Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 24.07.2015


BGH 24.07.2015 - V ZR 145/14

Mangelhaftigkeit einer gekauften Eigentumswohnung: Materielle Berechtigung des Käufers zur Geltendmachung des sog. "kleinen" Schadensersatzes; Verjährungshemmung durch Klageerhebung


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
24.07.2015
Aktenzeichen:
V ZR 145/14
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Köln, 7. Mai 2014, Az: I-16 U 217/12, Urteilvorgehend LG Köln, 15. November 2012, Az: 29 O 295/11, Urteil
Zitierte Gesetze
§§ 433ff BGB

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 7. Mai 2014 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die gegen die Beklagten zu 1 bis 3 und 5 gerichtete Berufung zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Mit notariellem Vertrag vom 10. Dezember 1999 kauften die Klägerin und ihr Ehemann von den Beklagten zu 4 und 5 eine Eigentumswohnung zum Preis von 315.000 DM. Die Haftung für Sachmängel wurde ausgeschlossen.

2

Die Wohnung gehört zu einer Ende der sechziger Jahre errichteten Wohnanlage, die von der aus den Beklagten zu 4 und 5 bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden S. GbR) in Kenntnis der Asbesthaltigkeit der Gebäude erworben wurde. Nachdem im Juli 2010 Schäden an der Betonkonstruktion der Wohnanlage aufgetreten waren, wurden die Wohnungseigentümer auf der Eigentümerversammlung vom 20. Juni 2012 im Beschlusswege ermächtigt, alle Ansprüche wegen Verschweigens von Mängeln am Gemeinschaftseigentum gegenüber der Verkäuferin und deren Gesellschaftern im eigenen Namen und auf eigene Rechnung geltend zu machen.

3

Die Klägerin behauptet, bei der Beklagten zu 1, deren Gesellschafter die Beklagten zu 2 und 3 seien, handele es sich um die Rechtsnachfolgerin der S. GbR. Gestützt auf die weiteren Behauptungen, es liege eine erhebliche Asbestkontamination vor, die ihr und ihrem Ehemann ebenso wie die Schäden an der Betonkonstruktion bei Vertragsabschluss arglistig verschwiegen worden seien, verlangt die Klägerin mit der am 31. Dezember 2011 eingereichten Klage die Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten. Diese haben die Einrede der Verjährung erhoben.

4

Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Oberlandesgericht hat die Revision zugelassen, soweit die gegen die Beklagten zu 1 bis 3 und 5 (im Folgenden Beklagte) gerichtete Berufung zurückgewiesen worden ist. Mit der im Umfang der Rechtsmittelzulassung eingelegten Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.

Entscheidungsgründe

I.

5

Das Berufungsgericht steht auf dem Standpunkt, der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei jedenfalls mit dem Ablauf des 31. Dezember 2011 verjährt. Die am selben Tage eingereichte Klage habe nicht zu einer Hemmung der Verjährung geführt. Zur Klageerhebung sei die Klägerin nicht befugt gewesen, weil es sich bei dem Anspruch um einen gemeinschaftsbezogenen im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG handele. Die Klägerin sei erst in der Eigentümerversammlung vom 20. Juni 2012 und damit nach Verjährungseintritt - zur Geltendmachung im eigenen Namen ermächtigt worden. Eine nachträgliche Ermächtigung entfalte aber keine Rückwirkung. Für das Werkvertragsrecht habe der Bundesgerichtshof ausgesprochen, dass bei Mängeln am Gemeinschaftseigentum die Ansprüche auf Minderung und sog. kleinen Schadensersatz nur einheitlich und gemeinschaftlich ausgeübt werden könnten und daher einer selbstständigen Durchsetzung durch den einzelnen Wohnungseigentümer entzogen seien. Für kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche gelte nichts anderes.

II.

6

Diese Erwägungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

7

1. Allerdings legt das Berufungsgericht zutreffend zugrunde, dass die geltend gemachten und am 1. Januar 2002 unverjährten Schadensersatzansprüche von diesem Zeitpunkt an der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen (§ 195 BGB i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 EGBGB). Richtig ist auch, dass die Frist nach Art. 229 § 6 Abs. 4 Satz 1 EGBGB - da kürzer als die nach altem Recht einschlägige Verjährungsfrist (§ 195 BGB aF) - von dem 1. Januar 2002 an berechnet wird, jedoch für den Beginn der nunmehr regelmäßigen Verjährungsfrist (§ 195 BGB nF) zusätzlich die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorliegen müssen (vgl. Senat, Urteil vom 9. November 2007 - V ZR 25/07, NJW 2008, 506 Rn. 8). Da die Klägerin nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts erst im Jahre 2010 Kenntnis von der Asbestbelastung und von den Schäden an der Betonkonstruktion erhalten hat, ist vorliegend die kenntnisunabhängige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB maßgeblich, die am 1. Januar 2002 begann und am 31. Dezember 2011 ablief.

8

2. Auch nimmt das Berufungsgericht ohne Rechtsfehler an, dass nur die Klage des materiell zur Rechtsausübung Berechtigten (vgl. Senat, Urteil vom 9. November 1966 - V ZR 176/63, BGHZ 46, 221, 229) die Verjährung hemmt und eine nachträgliche Ermächtigung nicht auf den Zeitpunkt der Klageerhebung zurückwirkt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 2013 - VII ZR 71/11, NZM 2013, 652 Rn. 12; BGH, Urteil vom 29. Oktober 2009 - I ZR 191/07, NJW 2010, 2270 Rn. 38; Staudinger/Peters/Jacoby, BGB [2014], § 204 Rn. 7 f.).

9

3. Unzutreffend ist dagegen die weitere Annahme des Berufungsgerichts, die am 31. Dezember 2011 eingereichte Klage habe die Verjährung deshalb nicht zu hemmen vermocht, weil die Klägerin nicht zur Geltendmachung des sog. kleinen Schadensersatzes befugt gewesen sei.

10

a) Richtig ist allerdings, dass Rechte auf Minderung und „kleinen" Schadensersatz wegen behebbarer Mängel am Gemeinschaftseigentum (vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 1990 - VII ZR 269/88, BGHZ 110, 258, 261, Klein in Bärmann, WEG, 12. Aufl., Anh. § 10 Rn. 17) jedenfalls bei dem nach Werkvertragsrecht zu beurteilenden Erwerb einer neu errichteten Wohnung vom Bauträger als gemeinschaftsbezogen im Sinne von § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG qualifiziert werden und infolgedessen die Befugnis des einzelnen Wohnungseigentümers zur Geltendmachung seiner individualvertraglichen Rechte ausnahmsweise ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Urteile vom 23. Februar 2006 - VII ZR 84/05, NJW 2006, 2254 Rn. 15 und 18; vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 19; vom 30. April 1998 - VII ZR 47/97, NJW 1998, 2967, 2968; vom 6. Juni 1991 - VII ZR 372/89, BGHZ 114, 383, 387; vom 10. Mai 1979 - VII ZR 30/78, BGHZ 74, 258, 263 ff.; zur Anwendung von Werkvertragsrecht beim Abverkauf sanierter Altbauten BGH, Urteil vom 26. April 2007 - VII ZR 210/05, NJW 2007, 3275 Rn. 18 ff.). Solche Rechte begründen eine geborene Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft (BGH, Urteile vom 23. Februar 2006 - VII ZR 84/05, NJW 2006, 2254 Rn. 15; vom 12. April 2007 - VII ZR 236/05, BGHZ 172, 42 Rn. 19); auch die Voraussetzungen für diese Ansprüche kann nur die Wohnungseigentümergemeinschaft schaffen (BGH, Urteil vom 23. Februar 2006 - VII ZR 84/05, NJW 2006, 2254 Rn. 18).

11

b) Der Senat hat jedoch mit Urteil vom heutigen Tage (V ZR 167/14 - zur Veröffentlichung bestimmt), auf das wegen der Begründung Bezug genommen wird, entschieden, dass allein nach Kaufrecht zu beurteilende Ansprüche auf Minderung und „kleinen" Schadensersatz jedenfalls dann nicht in den Anwendungsbereich des § 10 Abs. 6 Satz 3 Halbsatz 1 WEG fallen, wenn - wie hier - eine gebrauchte Eigentumswohnung unter Ausschluss der Haftung für Sachmängel verkauft und eine Beschaffenheitsgarantie nicht vereinbart worden ist. Die Entscheidung betrifft zwar unmittelbar nur das seit der Schuldrechtsreform geltende Kaufrecht. Für das hier anwendbare alte Recht gilt aber nichts anderes, zumal dem Käufer danach - anders als nunmehr nach § 439 BGB - kein Anspruch auf Nacherfüllung eingeräumt war.

III.

12

Da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist, muss das Berufungsurteil aufgehoben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat - von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen zu den geltend gemachten Mängeln und deren arglistigem Verschweigen sowie zu der Frage, ob die Beklagte zu 1 Rechtsnachfolgerin der aus den Beklagten zu 4 und 5 bestehenden Gesellschaft bürgerlichen Rechts geworden ist.

Stresemann                              Roth                          Brückner

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