Entscheidungsdatum: 12.10.2017
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird das Urteil des 11. Zivilsenats des Kammergerichts vom 14. Dezember 2016 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 210.000 €.
I.
Der Beklagte war Eigentümer eines Grundstücks, das mit einem denkmalgeschützten Mietshaus bebaut ist. Die zweite Dachgeschossebene des Objekts ist nicht ausgebaut. Im Jahr 2009 teilte eine Mitarbeiterin der Denkmalschutzbehörde dem Beklagten mündlich mit, dass ein Dachgeschossausbau nicht genehmigungsfähig sei. Mit notariellem Kaufvertrag vom 17. Februar 2010 erwarb die Klägerin das Objekt von dem Beklagten zum Preis von 2.475.000 € unter Ausschluss der Sachmängelhaftung. In dem vor Vertragsschluss überreichten Exposé heißt es dazu:
„Ein Dachgeschossausbau, mit 300 m² Wohnfläche, ist möglich, jedoch muss hierzu die Genehmigung und Zustimmung der Denkmalbehörde eingeholt werden.“
Über die ablehnende Haltung der Denkmalschutzbehörde informierte der Beklagte die Klägerin nicht.
Gestützt auf die Behauptung, der Minderwert des Objekts wegen der fehlenden Ausbaufähigkeit der zweiten Dachgeschossebene belaufe sich auf 300.000 €, verlangt die Klägerin - soweit von Interesse - mit der Klage einen Teilbetrag von 210.000 € als Schadensersatz. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen. Die Beschwerde der Klägerin richtet sich gegen die Nichtzulassung der Revision.
II.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts haftet der Beklagte dem Grunde nach wegen eines vorvertraglichen Verschuldens. Er habe die Klägerin vorsätzlich unrichtig informiert, indem er sich trotz der ihm bekannten, klar ablehnenden Haltung der Genehmigungsbehörde darauf beschränkt habe, auf das Genehmigungserfordernis hinzuweisen. Die Klägerin habe jedoch einen Schaden nicht dargelegt. Bei der Bewertung des Dachgeschosses mit 300.000 € lasse sie unberücksichtigt, dass die Genehmigungsfähigkeit angesichts der vorvertraglichen Äußerung des Beklagten offengeblieben sei.
III.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil ist gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben, weil das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in entscheidungserheblicher Weise verletzt hat.
1. Da die Handhabung der Substantiierungsanforderungen durch das Gericht dieselben einschneidenden Folgen hat wie die Anwendung von Präklusionsvorschriften, verletzt sie Art. 103 Abs. 1 GG bereits dann, wenn sie offenkundig unrichtig ist (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Juni 2008 - V ZR 221/07, WM 2008, 2068 Rn. 5 mwN). So liegt es hier.
a) Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Berufungsgericht von der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung zu der Berechnung eines Schadens aus, der wegen einer Pflichtverletzung bei Vertragsschluss (§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB) zu ersetzen ist. Danach wird der Geschädigte dann, wenn er - wie hier - an dem Kaufvertrag festhalten will, so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen; als Schaden ist der Betrag anzusehen, um den der Geschädigte den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat (vgl. Senat, Urteil vom 19. Mai 2006 - V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 22 mwN).
b) Die Auffassung, die Klägerin habe einen solchen Schaden nicht hinreichend dargelegt, ist offenkundig unrichtig.
aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. April 2009 - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 10; Beschluss vom 12. Juni 2008 - V ZR 221/07, WM 2008, 2068 Rn. 6 mwN). Kommt es auf den Verkehrswert einer Sache an, ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die darlegungspflichtige Partei einen bestimmten Wert behauptet und durch Sachverständigengutachten unter Beweis stellt. Unbeachtlich ist eine solche Behauptung nur dann, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein“ aufgestellt worden ist; bei der Annahme eines solchen rechtmissbräuchlichen Verhaltens ist allerdings Zurückhaltung geboten (Senat, Beschluss vom 2. April 2009 - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 11 mwN).
bb) Hieran gemessen überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an das Vorbringen der Klägerin.
(1) Davon, dass der genannte Minderwert von 300.000 € als unbeachtliche Behauptung aufs Geratewohl zu werten ist, geht das Berufungsgericht selbst nicht aus. Es hält vielmehr den Bezugspunkt der Schadensberechnung für falsch. Die Klägerin vergleiche den Wert des Objekts mit ausbaufähigem Dachgeschoss mit demjenigen ohne ausbaufähiges Dachgeschoss. Damit lasse sie außer Acht, dass die Genehmigungsfähigkeit sowohl in dem Exposé als auch nach den Äußerungen des Beklagten offen geblieben sei. Insoweit rügt die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht, dass das Berufungsgericht ihren Vortrag nicht richtig zur Kenntnis genommen hat. Sie hat nämlich in dem in Bezug genommenen Schriftsatz ausdrücklich ausgeführt, das Objekt habe „mit der Möglichkeit - oder der ‚Chance‘, wobei die Zulässigkeit bzw. Unzulässigkeit bei Vertragsschluss nicht bekannt war - des Ausbaus des Dachgeschosses in zweiter Ebene im Jahr 2010 einen Wert von ca. 2.475.000 €“ gehabt, während sich der Wert mit dem wertlosen, da nicht ausbaufähigen Dachgeschoss auf 2.167.500 € belaufen habe. Der rechtlichen Unsicherheit soll ihrer Ansicht nach durch einen Abschlag von rund 30 % von dem Wert eines genehmigten Ausbaus Rechnung getragen werden. Damit hat sie substantiiert dargelegt, dass der Verkehrswert der rechtlich noch ungesicherten Ausbaumöglichkeit 300.000 € beträgt; zugleich hat sie Beweis durch Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten. Ob ihre Behauptung richtig und der Wert zutreffend veranschlagt oder ob ein höherer Abschlag angezeigt ist, muss im Wege der Beweiserhebung geklärt werden.
(2) Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin deshalb anders verstehen wollte, weil sie - worauf das Berufungsgericht entscheidend abstellt - die Angemessenheit eines Abschlags von 30 % mit dem Wert eines ausbau- und genehmigungsfähigen Dachgeschosses begründet, rechtfertigte dies keinesfalls die vollständige Abweisung der Klage. Da es gerade um die Bewertung einer rechtlichen Unsicherheit geht, wird der Wert des Dachgeschosses mit einem rechtlich ungesicherten Ausbau von dieser Schadensberechnung zumindest als „Minus“ umfasst. Infolgedessen wäre es Aufgabe des Gerichts, dem angebotenen Beweis nachzugehen und mit sachverständiger Hilfe zu klären, welchen Wert der Verkehr einem Dachgeschoss mit einer rechtlich ungesicherten Chance auf Genehmigung beimisst, und ob etwa wegen erhöhter Risiken der Genehmigungsfähigkeit ein höherer Abschlag angezeigt ist, wenn es sich um ein denkmalgeschütztes Objekt handelt.
2. Der Verstoß gegen den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs ist auch entscheidungserheblich, weil die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 1 BGB zu, aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist. Infolgedessen ist das Berufungsurteil gemäß § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
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