Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 07.12.2012


BGH 07.12.2012 - V ZR 180/11

Grundbuchberichtigungsanspruch bei irrtümlicher Eintragung von Volkseigentum; Enteignungsbegriff


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
07.12.2012
Aktenzeichen:
V ZR 180/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend KG Berlin, 7. Juli 2011, Az: 28 U 10/10, Urteilvorgehend LG Berlin, 10. Februar 2010, Az: 84 O 56/09, Urteil
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Eine Enteignung im Sinne von § 1 VermG liegt nicht vor, wenn ein Privatgrundstück versehentlich als Volkseigentum gebucht wird und die zuständige staatliche Stelle diese Buchung in der irrigen Annahme hinnimmt, das Grundstück sei bereits auf anderer Grundlage enteignet worden. Der Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB wird dann nicht durch das Vermögensgesetz ausgeschlossen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 28. Zivilsenats des Kammergerichts vom 7. Juli 2011 aufgehoben.

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 10. Februar 2010 wird zurück-gewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der Kläger ist 1817 als Verein kraft Verleihung entstanden und erhielt 1824 ein Grundstück in Berlin im Bereich Unter den Linden zur Errichtung eines Veranstaltungs- und Konzerthauses, das er auch errichtete und als solches betrieb. Nach dem zweiten Weltkrieg führte der Kläger seine Tätigkeit fort, allerdings nicht in dem während des Krieges schwer beschädigten Gebäude. Dieses wurde nach Kriegsende von der sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) in Besitz genommen und wiederhergestellt. Pläne der Besatzungsmacht, das Anwesen (fortan: die Akademiegrundstücke) zu kaufen, zerschlugen sich. Das Gebäude wurde zunächst für das Theater des "Hauses der Kultur der Sowjetunion" genutzt. Dieses Theater ging 1950 in die Verwaltung der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft über. Es wurde 1952 als Maxim-Gorki-Theater selbständig und in dem Gebäude untergebracht, das ihm noch heute als Spielstätte dient.

2

Am 17. November 1961 wurde das Grundbuch auf Grund eines im Vorgriff auf eine Gemeinsame Anweisung des Ministers der Finanzen und des Ministers des Innern der DDR vom 11. Oktober 1961 am 4. September 1961 gestellten Ersuchens berichtigt. Die Akademiegrundstücke wurden als Eigentum des Volkes gebucht. 1963 wurde im Ostteil von Berlin eine Berliner Singakademie gegründet, was die Zeitung "Die Welt" veranlasste, die Frage nach der legitimen Nachfolge der Sing-Akademie zu Berlin und die weitere Frage danach aufzuwerfen, wem die Akademiegrundstücke gehörten. Dieser Bericht wiederum veranlasste das Kultusministerium der DDR, den Magistrat von Berlin (Ost) um Prüfung zu bitten, ob die Sing-Akademie zu Berlin noch Eigentümerin der Akademiegrundstücke sei und Miete verlangen könne. Der zuständige Sachbearbeiter der Verwaltung des Stadtbezirks Berlin Mitte hielt in einem Vermerk fest, die Eintragung sei seines Erachtens im Ergebnis zu Recht erfolgt. Es sei zwar fraglich, ob es sich bei den Akademiegrundstücken um ehemaliges Reichsvermögen handele. Der Kläger habe sein Vermögen aber als verbotene und aufgelöste Vereinigung verloren. Der Magistrat teilte dem Kultusministerium als Ergebnis der erbetenen Prüfung mit, die Grundstücke stünden im Eigentum des Volkes.

3

Als solche wurden sie nach der Wiedervereinigung dem beklagten Land zugeordnet. Die von dem Kläger im Jahre 1990 beantragte Restitution der Grundstücke wurde mit Bescheid des zuständigen Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen vom 19. November 1996 abgelehnt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Bescheid des Landesamts zur Regelung offener Vermögensfragen vom 18. Juni 1999 zurück-, die Klage gegen den Bescheid mit Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Dezember 2004 abgewiesen. Auf die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ließ das Bundesverwaltungsgericht nach längeren, letztlich gescheiterten Vergleichsverhandlungen mit Beschluss vom 5. April 2011 die Revision zu und setzte das Verfahren durch einen weiteren Beschluss vom 10. Oktober 2011 mit Rücksicht auf den vorliegenden Rechtsstreit aus.

4

Der Klage auf Zustimmung des Beklagten zur Eintragung des Klägers als Eigentümer der Akademiegrundstücke hat das Landgericht stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten hat sie das Kammergericht abgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision strebt der Kläger die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts an. Der Beklagte beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht hält den Anspruch auf Grundbuchberichtigung für unbegründet. Er werde durch die vorrangigen Vorschriften des Vermögensgesetzes verdrängt, wenn ein Restitutionstatbestand erfüllt oder die Restitution ausgeschlossen sei. So liege es hier. Die Akademiegrundstücke seien im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchstabe a VermG entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überführt worden. Das schließe den Grundbuchberichtigungsanspruch unabhängig davon aus, ob die Restitution begründet sei oder ob diese etwa nach § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG wegen einer besatzungsrechtlichen oder besatzungshoheitlichen Enteignung unterbleibe. Zwar habe nicht allein die Berichtigung der Grundbücher zu einer Enteignung geführt. In der Gesamtschau der Ereignisse liege eine solche Enteignung aber vor. Dafür komme es nicht entscheidend auf die Einschätzung des Verfassers des Vermerks über die Buchung als Eigentum des Volkes an, sondern auf die Einschätzung der verantwortlichen Entscheidungsträger. Diese hätten die Ergebnisse des Vermerks gebilligt und damit dem Kläger im Ergebnis das Eigentum entzogen.

II.

6

Die Revision ist begründet.

7

1. Der Kläger kann nach § 894 BGB von dem Beklagten die Zustimmung zu der Berichtigung der Grundbücher in der Weise verlangen, dass er statt des Beklagten als Eigentümer der Akademiegrundstücke eingetragen wird. Die Vorschrift des § 894 BGB ist im vorliegenden Fall anwendbar; sie wird nicht durch die Vorschriften des Vermögensgesetzes verdrängt (unten 2.). Die Voraussetzungen des § 894 BGB liegen vor; die Grundbücher für die genannten Grundstücke sind unrichtig (unten 3.).

8

2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht das Vermögensgesetz der Anwendung von § 894 BGB im vorliegenden Fall nicht entgegen, weil sein Anwendungsbereich nicht eröffnet ist.

9

a) Noch zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass zivilrechtliche Ansprüche durch das Vermögensgesetz ausgeschlossen werden, soweit sie ihre Grundlage in dem von dem Vermögensgesetz tatbestandlich erfassten Unrecht haben oder auf Umständen beruhen, die mit diesem Unrecht in einem engen inneren Zusammenhang stehen. Das Vermögensgesetz regelt abschließend, ob und in welchem Umfang solches Unrecht wiedergutgemacht wird und dazu eine Restitution von Vermögenswerten erfolgt. Mit diesen Regelungen wäre die Anwendung der allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften nicht vereinbar, weil diese anderen Grundsätzen folgen und ihre Anwendung geeignet wäre, die Vorschriften des Vermögensgesetzes zu unterlaufen (Senat, Urteile vom 3. April 1992 - V ZR 83/91, BGHZ 118, 34, 36 f., 39 und vom 7. Juli 1995 - V ZR 243/94, BGHZ 130, 231, 235 sowie Beschluss vom 9. November 1995 - V ZB 27/94, BGHZ 131, 169, 174). Der Vorrang des Vermögensgesetzes hängt nicht davon ab, ob es zu einer Restitution kommt oder ob diese nach § 1 Abs. 8, § 4 oder § 5 VermG unterbleibt. Ausgeschlossen wird im Anwendungsbereich des Vermögensgesetzes auch der Anspruch auf Grundbuchberichtigung nach § 894 BGB (Senat, Urteil vom 16. April 1993 - V ZR 87/92, BGHZ 122, 204, 207).

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b) Zu Unrecht nimmt das Berufungsgericht aber an, dass die Buchung der Akademiegrundstücke als Eigentum des Volkes und das weitere Vorgehen der staatlichen Stellen im Zusammenhang mit dieser Umschreibung ein von dem Vermögensgesetz erfasstes staatliches Unrecht darstellen. Das setzte voraus, dass es sich dabei um eine Überführung in Volkseigentum auf Grund einer entschädigungslosen Enteignung im Sinne von § 1 Abs. 1 Buchstabe a VermG oder um eine Enteignung auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage im Sinne von § 1 Abs. 8 Buchstabe a VermG handelt. Beides ist nicht der Fall; der Vorgang stellt keine Enteignung dar.

11

aa) Eine Enteignung im Sinne der genannten Vorschriften liegt allerdings nicht nur vor, wenn das Eigentum an einem Grundstück durch einen förmlichen, ordnungsgemäß zugestellten Bescheid der zuständigen staatlichen Stelle entzogen wird. Es genügt vielmehr, wenn der frühere Eigentümer durch eine hierauf gerichtete staatliche Maßnahme vollständig und endgültig aus seinem Eigentum verdrängt worden ist (BVerwG, VIZ 1997, 220 und BVerwGE 104, 84, 87). Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Maßnahme wirksam oder unwirksam gewesen ist (Senat, Urteil vom 16. Oktober 1998 - V ZR 65/97, VIZ 1999, 44, 45; BVerwG, VIZ 1997, 220; 1998, 212) oder ob sie von den seinerzeit geltenden Vorschriften gedeckt war (BVerwG, VIZ 1997, 220 und BVerwGE 112, 106, 108). Eine Enteignung kann deshalb auch vorliegen, wenn ein Grundstück auf Ersuchen einer staatlichen Stelle im Grundbuch als Eigentum des Volkes eingetragen wird. Eine solche Umschreibung stellte zwar für sich genommen noch keine Enteignung dar (Senat, Urteil vom 29. März 1996 - V ZR 326/94, BGHZ 132, 245, 253 f. und Beschluss vom 30. Oktober 1997 - V ZB 8/96, VIZ 1998, 96). Sie kann aber äußerer Ausdruck eines Vorgangs sein, der der Sache nach insgesamt als Enteignung zu bewerten ist (Senat, Beschluss vom 30. Oktober 1997 - V ZB 8/96, VIZ 1998, 96, 97 und Urteil vom 16. Oktober 1998 - V ZR 65/97, VIZ 1999, 44, 45 f.).

12

bb) Nach diesen Maßstäben sind die Grundstücke des Klägers nicht enteignet worden.

13

(1) Die sowjetische Besatzungsmacht hat sie zwar beschlagnahmt und den Kläger von ihrer Nutzung ausgeschlossen. Eine solche Inbesitznahme allein stellt aber noch keine Enteignung dar (Senat, Beschluss vom 30. Oktober 1997 - V ZB 8/96, VIZ 1998, 96). Sie sollte es nach den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts auch nicht sein. Das ergibt sich daraus, dass sich die Besatzungsmacht in der Folge bemüht hat, das Anwesen zu erwerben. Dazu hätte keine Veranlassung bestanden, wenn die Inbesitznahme der Grundstücke äußerer Ausdruck einer (faktischen) Enteignungsmaßnahme gewesen wäre.

14

(2) Eine Enteignung lässt sich auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass die Besatzungsmacht die Verwaltung des Anwesens mit einem Schreiben vom 23. Mai 1950 auf die Regierung der DDR übertrug. Denn der Magistrat von Berlin teilte der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft mit Schreiben vom 13. Dezember 1951 mit, die Überlassung der Grundstücke an diese ändere nichts an den Eigentumsverhältnissen und der treuhänderischen Verwaltungszuständigkeit des Magistrats. Ein solcher Hinweis wäre nicht veranlasst gewesen, wäre das Anwesen zuvor enteignet worden. Denn dann wäre der Magistrat nicht treuhänderischer Verwalter, sondern der zuständige Rechtsträger von Volkseigentum gewesen. Auch wäre nicht zu erklären, weshalb die Grundstücke nicht als Folge einer solchen Enteignung in den Jahren 1950 oder 1951, sondern erst zehn Jahre später, nämlich im November 1961, als Eigentum des Volkes gebucht wurden.

15

(3) Auch die Buchung der Grundstücke des Klägers als Eigentum des Volkes am 17. November 1961 war keine Enteignung. Sie beruhte auf einem Ersuchen vom 4. September 1961, das im Vorgriff auf die - später förmlich erlassene - Gemeinsame Anweisung über die Berichtigung der Grundbücher und Liegenschaftskataster für Grundstücke des ehemaligen Reichs-, Preußen-, Wehrmachts-, Landes-, Kreis- und Gemeindevermögens der Minister der Finanzen und des Innern der DDR vom 11. Oktober 1961 (abgedruckt bei Fieberg/Reichenbach/Messerschmidt/Neuhaus, VermG, Anhang I Nr. 10a) gestellt wurde. Nach Abschnitt A Nr. 1 dieser Anweisung waren die Bücher nur bei im Eigentum der früheren öffentlich-rechtlichen Gebietskörperschaften einschließlich des früheren Wehrmachtsfiskus stehenden Grundstücken zu berichtigen. Diese Grundstücke waren nicht durch Enteignung, sondern dadurch Eigentum des Volkes geworden, dass diese früheren Körperschaften in der DDR aufgegangen waren. Die ersuchende Stelle ging nach dem Text des Ersuchens davon aus, dass der Kläger eine Einrichtung des früheren preußischen Staates war, die Grundstücke daher zum ehemals preußischen Staatsvermögen gehörten und die Grundbücher nach der Anweisung zu berichtigen waren. Die Umschreibung beruhte damit nicht auf einer Enteignung, sondern auf der irrigen Annahme, es handele sich um Staatsvermögen.

16

(4) Die Grundstücke des Klägers sind, anders als das Berufungsgericht meint, auch nicht durch die Vorgänge im Zusammenhang mit einem Vermerk des Hauptreferats "Staatliches Eigentum" der Abteilung Finanzen des Rats des Stadtbezirks Berlin Mitte vom 5. August 1963 (faktisch) enteignet worden.

17

(a) Dieser Vermerk und die Billigung seines Ergebnisses durch den Magistrat von Groß-Berlin und das Kultusministerium der DDR ergeben nach ihrem formalen Inhalt keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger enteignet werden sollte. Darin teilte der Verfasser seine Einschätzung mit, er sei sich sicher, dass die Akademiegrundstücke Eigentum des Volkes seien. Diese seien zwar nicht Vermögen des durch die Alliierten aufgelösten preußischen Staates. Sie seien aber als durch Nr. 1 Buchstabe d des SMAD-Befehls Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 (VOBl. d. Provinz Sachsen 1945 Nr. 4/5/6 S. 10) beschlagnahmtes Vermögen von "Vereinen, Klubs und Vereinigungen, die von dem sowjetischen Militärkommando verboten und aufgelöst worden sind" durch § 1 der Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin vom 30. Dezember 1950 (VOBl. f. Groß-Berlin (Ost) 1951 I S. 21) enteignet und in Volkseigentum überführt worden. Die Enteignung des Klägers war danach längst erfolgt, was eine neuerliche Enteignung im Zusammenhang mit der Erstellung des Vermerks gerade überflüssig machte.

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(b) Nichts anderes ergäbe sich, wenn man mit dem Beklagten annähme, der Verfasser des Vermerks habe gewusst, dass der Kläger nicht zu den Organisationen gehört, welche die Besatzungsmacht verboten hat, und dass seine nachgeschobene Begründung für das Entstehen von Volkseigentum deshalb falsch war.

19

(aa) Anhaltspunkte dafür, dass die von der Verwaltung des Stadtbezirks Berlin Mitte erbetene Prüfung nicht ergebnisoffen, sondern darauf angelegt war, die Akademiegrundstücke in Volkseigentum zu halten, liegen nicht vor. Äußerer Anlass für diese Prüfung war ein Schreiben des Kultusministeriums der DDR vom 2. August 1963. Darin hat das Ministerium weder den Auftrag erteilt, für den Verbleib der Akademiegrundstücke in staatlichem Zugriff zu sorgen, noch die Frage einer Enteignung auch nur angesprochen, sondern lediglich danach gefragt, ob der Kläger noch offiziell Eigentümer der Grundstücke ist und Anspruch auf Miete geltend machen könnte. Etwas anderes lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass in der Einleitung des Schreibens ein vorausgegangenes Telefonat mit dem zuständigen Mitarbeiter des Hauptreferats "Staatliches Eigentum" der Abteilung Finanzen des Rats des Stadtbezirks Berlin Mitte erwähnt wird. Der dort angesprochene Mitarbeiter hat in dem Vorspann zu dem Vermerk über seine Prüfung festgehalten, dass er bei diesem Telefonat um eine schriftliche Anfrage gebeten habe, weil er anhand der vorhandenen Unterlagen keine sichere Auskunft geben könne. Der Anlass der Anfrage des Kultusministeriums an den Magistrat - der Artikel in der Zeitung "Die Welt" - deutet eher darauf hin, dass sich das Kultusministerium zunächst über die Gegebenheiten informieren wollte.

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(bb) Der Vermerk ist seinem Inhalt nach auch nicht darauf angelegt, einer bestimmten inhaltlichen Erwartung an das Ergebnis der Prüfung zu entsprechen. Er kommt nicht zu einer eindeutigen abschließenden Feststellung. Vielmehr formuliert der Verfasser nur die persönliche Einschätzung, er sei sich sicher, dass die Akademiegrundstücke Volkseigentum seien. Mögliche Zweifel an der Richtigkeit der von ihm gefundenen Begründung für das Entstehen von Volkseigentum an diesen Grundstücken legt der Verfasser des Vermerks offen. Der Kläger sei, so heißt es dort, "nach den bisher vorliegenden Feststellungen" als verbotene Organisation anzusehen. "Ob sich die Feststellung des Volkseigentums aufgrund der genannten Bestimmungen … erforderlich mach(e), bleib(e) zu entscheiden". Der Verfasser unterlässt es auch nicht, am Ende des Vermerks festzuhalten, dass der Kläger im Behördenführer durch Berlin aus dem Jahr 1948 als eine der Abteilung Volksbildung des Magistrats von Groß-Berlin angegliederte Einrichtung geführt werde.

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(cc) Diese inhaltliche Offenheit des Vermerks schließt es aus, in ihm und der weiteren Behandlung durch den Magistrat von Groß-Berlin und das Kultusministerium der DDR eine Enteignung zu sehen. Sie führt nämlich dazu, dass die Entscheidung darüber, ob dem Kläger nachträglich das Eigentum entzogen werden soll, gerade nicht (sofort) getroffen, sondern auf einen unbestimmten Zeitpunkt verschoben wird. Die nachgeschobene Begründung - eine Enteignung sei bereits vor mehr als zehn Jahren erfolgt - machte einen Zugriff auf das Grundstück entbehrlich. Die zuständigen Stellen konnten den durch die versehentliche Buchung der Grundstücke als Volkseigentum entstandenen Zustand hinnehmen und sich gegebenenfalls auf die bereits erfolgte Enteignung berufen. Das konnte angesichts der von dem Kultusministerium der DDR in seiner Anfrage formulierten Einschätzung, es sei "eine weitere politische Kampagne von dieser Seite aus [d. h. von Seiten der Zeitung "Die Welt"] zu erwarten", durchaus opportun erscheinen. Die in dem Vermerk offen gelegten Zweifel an der Richtigkeit der Lösung boten zugleich die Möglichkeit, sich bei Bedarf darauf zu berufen, dass die nachgeschobene Begründung ebenfalls auf einem Irrtum beruhte, dass also keine Enteignung stattgefunden hatte. Schließlich konnte die in dem Vermerk zurückgestellte "Entscheidung über die Feststellung von Volkseigentum" später doch noch getroffen werden.

22

(dd) Der Magistrat von Groß-Berlin hat sich bei der Beantwortung der Anfrage des Kultusministeriums dafür entschieden, diesem mitzuteilen, die Akademiegrundstücke stünden in Volkseigentum. Er ist damit der in dem Vermerk aufgezeigten Begründung für das Entstehen von Volkseigentum gefolgt und davon ausgegangen, der Kläger sei bereits enteignet. Das schließt die Annahme aus, es habe entsprechend einer in dem Vermerk aufgezeigten Option über die Feststellung von Volkseigentum entschieden und der Kläger nachträglich enteignet werden sollen.

23

(5) Eine Enteignung lässt sich, anders als der Beklagte meint, auch nicht daraus ableiten, dass für den Kläger angesichts "einer schlüssigen Behördenentscheidung zur Entziehung seines Eigentums" kein Anlass zu der Annahme bestanden habe, die Angelegenheit könne sich noch in der Schwebe befinden. Eine solche Behördenentscheidung gab es gerade nicht. Die Beschlagnahme seiner Grundstücke durch die sowjetische Besatzungsmacht ist ihm bekannt geworden, war für ihn aber nicht im Sinne einer Enteignung "schlüssig". Die Besatzungsmacht hat sich bei ihm um den Ankauf des Anwesens bemüht. Ob er über die Eintragung von Volkseigentum im Grundbuch benachrichtigt worden ist, ist zweifelhaft. Für eine solche Benachrichtigung bestand nämlich kein Anlass, weil sie in der Annahme erfolgte, der bisherige Eigentümer sei eine in der DDR aufgegangene staatliche Einrichtung. Ihr lag jedenfalls keine Behördenentscheidung zugrunde. Die Anfrage des Kultusministeriums der DDR an den Magistrat und ihre Behandlung sind behördeninterne Vorgänge ohne Außenwirkung.

24

(6) Ein anderes staatliches Handeln, das sich als Enteignung werten ließe, ist nicht ersichtlich. Das Vermögensgesetz ist damit nicht anwendbar und steht der Anwendung von § 894 BGB nicht entgegen.

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3. Das Grundbuch ist unrichtig. Eigentümer der Akademiegrundstücke ist nicht der Beklagte, sondern der Kläger.

26

a) Der Beklagte hat das Eigentum an diesen Grundstücken weder nach den Vorschriften der Art. 21 oder 22 EinigV noch nach anderen Vorschriften über die Zuordnung von ehemaligem Volkseigentum erworben. Diese Vorschriften begründen kein Volkseigentum. Sie verteilen es nur und setzen voraus, dass es - teils vor dem 1. Juli 1990, teils vor dem 3. Oktober 1990 - wirksam entstanden ist (Senat, Urteil vom 11. Juli 1997 - V ZR 313/95, BGHZ 136, 228, 231). Auf der Grundlage dieser Vorschriften konnte der Beklagte deshalb Eigentum nur erwerben, wenn das Grundstück des Klägers wirksam in Volkseigentum überführt worden war.

27

b) Volkseigentum war an den Grundstücken vor dem 3. Oktober 1990 jedoch nicht entstanden. Sie sind, wie ausgeführt, nicht durch eine staatliche Einzelmaßnahme enteignet worden und waren nicht Gegenstand der Legalenteignung durch § 1 der erwähnten Verordnung des Magistrats von Groß-Berlin vom 30. Dezember 1950 (VOBl. f. Groß-Berlin (Ost) 1951 I S. 21). Diese erfasst nur das mit Nr. 1 Buchstabe d des SMAD-Befehls Nr. 124 vom 30. Oktober 1945 (VOBl. d. Provinz Sachsen 1945 Nr. 4/5/6 S. 10) beschlagnahmte Vermögen von "Vereinen, Klubs und Vereinigungen, die von dem sowjetischen Militärkommando verboten und aufgelöst worden sind". Zu diesen Vereinigungen gehört der Kläger nicht. Nach den von dem Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Landgerichts haben die zuständigen Stellen der DDR dem Kläger mit Bescheid vom 3. Dezember 1945 die Veranstaltung öffentlicher Konzerte erlaubt und ihn mit einem weiteren Bescheid vom 3. April 1946 als gemeinnützig anerkannt. Sie haben ihn im Jahr 1947 mit finanziellen Zuwendungen unterstützt und sich für ihn bei der sowjetische Zentralkommandantur mit Erfolg um die Genehmigung für Konzerte in der Weihnachtszeit 1946 verwandt. Die Militärverwaltung hat sich bei dem Kläger, wie erwähnt, um den Erwerb der Akademiegrundstücke bemüht. Zu diesen Vorgängen wäre es nicht gekommen, hätte die Militärverwaltung den Kläger als Organisation verboten und aufgelöst.

28

c) Der Beklagte hat auch nicht auf Grund von Art. 237 § 1 Abs. 1 EGBGB in Verbindung mit den Vorschriften des Zuordnungsrechts wirksam Eigentum an den Grundstücken erworben.

29

aa) Nach Art. 237 § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB sind Fehler bei der Enteignung oder der sonstigen Überführung eines Grundstücks in Volkseigentum nur zu beachten, wenn das Grundstück nach den allgemeinen Rechtsvorschriften, Verfahrensgrundsätzen und der ordnungsgemäßen Verwaltungspraxis, die im Zeitpunkt der Überführung in Volkseigentum hierfür maßgeblich waren (§ 4 Abs. 3 Buchstabe a Halbsatz 1 des Vermögensgesetzes), nicht wirksam in Volkseigentum hätte überführt werden können oder wenn die mögliche Überführung in Volkseigentum mit rechtsstaatlichen Grundsätzen schlechthin unvereinbar war. Das letztere ist nach Art. 237 § 1 Abs. 1 Satz 2 EGBGB bei Maßnahmen der Fall, die in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit verstoßen oder Willkürakte im Einzelfall dargestellt haben.

30

bb) Danach hat der Beklagte Eigentum an den Akademiegrundstücken nicht erworben. Diese sind zwar als Eigentum des Volkes im Grundbuch gebucht worden. Dieser Eintragung lag aber, wie dargelegt, keine (fehlerhafte) Enteignung zugrunde. Sie kann auch nicht als sonstige Überführung in Volkseigentum angesehen werden. Mit diesem Tatbestandsmerkmal erfasst die Vorschrift des Art. 237 § 1 Abs. 1 Satz 1 EGBGB allerdings auch rein faktische Vorgänge. Voraussetzung ist indessen, dass diesen ein staatlicher Wille und nicht bloß ein Versehen zugrunde lag (Senat, Urteil vom 8. Dezember 2000 - V ZR 489/99, VIZ 2001, 213, 214). An dem erforderlichen Willen, das Grundstück in Volkseigentum zu überführen, fehlt es hier. Die Umschreibung sollte, wie ausgeführt, Eigentum des Volkes nicht begründen, sondern lediglich vermeintlich bereits entstandenes Volkseigentum im Grundbuch dokumentieren. Auch die spätere Hinnahme dieser Eintragung hatte nicht den Zweck, Volkseigentum entstehen zu lassen. Sie beruht, wie ebenfalls bereits dargelegt, auf der irrigen Annahme, Volkseigentum sei, zwar nicht als ehemals preußisches Staatsvermögen, wohl aber auf Grund der Legalenteignung verbotener Organisationen bereits entstanden.

31

d) Der Beklagte ist schließlich nicht nach Art. 237 § 2 Abs. 2 Satz 1 EGBGB Eigentümer der Grundstücke des Klägers geworden.

32

aa) Danach erwirbt die nach den Vorschriften über die Abwicklung des Volkseigentums berechtigte juristische Person des öffentlichen Rechts das Eigentum an einem Grundstück, das im Grundbuch oder im Bestandsblatt (§ 113 Abs. 1 Nr. 5 der Grundbuchverfügung) eines Grundstücks als Eigentum des Volkes eingetragen ist, ohne dass Volkseigentum entstanden ist, wenn die Eintragung vor dem 3. Oktober 1990 erfolgt ist und sie bis zum Ablauf des 30. September 1998 nicht durch eine rechtshängige Klage des wirklichen Eigentümers oder durch einen beim Grundbuchamt eingereichten und durch die einstweilige Verfügung eines Gerichts begründeten Antrag auf Eintragung eines Widerspruchs angegriffen worden ist. Diese Ausschlussfrist hat der Kläger gewahrt.

33

bb) Er hat zwar erst am 2. August 2005 eine einstweilige Verfügung gegen den Beklagten erwirkt, mit welcher die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Richtigkeit der Eintragung des Beklagten als Eigentümer angeordnet worden ist. Diese einstweilige Verfügung ist am 25. August 2005 in den Grundbüchern der Akademiegrundstücke vollzogen worden. Sie reichte aber zur Wahrung der Ausschlussfrist aus und war auch rechtzeitig.

34

(1) Die Frist war nämlich nicht schon mit dem 30. September 1998 abgelaufen. Bei Inkrafttreten des Artikels 237 EGBGB am 24. Juli 1997 war das Verfahren über den Restitutionsantrag des Klägers nach dem Vermögensgesetz anhängig. Das führte nach Art. 237 § 2 Abs. 4 Satz 2 EGBGB dazu, dass die in § 2 Abs. 2 Satz 1 der Vorschrift bestimmte Ausschlusswirkung erst nach Ablauf eines Monats nach Beendigung des Verfahrens eintrat. Zweck dieser Regelung ist es, denjenigen, die ein solches Verfahren eingeleitet haben, die Möglichkeit zu geben, die Frist anderweitig zu wahren, wenn sich dieser Weg als irrig erweist (Beschlussempfehlung zum Nutzerschutzgesetz in BT-Drucks 13/7275 S. 34). Die von dem Kläger erwirkte einstweilige Verfügung wahrte deshalb die Frist, weil das Restitutionsverfahren bei ihrem Vollzug im Grundbuch noch nicht länger als einen Monat beendet war.

35

(2) Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 3. Dezember 2004 bei dem Bundesverwaltungsgericht anhängig. Dieses hatte weder über die Beschwerde entschieden noch das Verfahren wegen der Vergleichsverhandlungen der Parteien zum Ruhen gebracht. Ob das Restitutionsverfahren, wie der Beklagte meint, später - nach dem Abbruch der Vergleichsverhandlungen im September oder Oktober 2008 - in entsprechender Anwendung von § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB als beendet anzusehen ist, muss nicht entschieden werden. Denn zu diesem Zeitpunkt war der zur Wahrung der Ausschlussfrist ausreichende Widerspruch bereits in das Grundbuch eingetragen worden.

III.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann                    Lemke                        Schmidt-Räntsch

                     Czub                      Kazele