Entscheidungsdatum: 16.11.2018
Die Revision gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 18 - vom 17. Mai 2017 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen; diese hat auch etwaige Kosten der Nebenintervenienten zu tragen.
Von Rechts wegen
Die Klägerin wurde durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung am 17. Dezember 2008 Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Im Bereich ihrer im Souterrain gelegenen Wohnung kam es zu seitlich eindringender und aufsteigender Feuchtigkeit. Zudem waren die teilweise unter der Wohnung verlaufenden Grundsielleitungen instandsetzungsbedürftig. Am 8. Dezember 2008 war auf einer Eigentümerversammlung der Beschluss gefasst worden, eine Feuchtigkeitssanierung u. a. in der Wohnung der Klägerin durchzuführen und die Grundsielleitung zu erneuern. Nach erneuter Beschlussfassung im November 2009 wurden die Sanierungsarbeiten in Auftrag gegeben einschließlich der Durchführung von Parkettverlegungsarbeiten in der Wohnung der Klägerin. Am 28. September 2011 fand hinsichtlich der durchgeführten Arbeiten eine Abnahmebegehung statt, bei der diverse Mängel im Bereich der Wohnung der Klägerin festgestellt wurden, darunter feuchte Stellen und andere Mängel am neu verlegten Parkett.
Mit ihrer gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft gerichteten Klage verlangt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 59.113,88 € nebst Zinsen für die Kosten der Anmietung einer Ersatzwohnung sowie der Einlagerung von Möbeln, gestützt auf die Behauptung, ihre Wohnung sei aufgrund der Sanierungsarbeiten in den Jahren 2009 bis 2012 nicht nutzbar gewesen. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. In der Berufungsinstanz hat die Klägerin die Klage um 18.141,73 € (Miet- und Lagerungskosten für 2013) erhöht. Das Landgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag weiter.
I.
Das Berufungsgericht hält die Klageerweiterung in zweiter Instanz für unzulässig, da sie nicht auf Tatsachen gestützt werden könne, die es seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zu legen habe. Die Beklagte habe die Höhe der geltend gemachten Aufwendungen für das Jahr 2013 zulässigerweise mit Nichtwissen bestritten. Die Klägerin hätte die Ansprüche bereits in erster Instanz klageerhöhend geltend machen können.
Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Die Klägerin habe gegen die Beklagte keinen Anspruch aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG auf Ersatz ihrer für den Zeitraum von 2009 bis 2012 geltend gemachten Aufwendungen. Zur Instandsetzung benutzt habe die Beklagte die klägerische Wohnung frühestens ab Beginn der Sanierungsarbeiten in der Woche ab dem 3. Mai 2010. Für den Zeitraum von Oktober 2011 bis Dezember 2012 fehle es an einer Benutzung des Sondereigentums der Klägerin durch die Beklagte, da am 27. September 2011 eine Abnahmebegehung zu den durchgeführten Sanierungsarbeiten stattgefunden habe. Unabhängig davon scheide ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG, namentlich für den Zeitraum Mai 2010 bis September 2011, auch deshalb aus, weil die Wohnung aufgrund der eindringenden und aufsteigenden Feuchtigkeit ohnehin unbewohnbar gewesen sei und die durchgeführten Arbeiten daher nicht kausal für den von der Klägerin geltend gemachten Schaden, d.h. für ihre Miet- und Einlagerungskosten gewesen seien.
Ein Schadensersatzanspruch ergebe sich auch nicht aus den Vorschriften der § 280 Abs. 1, § 286 BGB bzw. § 280 Abs.1, § 241 Abs. 2, § 278 BGB, weil sich die Beklagte nicht im Verzug mit der Durchführung bestandskräftiger Sanierungsbeschlüsse befunden habe und sich etwaige Planungs- oder Ausführungsmängel der Arbeiten zur Sanierung des Gemeinschaftseigentums nicht zurechnen lassen müsse.
II.
Das hält rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch wegen der von ihr in den Jahren 2009 bis 2012 aufgewandten Kosten für die Anmietung einer Ersatzwohnung und die Einlagerung von Möbeln zu.
a) Ein solcher Ersatzanspruch ergibt sich nicht aus § 280 Abs. 1 BGB, und zwar unabhängig davon, ob die Mietkosten der Klägerin und die Lagerungskosten auf eine verspätete Beschlussfassung über die erforderliche Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums oder auf eine fehlerhafte Durchführung des Beschlusses über die Sanierungsmaßnahmen zurückzuführen sind. Denn in beiden Fällen wäre die beklagte Wohnungseigentümergemeinschaft nicht Schuldnerin etwaiger Schadensersatzansprüche der Klägerin aus § 280 Abs. 1 BGB.
aa) Hat ein einzelner Wohnungseigentümer Schäden an seinem Sondereigentum erlitten, weil eine Beschlussfassung über eine Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums unterblieben ist, können nur die übrigen Wohnungseigentümer zum Schadensersatz verpflichtet sein, nicht der Verband (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juni 2018 - V ZR 125/17, ZfIR 2018, 666 Rn. 9, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Urteil vom 17. Oktober 2014 - V ZR 9/14, BGHZ 202, 375 Rn. 21 ff.).
bb) Ist die Willensbildung dagegen erfolgt und ein Beschluss gefasst worden, der jedoch nicht oder nur unvollständig durchgeführt wird, so scheidet, wie der Senat inzwischen, allerdings nach Erlass des Berufungsurteils, unter Aufgabe seiner bisherigen Rechtsprechung, entschieden hat, sowohl eine Haftung der übrigen Wohnungseigentümer als auch eine Haftung des Verbandes aus. Insoweit kann sich nur eine Ersatzpflicht des Verwalters ergeben, der gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG gegenüber den Wohnungseigentümern und gegenüber der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer berechtigt und verpflichtet ist, Beschlüsse der Wohnungseigentümer durchzuführen. Da eine entsprechende „Durchführungspflicht“ des Verbands für gefasste Beschlüsse nicht besteht, haftet dieser selbst dann nicht, wenn der Verwalter bei der Durchführung eines solchen Beschlusses pflichtwidrig handelt (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juni 2018 - V ZR 125/17, ZfIR 2018, 666 Rn. 13 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt). Deswegen stellt sich die Frage nicht, die - neben anderen - das Berufungsgericht zur Zulassung der Revision veranlasst hat, nämlich ob sich die Wohnungseigentümergemeinschaft gegenüber dem einzelnen Wohnungseigentümer Mängel oder vom ausführenden Unternehmen zu vertretende Verzögerungen bei der Durchführung von Arbeiten am gemeinschaftlichen Eigentum zurechnen lassen muss.
b) Rechtsfehlerfrei verneint das Berufungsgericht auch einen auf § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG gestützten Ersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte. Schuldner dieses Aufopferungsanspruchs wäre zwar die Wohnungseigentümergemeinschaft (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juni 2018 - V ZR 125/17, ZfIR 2018, 666 Rn. 35, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt; Urteil vom 25. September 2015 - V ZR 246/14, BGHZ 207, 40 Rn. 27 mwN; vgl. auch § 16 Abs. 7 WEG). Die Voraussetzungen hierfür sind aber nicht gegeben. Nach § 14 Nr. 4 Halbsatz 2 WEG ist der Schaden zu ersetzen, der adäquat kausal durch das Betreten oder die Benutzung der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile zur Instandsetzung und Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums verursacht worden ist. Schäden, die in Folge des die Maßnahme der Instandhaltung oder Instandsetzung auslösenden Mangels des Gemeinschaftseigentums eingetreten sind, werden nicht erfasst (vgl. Senat, Urteil vom 8. Juni 2018 - V ZR 125/17, aaO; Urteil vom 9. Dezember 2016 - V ZR 124/16, ZWE 2017, 216 Rn. 22). Um solche Schäden handelt es sich hier, weil die Wohnung der Klägerin nach den von der Revision ohne Erfolg angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts durch die auf Mängel am Gemeinschaftseigentum zurückzuführende Feuchtigkeit bereits seit Anfang 2009 durchgehend unbewohnbar war.
aa) Das Berufungsgericht hat festgestellt, dass die Klägerin ihr Sondereigentum im Januar 2009 nicht deshalb nicht bezogen hat, weil es für Instandsetzungsmaßnahmen in Anspruch genommen werden sollte, sondern weil es aufgrund der bestehenden Mängel am gemeinschaftlichen Eigentum ohnehin unbewohnbar war. Diese bezieht sich ersichtlich auf den gesamten Zeitraum 2009 bis 2012. Zwar stehen die diesbezüglichen Ausführungen im Zusammenhang mit der Prüfung von Ansprüchen der Klägerin für den Zeitraum Mai 2010 bis September 2011. Sie sind hierauf aber nicht beschränkt, wie sich aus den Formulierungen „namentlich“ und „unabhängig von den vorstehenden Ausführungen“ ergibt; sie lassen erkennen, dass das Gericht die Ansprüche auch im übrigen Zeitraum wegen der von Anfang an gegebenen Unbewohnbarkeit der Wohnung für ausgeschlossen hält.
bb) Die gegen die Beweiswürdigung von der Revision erhobenen Verfahrensrügen, insbesondere die Einwände der Klägerin gegen die Heranziehung verschiedener Indizien für die Unbewohnbarkeit ihrer Wohnung seit Anfang 2009, die in der mündlichen Verhandlung erörtert worden sind, hat der Senat geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet (§ 564 Satz 1 ZPO).
2. Die Revision ist auch insoweit unbegründet, als das Berufungsgericht die in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageerweiterung um Schadensersatzansprüche für das Jahr 2013 als unzulässig angesehen hat.
a) Das Berufungsgericht geht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise davon aus, dass die Klageerweiterung nicht auf Tatsachen gestützt werden konnte, die es seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hatte (§ 533 Nr. 2 ZPO). Da die Klägerin zur Höhe ihrer Aufwendungen für die Anmietung einer Ersatzwohnung und die Einlagerung von Möbeln im Jahre 2013 erstmals in der Berufungsinstanz vorgetragen und die Beklagte diesen Vortrag bestritten hat, wäre er der Entscheidung des Berufungsgerichts nur unter den Voraussetzungen, unter denen neue Angriffs- und Verteidigungsmittel in der zweiten Instanz zuzulassen sind (§ 529 Abs. 1 Nr. 2, § 531 Abs. 2 ZPO), zugrunde zu legen gewesen. Diese hat das Berufungsgericht - von der Revision nicht angegriffen - jedoch als weder dargelegt noch sonst ersichtlich angesehen.
b) Soweit sich die Klägerin darauf beruft, dass sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Zulassung der Änderung oder Erweiterung einer Klage nicht nach den §§ 296, 530, 531 ZPO, sondern nach den §§ 263, 264, 533 ZPO bestimmt, trifft dies zwar zu (vgl. BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - VIII ZR 247/15, NJW 2017, 491; Urteil vom 15. Januar 2001 - II ZR 48/99, NJW 2001, 1210 unter II.1), verhilft der Revision aber nicht zum Erfolg. Aus den angeführten Entscheidungen folgt nämlich nicht, dass die Voraussetzungen des § 531 ZPO für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Klageerweiterung in der Berufungsinstanz unerheblich wären. Sie sind vielmehr lediglich nicht unmittelbar, sondern nur insoweit zu prüfen, als es nach § 533 Nr. 2 ZPO darauf ankommt, ob die Klageänderung auf Tatsachen gestützt werden kann, die das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung über die Berufung ohnehin nach § 529 ZPO zugrunde zu legen hat; dies beurteilt sich bei neuen Tatsachen nach den §§ 530, 531 ZPO (vgl. MüKoZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 533 Rn. 14; Zöller/Heßler, ZPO, 32. Aufl., § 533 Rn. 34 f.). Es ist folglich rechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Zulässigkeit der Klageerweiterung unter Heranziehung von § 531 Abs. 2 Nr. 2 ZPO mit der Begründung verneint hat, dass die Klägerin die Ansprüche für das Jahr 2013 - was die Revision nicht in Frage stellt - bereits in erster Instanz hätte geltend machen können, weil ihr die dazu erforderlichen Tatsachen vollständig bekannt gewesen seien.
c) Ebenfalls ohne Erfolg beruft sich die Klägerin darauf, dass die von ihr zur Begründung des erweiterten Klageantrages vorgebrachten Tatsachen im Hinblick auf den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 20. September 2016 (VIII ZR 247/15, NJW 2017, 491 Rn. 18) nicht als verspätet zurückgewiesen werden durften. Diese Entscheidung betrifft eine andere prozessuale Situation als die hier in Rede stehende, nämlich eine Klageerweiterung, die der Kläger vorgenommen hatte, nachdem in der Berufungsinstanz gegen ihn ein Versäumnisurteil ergangen war und er die Frist des § 340 Abs. 3 ZPO zur Begründung seines (rechtzeitigen) Einspruchs versäumt hatte. Das Berufungsgericht hatte die Klageerweiterung als zulässig angesehen, aber gemeint, das gleichzeitige neue Vorbringen habe wegen Rechtsmissbrauchs außer Betracht zu bleiben, weil die Klageerweiterung erkennbar nur den Sinn habe, den Verspätungsfolgen zu entgehen (BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - VIII ZR 247/15, NJW 2017, 491 Rn. 17). Dem ist der Bundesgerichtshof entgegen getreten und hat ausgesprochen, dass die zur Begründung eines geänderten oder erweiterten Klageantrags in der Berufungsinstanz gleichzeitig vorgetragenen Tatsachen und Beweismittel nicht als verspätet zurückgewiesen werden können, weil dies andernfalls in unzulässiger Weise auch die nach dem Gesetz grundsätzlich ausgeschlossene Präklusion des Angriffs selbst zur Folge hätte (BGH, Beschluss vom 20. September 2016 - VIII ZR 247/15, NJW 2017, 491 Rn. 18).
Vorliegend geht es indes nicht um die Frage, ob das Vorbringen, das eine für sich genommen zulässige Klageerweiterung begründen soll, nach den allgemeinen Vorschriften, etwa nach § 296 i.V.m. § 282 oder § 340 Abs. 3 ZPO oder wegen Rechtsmissbrauchs, als präkludiert angesehen werden kann. Vielmehr war die Klageerweiterung selbst unzulässig, weil sie nicht auf Tatsachen gestützt werden konnte, die der Verhandlung und Entscheidung des Berufungsgerichts nach den §§ 529, 531 ZPO zugrunde zu legen waren.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 ZPO.
Stresemann |
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Brückner |
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Göbel |
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Hamdorf |
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