Entscheidungsdatum: 09.02.2012
Auch nach Einführung des Rangklassenprivilegs für Wohngeldansprüche (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG) bedarf die Begründung von Wohnungseigentum nicht der Zustimmung der Gläubiger, deren Grundpfandrechte auf dem ganzen Grundstück lasten.
Auf die Rechtsmittel des Antragstellers werden der Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 11. April 2011 und die Zwischenverfügungen des Amtsgerichts Bensheim - Grundbuchamt - vom 6. und 27. Dezember 2010 aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Vollzug der Teilungserklärung nicht aus den Gründen der Zwischenverfügungen vom 6. und 27. Dezember 2010 zu verweigern.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 17.000 €.
I.
Mit Erklärung vom 24. November 2010 teilte der Antragsteller ein ihm gehörendes, mit Grundpfandrechten belastetes Grundstück nach § 8 WEG in Wohnungseigentum und beantragte die Eintragung der Aufteilung in das Grundbuch.
Das Grundbuchamt hat die Zustimmung der Grundpfandgläubiger zu der Aufteilung verlangt. Die dagegen gerichtete Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Antragsteller den Antrag auf Vollzug der Teilung weiter.
II.
Das Beschwerdegericht hält die Zustimmung der Grundpfandgläubiger zur Vollziehung der Teilungserklärung für erforderlich. Da bei einer Vollstreckung in das Grundstück Forderungen wegen rückständigen Wohngelds im Umfang von 5 % des festgesetzten Verkehrswerts Vorrang vor den Grundpfandrechten hätten (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG), führe die Aufteilung in Wohnungseigentum zu einer Änderung des Haftungsobjekts und erfordere deshalb gemäß den §§ 876, 877 BGB die Zustimmung der Grundpfandgläubiger.
III.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Vollzug der Teilungserklärung des Antragstellers ist nicht von der Zustimmung der Grundpfandgläubiger abhängig.
1. Richtig ist, dass die Eintragung einer Rechtsänderung die Bewilligung der dinglich Berechtigten gemäß § 19 GBO erfordert, welche nach materiellem Recht der Änderung zustimmen müssen (Senat, Beschluss vom 14. Juni 1984 - V ZB 32/82, BGHZ 91, 343, 347). Unzutreffend ist aber die Annahme des Beschwerdegerichts, bei der Begründung von Wohnungseigentum nach § 8 WEG handele es sich um die Inhaltsänderung eines Rechts, die in entsprechender Anwendung der §§ 876, 877 BGB der Zustimmung der Grundpfandgläubiger bedürfe.
a) Die Bestimmungen der §§ 876, 877 BGB schützen in ihrem unmittelbaren Anwendungsbereich den Inhaber eines Rechts an einem Grundstück (Zweigrecht), welches ein anderes an diesem Grundstück bestehendes Recht (Hauptrecht) belastet, indem sie die rechtsgeschäftliche Aufhebung und Änderung des Hauptrechts von seiner Zustimmung abhängig machen. Der Grundgedanke der Vorschrift ist einleuchtend: Ein Recht darf nicht ohne Zustimmung seines Inhabers geändert werden, wobei eine solche Änderung schon darin liegt, dass der Gegenstand, auf den sich das Recht bezieht, verändert wird (BGH, Urteil vom 9. Juni 1969 - III ZR 231/65, MDR 1969, 916).
Ein Recht an einem Grundstück kann allerdings nur ein beschränktes dingliches Recht sein, nicht dagegen das Eigentum selbst (Senat, Beschluss vom 14. Juni 1984 - V ZB 32/82, BGHZ 91, 343, 346). Auf die - reale oder ideelle - Teilung des Eigentums finden die §§ 876, 877 BGB daher keine Anwendung. Auch bedürfen Grundpfandgläubiger in einem solchen Fall keines Schutzes durch ein Zustimmungserfordernis; denn ihr Interesse an der Erhaltung des Gegenstands, auf den sich ihr Recht bezieht, ist dadurch gewährleistet, dass das Grundpfandrecht an den neu entstandenen (realen oder ideellen) Teilen als Gesamtrecht und damit in der Summe an dem gesamten Grundstück fortbesteht (§ 1132 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 1114, § 1192 Abs. 1 BGB).
b) Nach zutreffender, allerdings nicht unumstrittener Auffassung ist auch die Aufteilung eines Grundstücks nach § 8 WEG ebenso wie die Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 WEG als Teilung des Vollrechts anzusehen, auf welche die Vorschriften über die Änderungen eines belasteten Rechts weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden sind (BayObLGZ 1958, 273, 278 f.; OLG Stuttgart NJW 1954, 682, 683; OLG München, NJW 2011, 3588; Staudinger/Rapp, BGB [2005], § 8 Rn. 3; Briesemeister in Weitnauer, WEG, 9. Aufl., § 3 Rn. 74; Elzer in Riecke/Schmid, WEG, 3. Aufl., § 8 Rn. 23; Krause in Jennißen, WEG, 2. Aufl., § 8 Rn. 1; Bärmann/Pick, WEG, 19. Aufl., § 8 Rn. 10; Timme/Kral, WEG, § 8 Rn. 23; Heinemann, ZfIR 2011, 255, 256). Der Schutz der Grundpfandgläubiger wird auch hier dadurch bewirkt, dass sich ihr Recht kraft Gesetzes in ein Gesamtgrundpfandrecht an den entstehenden Wohnungseigentumseinheiten umwandelt und damit an dem gesamten, in seiner Substanz unveränderten Haftungsobjekt fortbesteht (vgl. Senat, Urteil vom 28. Mai 1976 - V ZR 203/75, NJW 1976, 2340, 2341; BGH, Urteil vom 30. Januar 1992 - IX ZR 64/91, NJW 1992, 1390; für die Unterteilung von Wohnungseigentum: Senat, Beschluss vom 17. Januar 1968 - V ZB 9/67, BGHZ 49, 250).
Die Gegenauffassung, die eine entsprechende Anwendung der §§ 876, 877 BGB befürwortet (so insbesondere Staudinger/Gursky, BGB [2007], § 877 Rn. 43; RGRK-BGB/Augustin, 12. Aufl., § 3 WEG Rn. 9; Becker/Schneider, ZfIR 2011, 545, 548; Kesseler, NJW 2010, 2317; ders., ZNotP 2010, 335; vgl. auch BayObLG 1957, 102, 115), vermag nicht zu überzeugen. Für einen Gläubiger, dessen Grundpfandrecht auf dem gesamten Grundstück lastet, wirkt die Begründung von Wohnungseigentum wie eine gemischt reale-ideelle Aufteilung des Vollrechts in Alleineigentum an bestimmten Raumeinheiten und Bruchteilsmiteigentum an dem übrigen Grundstück (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Januar 1968, V ZB 9/67, BGHZ 49, 250, 251 u. 253; siehe auch Weitnauer, DNotZ 1960, 115, 123). Sie lässt die Möglichkeit der Vollstreckung in das gesamte Grundstück - in Gestalt des Zugriffs auf alle Wohnungseigentumsrechte - unberührt. Demgemäß bedürfen, solange ein Recht als Gesamtpfandrecht auf allen Einheiten lastet, auch nachfolgende Änderungen im Verhältnis von Sonder- und Gemeinschaftseigentum nicht der Zustimmung des Pfandgläubigers (vgl. BayObLGZ 1991, 313, 317; BayObLGZ 1993, 166, 168 f.).
c) Anders verhält es sich nur, wenn selbständig belastete Miteigentumsanteile nach § 3 WEG umgewandelt werden. Hier hat die Begründung von Wohnungseigentum zur Folge, dass sich das Belastungsobjekt von einem Miteigentumsanteil im Sinne von § 1008 BGB in einen Anteil am Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an einer bestimmten Raumeinheit wandelt, welcher durch das zugunsten der übrigen Miteigentümer begründete Sondereigentum beschränkt ist. Demgemäß entspricht es allgemeiner Auffassung, dass bei einer selbständigen Belastung eines Miteigentumsanteils die Begründung von Wohnungseigentum in entsprechender Anwendung der §§ 876, 877 BGB der Zustimmung des Grundpfandgläubigers bedarf (vgl. BayOblGZ 1958, 273, 279; MünchKomm-BGB/Commichau, 5. Aufl., § 3 WEG Rn. 9; Armbrüster in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 2 Rn. 26).
d) Aus demselben Grund sind die genannten Vorschriften entsprechend anzuwenden, wenn der Gegenstand oder der Inhalt von selbständig belastetem Wohnungseigentum verändert wird. Hierzu zählen die Begründung von Sondernutzungsrechten (vgl. Senat, Beschluss vom 14. Juni 1984 - V ZB 32/82, BGHZ 91, 343 sowie Beschluss vom 24. November 1978 - V ZB 11/77, BGHZ 73, 145), die Umwandlung von Gemeinschaftseigentum in Sondereigentum oder umgekehrt (vgl. BayObLGZ 1991, 313) und die Änderung der mit dem Sondereigentum verbundenen Miteigentumsanteile (vgl. BayObLGZ 1993, 166, 168).
2. Daran, dass die Begründung von Wohnungseigentum nicht der Zustimmung der Grundpfandgläubiger bedarf, deren Rechte auf dem gesamten Grundstück lasten, hat sich durch die Einführung des Rangklassenprivilegs für rückständiges Wohngeld in § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007 (BGBl I S. 370) nichts geändert (im Ergebnis ebenso: KG, ZfIR 2011, 254; OLG Oldenburg, Rpfleger 2011, 318; OLG München, NJW 2011, 3588; Schneider, ZNotP 2010, 299; Heinemann, ZfIR 2011, 255, 256; aA Kesseler in Timme, WEG, § 3 Rn. 30; ders., NJW 2010, 2317; wohl auch Palandt/Bassenge, BGB, 71. Aufl., § 8 WEG Rn. 1). Zwar führt dieses Privileg zu einer Verschlechterung der Rechtsstellung der Grundpfandgläubiger, weil sie nach der Aufteilung des Grundstücks im Fall der Zwangsvollstreckung mit vorrangigen Ansprüchen aus der Rangklasse des § 10 Abs.1 Nr. 2 ZVG rechnen müssen. Einer entsprechenden Anwendung der §§ 876, 877 BGB steht aber das Fehlen einer planwidrigen Regelungslücke entgegen (zu deren Notwendigkeit: Senat, Beschluss vom 14. Juni 2007 - V ZB 102/06, NJW 2007, 3124 Rn. 11 m.w.N.). Das Vorrecht für Wohngeldansprüche betrifft nach dem Willen des Gesetzgebers auch Grundpfandrechte, die vor der Gesetzesänderung begründet worden sind (vgl. BT-Drucks. 16/887 S. 44). Es wirkt somit - da es vor der Gesetzesänderung einhelliger Auffassung entsprach, dass ein Grundstückseigentümer zur Teilung seines Grundstücks gemäß § 8 WEG nach materiellem Recht nicht der Zustimmung der Grundpfandgläubiger bedurfte (vgl. Staudinger/Gursky, BGB [2007], § 877 Rn. 62; Armbrüster in Bärmann, WEG, 11. Aufl., § 2 Rn. 23 jeweils mwN) - auch zu Lasten von Gläubigern, die der Umwandlung des ursprünglich ungeteilten Haftungsobjekts in Wohnungseigentum nicht zugestimmt haben. Das lässt den Schluss zu, dass der Gesetzgeber das Recht des Eigentümers, sein Grundstück ohne Zustimmung der dinglichen Gläubiger in Wohnungseigentum aufzuteilen (vgl. BayObLGZ 1958, 273, 278 f.), nicht beschränken wollte. Andernfalls stünden die Grundpfandgläubiger eines erst nach Inkrafttreten des Rangklassenprivilegs geteilten Grundstücks besser als die von einer früheren Aufteilung betroffenen, ohne dass sich hierfür ein sachlicher Grund fände (so zutreffend OLG München, NJW 2011, 3588, 3589).
IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Der nach § 131 Abs. 4, § 30 Abs. 2 KostO festgesetzte Gegenstandswert bemisst sich nach dem Wert des Vorrechts gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG (5 % von 340.000 €).
Krüger Stresemann Czub
Brückner Weinland