Entscheidungsdatum: 07.03.2014
1. Eine Grunddienstbarkeit des Inhalts, dass auf einen nach § 917 BGB zu duldenden Notweg verzichtet wird, ist im Grundbuch des durch den Verzicht belasteten Grundstücks einzutragen. Aus einer Eintragung im Grundbuch des durch das Notwegrecht belasteten Grundstücks kann sich ein dinglich wirkender Verzicht nicht ergeben.
2. Der Eigentümer eines verbindungslosen Grundstücks kann einen Notweg nicht auch für seinen künftigen Einzelrechtsnachfolger verlangen.
Auf die Revision der Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen - das Urteil des Landgerichts Deggendorf - 1. Zivilkammer - vom 30. April 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als sich die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Notwegrechts auch auf die Rechtsnachfolger der Parteien bezieht.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Amtsgerichts Viechtach vom 10. Februar 2012 zurückgewiesen.
Die Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges tragen die Parteien je zur Hälfte. Die Kosten des Revisionsverfahrens werden den Beklagten zu ¾ und dem Kläger zu ¼ auferlegt.
Von Rechts wegen
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück des Klägers besitzt keinen Zugang zu einer öffentlichen Straße. Die Rechtsvorgänger der Parteien hatten mit notariellem Vertrag vom 1. Dezember 1960 zugunsten des klägerischen Grundstücks ein Geh- und Fahrtrecht über das Grundstück der Beklagten vereinbart, das mit folgendem Inhalt in das Grundbuch eingetragen wurde:
„Die Verkäufer räumen mit Wirkung für sich und ihre Rechtsnachfolger im Eigentum der Restfläche von Flurstück Nr. 17 den jeweiligen Eigentümern der Kauffläche für immer das unentgeltliche Recht ein, über die Hoffläche und entlang des Obstgartens auf einem ca. 3 m breiten Streifen jederzeit zu gehen und mit Fahrzeugen aller Art zu fahren, um vom Weg zur Kauffläche gelangen zu können. Das Befahren mit Personenkraftwagen ist jedoch nicht gestattet.“
Der Kläger verlangt, soweit hier von Interesse, dass die Beklagten mit Wirkung für sich und ihre Rechtsnachfolger ihm und seinen Rechtsnachfolgern die Benutzung des Weges mit Personenkraftwagen gegen Zahlung einer Notwegerente von 50 € jährlich gestatten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landgericht hat ihr stattgegeben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Revision wollen die Beklagten die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils erreichen. Der Kläger beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht dem Kläger gemäß § 917 BGB ein Notwegrecht zu. Zwar sei die Erreichbarkeit seines Grundstücks mit anderen Kraftfahrzeugen als mit Pkw, insbesondere durch Versorgungsfahrzeuge, bereits durch das dinglich gesicherte Geh- und Fahrtrecht sichergestellt. Gerade im ländlichen Raum sei aber die Erreichbarkeit des Wohngrundstücks auch mit Pkw zu dessen ordnungsgemäßer Benutzung notwendig. Dem geltend gemachten Anspruch stehe der Wortlaut des dinglich gesicherten Geh- und Fahrtrechts nicht entgegen. Ein Verzicht der Rechtsvorgänger des Klägers auf das Notwegrecht wirkte nur dann zu seinen Lasten, wenn dieser durch eine entsprechende Grunddienstbarkeit dinglich gesichert wäre. Hierfür hätte es der Eintragung des Verzichts im Grundbuch des klägerischen Grundstücks bedurft. Daran fehle es.
II.
Das hält revisionsrechtlicher Prüfung im Wesentlichen stand.
1. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass die auf dem Grundstück der Beklagten lastende Grunddienstbarkeit dem von dem Kläger geltend gemachten Notwegrecht gemäß § 917 BGB nicht entgegensteht. Entgegen der Auffassung der Revision liegt in der Beschränkung des eingetragenen Geh- und Fahrtrechts auf Kraftfahrzeuge, die keine Personenkraftwagen sind, kein dinglich wirkender Verzicht zu Lasten des klägerischen Grundstücks.
a) Richtig ist zwar, dass der Berechtigte auf das Notwegrecht verzichten kann. Ein seitens des Klägers erklärter Verzicht liegt aber nicht vor. Ein schuldrechtlicher Verzicht seiner Rechtsvorgänger, der sich aus dem der Bestellung des Geh- und Fahrtrechts zugrundeliegenden Schuldverhältnis ergeben kann, bindet den Kläger nicht.
b) Eine dingliche und damit auch den Einzelrechtsnachfolger bindende Wirkung des Verzichts kann nur durch eine entsprechende Grunddienstbarkeit erreicht werden (Staudinger/Roth, BGB [2009], § 918 Rn. 9; Saller in Grziwotz/Lüke/Saller, Praxishandbuch Nachbarrecht, 2. Aufl., 4. Teil Rn. 57; Dehner, Nachbarrecht, 7. Aufl., B § 27 S. 28).
aa) Nach der dritten Alternative des § 1018 BGB kann ein Grundstück zugunsten des jeweiligen Eigentümers eines anderen Grundstücks auch in der Weise belastet werden, dass die Ausübung eines Rechts ausgeschlossen ist, das sich aus dem Eigentum an dem belasteten Grundstück dem anderen Grundstück gegenüber ergibt. Dies betrifft in erster Linie die dingliche Verpflichtung, die Nachbarrechte aus §§ 904 bis 923 BGB nicht oder nur eingeschränkt auszuüben (BayObLG, MittBayNot 1990, 107, 108; BayObLGZ 2004, 103, 105; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1018 Rn. 75, 125; MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1018 BGB Rn. 38). Ein sich aus dem Grundeigentum ergebendes Recht im Sinne des § 1018 BGB stellt auch das Notwegrecht gemäß § 917 BGB dar. Ein Verzicht auf das Notwegrecht kann daher Gegenstand einer Grunddienstbarkeit im Sinne des § 1018 BGB sein (vgl. Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1018 Rn. 127; MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1018 BGB Rn. 39).
bb) Die Entstehung der Grunddienstbarkeit setzt gemäß § 873 BGB die Einigung und Eintragung in das Grundbuch voraus. Sie ist auf dem für das dienende Grundstück angelegten Grundbuchblatt einzutragen (vgl. Senat, Urteil vom 8. April 1988 – V ZR 34/87, BGHZ 104, 139, 142; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1018 Rn. 22; MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1018 BGB Rn. 59; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 1018 BGB Rn. 28), also auf dem des durch den Verzicht belasteten Grundstücks. Dadurch wird ein gutgläubiger lastenfreier Erwerb durch einen Dritten, für den allein das Grundbuchblatt dieses Grundstücks maßgebend ist, verhindert.
c) An einer im Grundbuch des klägerischen Grundstücks eingetragenen Grunddienstbarkeit des Inhalts, dass der Eigentümer auf ein Notwegrecht zum Befahren des Grundstücks der Beklagten mit Personenkraftwagen verzichtet, fehlt es hier. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es auf die zulasten ihres Grundstücks eingetragene Dienstbarkeit nicht an; denn aus einer Eintragung im Grundbuch des durch das Notwegrecht belasteten Grundstücks kann sich ein dinglich wirkender Verzicht auf das Notwegrecht nicht ergeben (vgl. für einen Vermerk nach § 9 GBO Demharter, GBO, 29. Aufl., § 9 Rn. 14; Staudinger/Mayer, BGB [2009], § 1018 Rn. 22; MünchKomm-BGB/Joost, 6. Aufl., § 1018 BGB Rn. 59).
2. Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht an, dass die Voraussetzungen für ein Notwegrecht des Klägers gemäß § 917 BGB vorliegen.
Es geht zutreffend von der Rechtsprechung des Senats aus, wonach eine ordnungsmäßige Grundstücksnutzung i.S.d. § 917 BGB bei einem Wohngrundstück auch die Möglichkeit voraussetzt, dieses mit einem Personenkraftwagen anzufahren, wenn es nicht lediglich um das Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück, sondern um dessen Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen geht (Senat, Urteil vom 18. Oktober 2013 - V ZR 278/12, MDR 2014, 149 Rn. 12; Urteil vom 12. Dezember 2008 - V ZR 106/07, NJW-RR 2009, 515, 517 Rn. 24). Seine tatrichterliche, auf einer Augenscheinnahme beruhende Würdigung, wonach unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ein Notwegrecht des Klägers zum Befahren mit einem Personenkraftwagen besteht, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
3. Keinen Bestand haben kann das Berufungsurteil hingegen, soweit sich die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung eines Notwegrechts auch auf die (Einzel-)Rechtsnachfolger der Parteien bezieht.
Zwar könnte auch ein neuer Eigentümer des klägerischen Grundstücks bei unveränderten tatsächlichen Verhältnissen (vgl. Senat, Urteil vom 25. November 1964 - V ZR 187/62, NJW 1965, 537, 538) gemäß § 917 BGB von den Beklagten einen Notweg verlangen. Das Verlangen ist aber Tatbestandsmerkmal für das Entstehen sowohl der Duldungs- als auch der Rentenzahlungspflicht (Senat, Urteil vom 19. April 1985 - V ZR 152/83, BGHZ 94, 160, 162). Solange ein Einzelrechtsnachfolger des Klägers einen Notweg nicht verlangt, hat er daher weder ein Benutzungsrecht noch ist er zu einer Rentenzahlung verpflichtet. Ebenso verhält es sich im Hinblick auf einen (Einzel-)Rechtsnachfolger der Beklagten. Eine Duldungspflicht bzw. ein Rentenanspruch eines Rechtsnachfolgers entstünde erst, wenn der Kläger auch diesem gegenüber die Benutzung verlangt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Czub Brückner
Weinland Kazele