigen Wohnungseigentümer gestellt werden (so aber KG, aaO; Briesemeister, aaO). Erstere können sich vor dem Erwerb durch Einsicht in die Teilungserklärung informieren. Zudem ist es Aufgabe des teilenden Eigentümers, seine Vertragspartner vor der Veräußerung über das nur zu einem Bruchteil bestehende Stimmrecht aufzuklären. Es wirkt sich nicht zu Lasten der übrigen Wohnungseigentümer aus, wenn er seinen kaufvertraglichen Pflichten nicht nachkommt.
c) Entgegen der Auffassung der Revision führt auch die Zustimmung des Verwalters zu der Veräußerung der neu geschaffenen Einheit Nr. 12 nicht zu der Entstehung eines weiteren vollen Stimmrechts. Das in der Teilungserklärung vorgesehene Zustimmungserfordernis bezieht sich seiner Zweckrichtung nach nicht auf das Stimmrecht. Ein Zustimmungsvorbehalt gemäß § 12 WEG soll es den Wohnungseigentümern nur ermöglichen, das Eindringen störender oder zahlungsunfähiger Personen in die Gemeinschaft zu verhindern (Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 12 Rn. 1 mwN). Der erforderliche wichtige Grund für eine Versagung besteht nur, wenn der Erwerbsinteressent im Hinblick auf seine Person oder seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit für die Wohnungseigentümergemeinschaft unzumutbar ist (Klein, aaO, § 12 Rn. 38). Liegen diese Voraussetzungen - wie hier - nicht vor, muss die Zustimmung erteilt werden. Die Stimmrechtsverhältnisse in der Gemeinschaft werden davon nicht berührt. Eine nachträgliche Vermehrung der Stimmrechte kann weder durch eine Zustimmung des Verwalters noch durch einen Mehrheitsbeschluss, sondern nur durch eine entsprechende Vereinbarung der Wohnungseigentümer erreicht werden.
3. Soweit die Klägerin erstmals in der Revisionsinstanz geltend macht, ihr Antrag sei auch darauf gerichtet gewesen, die Entstehung eines Bruchteilstimmrechts oder eines gemeinschaftlich auszuübenden Stimmrechts festzustellen, verhilft dies der Revision nicht zu einem Teilerfolg. Die Klägerin hat lediglich die Feststellung eines eigenen Stimmrechts für die Erwerber der neu geschaffenen Einheiten erreichen wollen. Das Berufungsgericht hat die nunmehr begehrte Feststellung ohne Rechtsfehler nicht als „Minus“ von diesem Antrag umfasst angesehen (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Nicht die Art und Weise der Aufteilung des bereits bestehenden Stimmrechts, sondern die Entstehung neuer eigener Stimmrechte war Ziel des Feststellungsantrags. Zudem verweisen die Beklagten zu Recht darauf, dass die Aufteilung des Stimmrechts in den Tatsacheninstanzen im Grundsatz nicht im Streit war. Dies hat zur Folge, dass die Entstehung eines Stimmrechts nach Bruchteilen von der Rechtskraft der Klageabweisung nicht erfasst wird; Rechtsnachteile entstehen der Klägerin aus der Auslegung ihres Antrags daher nicht.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Stresemann Roth
Brückner Weinland