Entscheidungsdatum: 26.02.2016
Auf die Rechtsmittel der Kläger werden das Urteil der Zivilkammer 85 des Landgerichts Berlin vom 19. Mai 2015 aufgehoben und das Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg vom 28. Mai 2014 abgeändert.
Die Beschlüsse der Wohnungseigentümer vom 8. Juli 2013 zu TOP 11, TOP 11 Nr. 8 und TOP 11 Nr. 11 werden für ungültig erklärt.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten.
Von Rechts wegen
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Nach der Teilungserklärung dürfen die Kläger die in ihrem Eigentum stehenden Einheiten 21 und 22 zu Wohn- oder Büroräumen ausbauen, wobei „jede Baumaßnahme gestattet (wird), welche behördlich genehmigt ist“. Zudem sind sie berechtigt, nicht benutzte Schornsteine zu entfernen und im Rahmen des baurechtlich Zulässigen ohne Zustimmung der übrigen Eigentümer und dinglich Berechtigten auf eigene Kosten und eigenes Risiko einen Personenaufzug einzubauen. Schließlich ist in der Teilungserklärung bestimmt, dass die Kläger verpflichtet sind, etwaige durch die Baumaßnahmen entstehende Schäden unabhängig von einem Verschulden auf eigene Kosten zu beseitigen.
Die Baugenehmigungen für den Dachgeschossausbau und den Einbau eines Aufzugs wurden 2006 erteilt. Das Bauvorhaben ist noch nicht abgeschlossen. 2011/2012 erfolgte eine Begehung durch den von der Eigentümergemeinschaft beauftragten Architekten R., der einzelne Mängel feststellte.
In der Eigentümerversammlung vom 8. Juli 2013 wurden u.a. folgende Beschlüsse gefasst:
„TOP 11
(…) die Hausverwaltung (wird) beauftragt und ermächtigt (…), die Dachgeschossausbauer um Herreichung aller notwendigen Unterlagen zum Dachausbau zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der bautechnischen Ausführungen nach den anerkannten Regeln der Technik und gemäß den öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere der Unterlagen zur Beantwortung der Fragen aus dem Begehungsbericht des Architekten R. … und den Schreiben der Hausverwaltung … aufzufordern. Nach Überreichung der Unterlagen soll ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger die Rechtmäßigkeit des Dachgeschossausbaus prüfen. Bei fruchtlosem Ablauf der gesetzten Frist soll ein Rechtsanwalt mit der außergerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs der WEG beauftragt werden. …
TOP 11 Nr. 8
Die Dachausbauer werden aufgefordert, unverzüglich die gutachterliche Stellungnahme des Schornsteinfegers zum Abbruch der Schornsteine vorzulegen.
TOP 11 Nr. 11
Frau P. (Anm.: Klägerin zu 1) wird aufgefordert, die technische Aufzugsplanung, die den im Antrag formulierten Kriterien entspricht, binnen einer Woche vorzulegen. Diese Unterlagen müssen die Art, Größe und Ausstattung des Aufzuges, die Gestaltung des Aufzugsschachtes, die Anlaufstellen, die Position des Antriebes, vertragliche Bindungen des Fahrstuhls und der noch auszuführenden Tätigkeiten im Treppenhaus und die Termine der Ausführung enthalten.“
Mit der am 8. August 2013 bei dem Amtsgericht eingegangenen Anfechtungsklage wenden sich die Kläger gegen diese Beschlüsse. Am 16. August 2013 ist ihren Prozessbevollmächtigten die Streitwertanfrage des Gerichts zugegangen. Dazu haben sich diese in der am 9. September 2013 eingegangenen Klagebegründung geäußert. Der mit gerichtlicher Verfügung vom 13. September 2013 bei den Prozessbevollmächtigten der Kläger angeforderte Gerichtskostenvorschuss ist am 20. September 2013 bei der Justizkasse eingegangen. Am 4. Oktober 2013 ist die Klage den Beklagten zugestellt worden.
Die Klage ist sowohl vor dem Amtsgericht als auch vor dem Landgericht erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihr Klageziel weiter. Die Beklagten beantragen die Zurückweisung des Rechtsmittels.
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist die Klage unbegründet, da die Kläger die einmonatige Anfechtungsfrist nach § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG versäumt hätten. Etwas anderes ergebe sich nicht aus § 167 ZPO, da die Klage nicht „demnächst“ zugestellt worden sei. Die von den Klägern zu vertretende Verzögerung der Zustellung der Klage überschreite den noch als hinnehmbar anzusehenden Zeitraum von 14 Tagen. Zwischen dem Zugang der Aufforderung zur Streitwertangabe und deren Erledigung lägen 23 Tage. Begreife man die 14-Tages-Frist als maximal zuzubilligende Verzögerungsfrist zwischen Zugang der gerichtlichen Aufforderung und deren Erledigung zuzüglich einer geringfügigen Überschreitungsmöglichkeit, sei die Frist nicht mehr gewahrt.
Die Frage der Fristwahrung sei entscheidungserheblich, da die Anfechtungsklage in der Sache begründet gewesen wäre. Die angefochtenen Beschlüsse entsprächen nicht ordnungsmäßiger Verwaltung. Die Beklagten hätten keinen Anspruch darauf, sämtliche Baumaßnahmen der Kläger bereits während der Herstellungsphase begleitend zu kontrollieren. Soweit der Architekt R. Mängel festgestellt habe, bestehe allenfalls ein Anspruch auf Mangelbeseitigung. Ebenso wenig könnten die Beklagten die Vorlage einer gutachterlichen Stellungnahme des Schornsteinfegermeisters verlangen. Es bestehe lediglich ein Anspruch auf Vorlage des abschließenden Abnahmeprotokolls. Schließlich könnten die Beklagten auch nicht vorab die Vorlage der technischen Aufzugsplanung verlangen.
II.
Die Revision der Kläger hat Erfolg.
1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts haben die Kläger die materielle Klageerhebungsfrist des § 46 Abs. 1 Satz 2 WEG gewahrt. Es ist auf den Eingang der Klageschrift bei Gericht abzustellen, da die Zustellung der Klage demnächst im Sinne von § 167 ZPO bewirkt worden ist.
a) Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, dass das Merkmal „demnächst“ (§ 167 ZPO) nur erfüllt ist, wenn sich die der Partei zuzurechnenden Verzögerungen der Zustellung der Klage in einem hinnehmbaren Rahmen halten. Dabei wird eine der Partei zuzurechnende Zustellungsverzögerung von bis zu 14 Tagen regelmäßig hingenommen (Senat, Urteil vom 10. Juli 2015 - V ZR 2/14, ZWE 2015, 375 Rn. 5; BGH, Urteil vom 3. September 2015 - III ZR 66/14, NJW 2015, 3101 Rn. 15; jeweils mwN).
b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist durch die verspätete Beantwortung der Streitwertanfrage des Amtsgerichts nicht eine von den Prozessbevollmächtigten der Kläger verschuldete und damit den Klägern zuzurechnende Verzögerung von mehr als 14 Tagen eingetreten.
aa) Der 14-Tage-Zeitraum berechnet sich nicht ab dem Tag, an welchem den Prozessbevollmächtigten der Kläger die Streitwertanfrage zugegangen ist. Vielmehr ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der für die Zustellung der Klage ohnehin erforderliche Zeitraum infolge der Nachlässigkeit der Kläger verzögert hat (BGH, Urteil vom 3. September 2015 - III ZR 66/14, NJW 2015, 3101 Rn. 15 mwN). Soweit der Senat für die Fallkonstellation der Gerichtskostenvorschussanforderung die Auffassung vertreten hat, der 14-Tage-Zeitraum sei schon ab Eingang der Vorschussanforderung zu berechnen, hat er hieran in der - allerdings erst nach Erlass des Berufungsurteils ergangenen - Entscheidung vom 10. Juli 2015 (V ZR 2/14, ZWE 2015, 375 Rn. 6) nicht mehr festgehalten.
bb) Danach hält sich die zurechenbare Verzögerung im vorliegenden Fall innerhalb eines Zeitraumes von 14 Tagen. Da die Rechtsprechung es der Partei gestattet, den Streitwert nicht in der Klageschrift anzugeben, sondern eine Streitwertanfrage des Gerichts für einen - wie hier - angemessenen Zeitraum abzuwarten (vgl. dazu Senat, Urteil vom 25. September 2015 - V ZR 203/14, NJW 2016, 568 Rn. 13), kann die Zeit, die die Partei zur Beantwortung der Streitwertanfrage auch bei zügiger Bearbeitung benötigt, nicht als ihr zuzurechnende schuldhafte Verzögerung angesehen werden. Ihr zuzurechnen ist vielmehr nur eine Verzögerung, die dadurch eintritt, dass sie die Streitwertanfrage nicht zügig beantwortet (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1993 - XII ZR 177/92, NJW 1994, 1073, 1074). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist im vorliegenden Fall die Streitwertanfrage den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 16. August 2013 zugegangen. Da auch bei einem einfach gelagerten Sachverhalt für die Beantwortung einer Streitwertanfrage einschließlich deren Eingang bei Gericht bei der gebotenen zügigen Bearbeitung ein Zeitraum von jedenfalls einer Woche zu veranschlagen ist (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 1993 - XII ZR 177/92, NJW 1994, 1073, 1074), kann den Klägern frühestens die ab dem 24. August 2013 eingetretene Verzögerung zugerechnet werden. Die hier maßgebliche Frist von 14 Tagen endete am 7. September 2013. Da es sich hierbei um einen Samstag handelte, ist unter Berücksichtigung des in § 193 BGB enthaltenen Rechtsgedankens mit der am Montag, den 9. September 2013, eingegangenen Beantwortung der Streitwertanfrage die 14-Tage-Frist noch gewahrt.
2. Der Senat hat in der Sache selbst zu entscheiden, weil die Aufhebung des angefochtenen Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Das Berufungsgericht führt - im Rahmen der Erörterung der Entscheidungserheblichkeit der Frage der Fristwahrung nach § 167 ZPO - rechtsfehlerfrei aus, dass die angefochtenen Beschlüsse nicht ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen.
a) Frei von Rechtsfehlern legt das Berufungsgericht die Beschlüsse unter Hinweis auf ein nach Beschlussanfechtung zwischen den Parteien einvernehmlich konkretisiertes Herausgabeverlangen dahingehend aus, dass die begehrte Vorlage von Bauunterlagen nicht lediglich der Überprüfung einzelner von dem Architekten R. festgestellter Mängel dient, sondern den Zweck hat, die gesamten baulichen Maßnahmen der Kläger bereits während der Herstellungsphase begleitend zu kontrollieren und einer Rechtmäßigkeitsüberprüfung zu unterziehen. Zu einer derart umfassenden begleitenden Überprüfung sind die Beklagten nach dem Inhalt der Teilungserklärung nicht berechtigt. Eine Berechtigung zur Durchführung einer solchen Rechtmäßigkeitskontrolle folgt auch nicht daraus, dass der von den Beklagten beauftragte Architekt R. bereits Mängel an den Ausbauten festgestellt hat. Das Berufungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass dies allenfalls einen Anspruch der Beklagten auf Beseitigung der festgestellten Mängel begründe, nicht aber einen Anspruch auf Vorlage der Bauunterlagen zum Zwecke einer Rechtmäßigkeitsüberprüfung der gesamten Baumaßnahmen.
b) Ohne Erfolg bleibt die von den Beklagten zu 1 erhobene Gegenrüge, das Berufungsgericht habe ihre Beweisangebote aus der Klageerwiderung nicht berücksichtigt. Darin hatten sie unter Beweis gestellt, dass das komplette Dach mit Dachstuhl entfernt und neu hergestellt worden sei, dass der Architekt R. bei der Begutachtung der Ausbauarbeiten, die sich auf eine reine Sichtkontrolle beschränkt habe, Mängel in der Bauausführung festgestellt habe und dass für die Beklagten im Zeitpunkt der Beschlussfassung die vollständige Behebung der Mängel ebenso fraglich gewesen sei wie das Vorhandensein verdeckter Mängel. Auf diese Behauptungen kommt es nicht an. Auch wenn sie als wahr unterstellt werden, folgt daraus kein berechtigtes Interesse der Beklagten an einer umfassenden Prüfung der „Rechtmäßigkeit“ sämtlicher von den Klägern veranlasster Baumaßnahmen und damit an einer Herausgabe der in den angefochtenen Beschlüssen genannten Unterlagen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Brückner Weinland
Kazele Haberkamp