Entscheidungsdatum: 09.03.2012
Der Verwalter ist als Zustellungsbevollmächtigter gemäß § 45 Abs. 1 WEG ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts über die Durchführung der Zustellung in der Sache begründete Umstände ersichtlich sind, die die konkrete Gefahr einer nicht sachgerechten Information der Wohnungseigentümer rechtfertigen.
Die Revision gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 9. Juni 2011 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Die Parteien sind die Mitglieder einer Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Eigentümerversammlung vom 17. März 2009 beschlossen die Wohnungseigentümer u.a. die Genehmigung der Jahresabrechnung sowie die Entlastung des bisherigen Verwalters (TOP 7), die Bestellung neuer Verwaltungsbeiräte (TOP 8) und die Bestellung des Beizuladenden zum neuen Verwalter (TOP 10). Das Amtsgericht hat, nachdem es auf Antrag der Kläger zunächst ein Versäumnisurteil gegen die beklagten Wohnungseigentümer erlassen hatte, den Beschluss zu TOP 7 für ungültig erklärt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Kläger hat das Landgericht auch den Beschluss zu TOP 8 für ungültig erklärt. Gegen die Zurückweisung ihrer Berufung im Übrigen (TOP 10) wenden sich die Kläger mit der insoweit zugelassenen Revision. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
I.
Das Berufungsgericht meint, zwischen den Parteien sei ein wirksames Prozessrechtsverhältnis entstanden. Zwar habe gemäß § 45 Abs. 1 WEG die Zustellungsvollmacht des neuen Verwalters für die beklagten Wohnungseigentümer gefehlt; denn wegen der Anfechtung der Wahl des Verwalters habe die Gefahr bestanden, dieser werde die Eigentümer nicht sachgerecht unterrichten. Das Fehlen der Zustellungsvollmacht sei aber rückwirkend geheilt, da der Verwalter die Wohnungseigentümer über den anhängigen Rechtsstreit informiert habe. Daher sei er auch zur Einlegung des Einspruchs gegen das Versäumnisurteil berechtigt gewesen. In der Sache bleibe die Berufung der Kläger hinsichtlich TOP 10 ohne Erfolg. Die Bestellung des Beizuladenden zum neuen Verwalter entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung.
II.
Das hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.
1. Entgegen der Auffassung der Revision ist mit der Zustellung der Klage an den Verwalter zwischen den Parteien ein Prozessrechtsverhältnis begründet worden.
a) Nach der Vorschrift des § 45 Abs. 1 WEG, die auch bei gerichtlichen Auseinandersetzungen der Wohnungseigentümer untereinander Anwendung findet (BT-Drucks. 16/887, S. 36), ist der Verwalter Zustellungsvertreter der Wohnungseigentümer, wenn diese Beklagte sind; eine Ausnahme gilt nur dann, wenn er als Gegner der Wohnungseigentümer an dem Verfahren beteiligt ist oder wenn auf Grund des Streitgegenstandes die Gefahr besteht, er werde die Wohnungseigentümer nicht sachgerecht unterrichten. Umstritten ist, ob für einen Ausschluss des Verwalters als Zustellungsvertreter die abstrakte Gefahr nicht sachgerechter Unterrichtung ausreicht oder ob die Zustellungsvollmacht nur bei einer konkreten Interessengefährdung entfällt. Der Senat hat dies bislang offen gelassen (vgl. Urteil vom 11. Februar 2011 - V ZR 136/10, ZWE 2011, 218, 219; Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135, 2136).
aa) Teilweise wird vertreten, eine die Zustellungsvertretung ausschließende Gefahr nicht sachgerechter Unterrichtung sei bereits dann anzunehmen, wenn vor der Zustellung die Möglichkeit nicht sachgerechter Unterrichtung im Hinblick auf den Streitgegenstand nicht fern liege. Das gelte unabhängig davon, ob ein Konflikt zwischen den Interessen des Verwalters und denen der übrigen Wohnungseigentümer tatsächlich schon aufgetreten sei oder ob die Eigentümermehrheit in dem Prozess auf seiner Seite stehe (Klein in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 45 Rn. 18; Staudinger/Bub, BGB [2005], § 27 WEG Rn. 235; wohl auch Spielbauer/Then, WEG, § 45 Rn. 8).
bb) Nach überwiegender Auffassung ist der Verwalter als Zustellungsvertreter nur dann ausgeschlossen, wenn eine konkrete Gefahr der sachwidrigen Information besteht. Eine solche Gefahr sei erst dann gegeben, wenn ein echter Konflikt zwischen den Interessen des Verwalters und den übrigen von ihm vertretenen Wohnungseigentümern auftrete, etwa wenn das Vertrauensverhältnis zwischen dem Verwalter und einigen oder allen von ihm vertretenen Wohnungseigentümern nachhaltig gestört sei (BayObLG, NJW-RR 1989, 1168, 1169; NJW-RR 2002, 732, 733; LG Dresden, ZMR 2010, 629, 630; Suilmann in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 45 Rn. 15 f.; Scheel in BeckOK/WEG, Edition 22, § 45 Rn. 6; Elzer in Timme, WEG, § 45 Rn. 34; MünchKomm-BGB/Engelhardt, 5. Aufl., § 45 WEG Rn. 5; Briesemeister, ZWE 2009, 270, 273).
cc) Der Senat hält die Auffassung der vorherrschenden Meinung für zutreffend. Mit der in § 45 Abs. 1 WEG normierten grundsätzlichen Zustellungsbevollmächtigung des Verwalters für die Wohnungseigentümer wollte der Gesetzgeber den mit Zustellungen verbundenen Aufwand für das Gericht und auch die zu Lasten der Wohnungseigentümergemeinschaft entstehenden Kosten gering halten (BT-Drucks. 16/887, S. 37). Die rein formale Beurteilung der Frage eines Interessenkonflikts abstrakt anhand des Verfahrensgegenstandes liefe dem angestrebten Vereinfachungs- und Kostenentlastungseffekt zuwider. Sie hätte zudem die wenig praxisnahe Folge, dass die Wohnungseigentümer nach § 45 Abs. 2 WEG einen Ersatzzustellungsvertreter - der auch das Haftungsrisiko trägt (vgl. Hogenschurz, ZMR 2005, 764 f.) - bestellen müssten, selbst wenn aufgrund eines ungestörten Vertrauensverhältnisses sichergestellt ist, dass der Verwalter sie über den Verlauf eines gegen sie anhängigen Verfahrens ordnungsgemäß unterrichten wird. Um die Informationsrechte der Eigentümer zu wahren, genügt es, den Verwalter nur dann als Zustellungsvertreter auszuschließen, wenn konkret ein Konflikt zwischen den Interessen des Verwalters und den übrigen von ihm vertretenen Wohnungseigentümern auftritt (Suilmann in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 45 Rn. 16, BayObLG, NJW-RR 2002, 732, 733). Solange hingegen für das Gericht im Zeitpunkt der Entscheidung über die Durchführung der Zustellung (vgl. Senat, Urteil vom 11. Februar 2011 - V ZR 136/10, ZWE 2011, 218, 219) keine in der Sache begründeten Umstände ersichtlich sind, die konkret die Gefahr einer nicht sachgerechten Information der Wohnungseigentümer rechtfertigen, ist der Verwalter tauglicher Zustellungsvertreter.
b) Danach war die Zustellungsberechtigung des Verwalters im vorliegenden Fall nicht nach § 45 Abs. 1 Halbsatz 2 WEG ausgeschlossen. Allein der Umstand, dass Gegenstand des Verfahrens die Beschlussfassung der Wohnungseigentümer über die Bestellung des Verwalters ist und der Streitgegenstand somit auch dessen Rechtsstellung betrifft, begründet für sich genommen nicht die konkrete Gefahr, der Verwalter werde die Wohnungseigentümer über das anhängige Verfahren nicht sachgerecht unterrichten (vgl. Suilmann in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 45 Rn. 17; aA Riecke/Schmidt/Abramenko, WEG, 3. Aufl., § 45 Rn. 5). Umstände, die das Vorliegen einer solchen Gefahr nahelegten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, zumal die beklagten Wohnungseigentümer die Zustellungsvollmacht des Verwalters verteidigen. Letztlich bestätigt auch der spätere Geschehensablauf die Einschätzung des Amtsgerichts, dass die Gefahr einer nicht sachgerechten Unterrichtung nicht gegeben war (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Mai 2009 - V ZB 172/08, NJW 2009, 2135, 2136). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Verwalter die beklagten Wohnungseigentümer über den anhängigen Rechtsstreit durch Übermittlung der Klageschriften tatsächlich informiert.
2. Auch der Einspruch des Verwalters gegen das gegen die Beklagten ergangene Versäumnisurteil ist wirksam; er war hierzu gemäß § 27 Abs. 2 Nr. 2 WEG berechtigt.
3. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Bestellung des Beizuladenden zum Verwalter entspreche ordnungsmäßiger Verwaltung, ist frei von Rechtsfehlern.
a) Ein Beschluss über die Bestellung eines Verwalters verstößt gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung, wenn ein wichtiger Grund vorliegt, der gegen die Wahl dieses Verwalters spricht. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände nach Treu und Glauben eine Zusammenarbeit mit dem zu bestellenden Verwalter unzumutbar und das erforderliche Vertrauensverhältnis von Anfang an nicht zu erwarten ist (KG, ZMR 2007, 801; BayObLG, ZMR 2005, 561; Merle in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 26 Rn. 41; Jennißen in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 26 Rn. 64). Dies hat der Tatrichter in umfassender Würdigung der Gesamtumstände festzustellen.
b) Daran gemessen hält die Entscheidung des Berufungsgerichts rechtlicher Nachprüfung stand. Rechtsfehlerfrei hat es darin, dass der neue Verwalter bisher nur Erfahrungen mit der Verwaltung eigener Immobilien hatte, keinen wichtigen Grund gesehen, der gegen dessen Bestellung zum Verwalter spricht. Soweit die Revision einen wichtigen Grund daraus herleiten will, dass während des Verfahrens zwei Schriftstücke dem Verwalter nicht zugestellt werden konnten, und er bei der Verwendung des Briefkopfes für Verwirrung gesorgt hatte, kann dies schon deswegen die Anfechtungsklage nicht begründen, weil diese Umstände im Zeitpunkt der Beschlussfassung nicht vorlagen (vgl. BayOblG, ZMR 2005, 561).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Krüger Stresemann Czub
Brückner Weinland