Entscheidungsdatum: 06.10.2011
1. Die Beschwer des zu einem jährlich wiederkehrenden Zurückschneiden einer Hecke verurteilten Beklagten bemisst sich nach § 9 ZPO .
2. Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur zur prüfen, ob das Berufungsgericht die von dem Amtsgericht wegen der Annahme einer höheren Beschwer versäumte Entscheidung über die Zulassung der Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO nachgeholt worden ist, nicht ob die getroffene Entscheidung richtig ist .
3. An der erforderlichen Nachholung der Zulassungsentscheidung fehlt es, wenn sich aus der Entscheidung des Berufungsgerichts ergibt, dass dieses nicht alle Zulassungsgründe geprüft hat .
Auf die Rechtsbeschwerde der Beklagten wird der Beschluss der 7. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 2. März 2011 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.050 €.
I.
Das Amtsgericht hat die Beklagten auf der Grundlage von § 14 Abs. 1 SächsNRG verurteilt, die auf ihrem Grundstück in K. befindliche Thujahecke "so zurückzuschneiden, dass deren Höhe eine solche von 2,00 m nicht übersteigt". Den Streitwert hat es auf 1.000 € festgesetzt. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung der Beklagten hat das Landgericht durch Beschluss als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten, mit welcher diese weiterhin die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen möchten.
II.
Das Berufungsgericht meint, die Beklagten hätten eine 600 € übersteigende Beschwer nicht glaubhaft gemacht. Die Beschwer entspreche nach § 9 ZPO dem 3,5-Fachen der jährlichen Kosten. Dass diese mehr als 171,42 € betrügen, hätten die Beklagten nicht glaubhaft gemacht. Das dazu vorgelegte Schreiben ihres Gärtners weise zwar 200 € für die jährliche Pflege der Hecke aus, umfasse aber noch zusätzliche Pflegemaßnahmen, zu denen die Beklagten nicht verurteilt seien. Die Berufung sei auch nicht nach § 522 ZPO zuzulassen, weil die Sache keine grundsätzliche Bedeutung habe.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Die von den Beklagten eingelegte Rechtsbeschwerde ist nach § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Zulässig ist sie nach § 574 Abs. 2 ZPO nur, wenn auch ein Zulassungsgrund gegeben ist. Das ist hier im Ergebnis der Fall.
a) Mit der Fehlerhaftigkeit der Verweigerung der Berufungszulassung in dem angefochtenen Beschluss lässt sich das allerdings entgegen der Ansicht der Beklagten nicht begründen.
aa) Im Rechtsbeschwerdeverfahren ist nur zu prüfen, ob das Berufungsgericht seiner gesetzlichen Pflicht zur Nachholung der Entscheidung über die Zulassung der Berufung entsprochen hat. Diese Pflicht besteht, wenn - wie hier - das erstinstanzliche Gericht keine Veranlassung gesehen hat, die Berufung nach § 511 Abs. 4 ZPO zuzulassen, weil es den Streitwert auf über 600 € festgesetzt hat, und das Berufungsgericht diesen Wert für nicht erreicht hält (BGH, Urteil vom 14. November 2007 - VIII ZR 340/06, NJW 2008, 218, 219 Rn. 12; Beschluss vom 26. Oktober 2010 - VI ZB 74/08, NJW 2011, 615). Ob die Entscheidung über die Zulassung der Berufung sachlich richtig ist, ist im Rechtsbeschwerdeverfahren entgegen der Ansicht der Beklagten nicht zu prüfen. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über die Zulassung ersetzt lediglich die an sich - ex post - gebotene Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts nach § 511 Abs. 4 ZPO und ist wie diese nicht anfechtbar. Diese Entscheidung des Gesetzgebers würde unterlaufen, könnte die nachgeholte Zulassungsentscheidung im Rechtsbeschwerdeverfahren inhaltlich überprüft werden.
bb) Das Berufungsgericht ist seiner Pflicht zur Nachholung der Zulassungsentscheidung hier allerdings nur teilweise nachgekommen. Es hat schon nicht gesehen, dass die nachzuholende Entscheidung über die Zulassung nicht nach dem Maßstab des § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zu treffen ist, sondern nach dem Maßstab des § 511 Abs. 4 ZPO. Vor allem aber hat es übersehen, dass sich die Zulassungsgründe nach § 511 Abs. 4 ZPO nicht in dem Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erschöpfen, sondern auch die Zulassungsgründe der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und der Fortbildung des Rechts umfassen. Die unterlassene Prüfung ist im Rechtsbeschwerdeverfahren nachzuholen, wenn die getroffenen Feststellungen - wie hier - eine solche Entscheidung erlauben (Senat, Beschluss vom 19. Mai 2011 - V ZB 250/10, WuM 2011, 432, 433). Sie ergibt, dass ein Zulassungsgrund nicht vorliegt. Hier kommt zwar der Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung in Betracht, weil das Amtsgericht den Einwand der Verjährung oder des Erlöschens des Anspruchs mit einer unhaltbaren Begründung verneint hat. Ein nach § 15 SächsNRG aF erloschener Anspruch bleibt nach § 32a SächsNRG i.V.m. Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 5 EGBGB auch nach dem Inkrafttreten von § 31 SächsNRG am 1. Januar 2009 erloschen und lebt nicht etwa wieder auf. Auf diese Frage kommt es aber nicht an, weil der Anspruch auf Zurückschneiden einer Hecke nach § 14 Abs. 1 SächsNRG, worauf der Vertreter der Klägerin mit Recht aufmerksam gemacht hat, nach jedem Nachwachsen über die höchstzulässige Höhe wieder neu entsteht und damit ungeachtet des Erlöschens früherer Ansprüche weder verjährt noch ausgeschlossen ist.
b) Die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde ergibt sich indessen nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO daraus, dass das Berufungsgericht dem Kläger den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert hat (vgl. dazu: BVerfGE 40, 88, 91; 67, 208, 212 f.; BVerfG NJW 1996, 2857; 2000, 1636; 2001, 1566; FamRZ 2002, 533; Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003 - V ZB 28/03, NJW 2004, 367, 368). Eine solche Erschwerung liegt zwar nicht schon in einem Fehler bei der Bemessung der Beschwer und auch nicht in jeder Überschreitung des dabei gegebenen Ermessens (Senat, Beschlüsse vom 20. Januar 2011 - V ZB 193/10, ZWE 2011, 174, 175 und vom 31. März 2011 - V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026). Bei der Bemessung der Beschwer des Klägers hat das Berufungsgericht aber nicht nur die Grenzen seines Ermessens überschritten. Es hat vielmehr schon den Umfang der Verurteilung der Beklagten im entscheidenden Punkt verkannt.
2. Das Rechtsmittel ist begründet. Die Berufung durfte nicht als unzulässig verworfen werden, weil die Beschwer des Klägers den Betrag von 600 € übersteigt.
a) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist es allerdings nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die Beschwer nach § 9 ZPO bemessen hat. Nach Satz 1 dieser Vorschrift wird der Wert des Rechts auf wiederkehrende Nutzungen und Leistungen nach dem 3,5-Fachen des einjährigen Bezugs berechnet. Diese Vorschrift gilt zwar in erster Linie für Ansprüche aus Stammrechten, die dem Berechtigten einen Anspruch auf regelmäßig oder unregelmäßig wiederkehrende Geldzahlungen oder Sachleistungen gleichen Umfangs vermitteln (Zöller/Herget, ZPO, 28. Aufl., § 9 Rn. 3 f.). Eine Sachleistung liegt auch vor, wenn der Verpflichtete eine regelmäßig wiederkehrende Störung zu beseitigen hat. Umstritten muss dabei das Stammrecht selbst sein (OLG Karlsruhe, NJOZ 2005, 2051, 2052; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 9 Rn. 11). Danach ist die hier umstrittene Verpflichtung zum Zurückschneiden der Hecke auf eine Höhe von 2 m als solche eine wiederkehrende Leistung. Die Beklagten müssen nach dem angefochtenen Urteil ihre Hecke nach jedem Hinauswachsen über die Höchstgrenze beschneiden lassen. Dazu wird es jedes Jahr nach der Wachstumsperiode kommen. Dass die Häufigkeit von dem Wuchs abhängt, ändert an dem Charakter als wiederkehrende Verpflichtung nichts. Der zurückzuschneidende Wuchs mag zwar unterschiedlich ausfallen. Anhaltspunkte dafür, dass der für das Zurückschneiden erforderliche Aufwand deshalb unterschiedlich hoch wäre oder werden könnte, sind aber nicht ersichtlich. Die Anwendung von § 9 ZPO scheitert auch nicht daran, dass das Zurückschneiden keine "Leistung" im Sinne dieser Vorschrift wäre. Der Begriff der Leistung entspricht dem Begriff der Leistung in § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB (MünchKomm-ZPO/Wöstmann, 3. Aufl., § 9 Rn. 3; Prütting/Gehrlein/Gehle, ZPO, 3. Aufl., § 9 Rn. 2). Dieser umfasst auch das wiederkehrende Zurückschneiden einer Hecke.
b) Das Berufungsgericht hat aber den nach § 9 Satz 1 ZPO maßgeblichen Wert des einjährigen Bezugs fehlerhaft festgestellt.
aa) Dabei hat das Berufungsgericht ein tatrichterliches Ermessen, jedenfalls wenn Sachleistungen zu bewerten sind. Die Festsetzung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden, ob das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Senat, Beschluss vom 9. Juli 2004 - V ZB 6/04, NJW-RR 2005, 219, 220 für § 3 ZPO).
bb) Ein solcher Fehler liegt hier zwar nicht in der Bewertung der von den Beklagten vorgelegten Kostenaufstellung. Das Berufungsgericht hat aber den Umfang der Verurteilung der Beklagten verkannt und den "Wert des einjährigen Bezugs" zu niedrig angesetzt.
(1) Das Berufungsgericht begründet seine Entscheidung damit, dass die vorgelegte Kostenschätzung des Gärtners der Beklagten im Umfang von 30 € Kosten für Leistungen enthält, zu deren Vornahme die Beklagten nicht verurteilt worden sind, und dass das 3,5-Fache der bereinigten Kostenschätzung in Höhe 170 € den Grenzwert von 600 € nicht übersteigt. Dabei hat es aber übersehen, dass der Gärtner, worauf die Beklagten ausdrücklich hingewiesen haben, nur die Kosten für den von ihnen bislang jährlich im Herbst veranlassten einmaligen Rückschnitt der Hecke angesetzt hat.
(2) Nach § 14 SächsNRG sind die Beklagten zwar rechtlich zu nicht mehr als nur einem Rückschnitt jährlich verpflichtet. Das ergibt sich daraus, dass der Grundstückseigentümer nach § 14 Abs. 2 SächsNRG das Zurückschneiden und die Beseitigung von Pflanzen nicht in der Zeit vom 1. März bis zum 30. September vorzunehmen braucht und nach § 25 Abs. 1 Nr. 5 SächsNatSchG vorbehaltlich einer Ausnahmegenehmigung nach § 25 Abs. 2, 2a SächsNatSchG auch nicht vornehmen darf. Solche gesetzliche Beschränkungen müssen aber in der konkreten Verurteilung ihren Niederschlag finden (vgl. Senat, Urteil vom 20. November 1992 - V ZR 82/91, BGHZ 120, 239, 247 für ein öffentlich-rechtliches Verbot nach BNatSchG). Die Vollstreckungsorgane könnten sonst mit den im Vollstreckungsverfahren zu Gebote stehenden Mitteln nicht feststellen, ob eine dem Wortlaut nach nicht beschränkte Urteilsverpflichtung in Wirklichkeit auf eine Durchsetzung in bestimmten Zeiträumen beschränkt sein soll. Daran fehlt es hier. Nach dem Wortlaut der Verurteilung haben die Beklagten die Hecke ständig auf einer Höhe bis zu 2 m zu halten. Eine Beschränkung auf den Zeitraum außerhalb der Wachstumsperiode enthält die Verurteilung nicht.
(3) Die Klägerin kann deshalb von den Beklagten ein jährlich nicht nur ein einmaliges, sondern ein mehrmaliges Zurückschneiden der Hecke verlangen. Die Hecke wird nämlich bei Einbeziehung auch der Wachstumsperiode jährlich voraussichtlich mehrmals die vorgegebene Höhe von 2 m übersteigen. Das hat zur Folge, dass der Wert des einjährigen Bezugs im Sinne von § 9 Satz 1 ZPO nicht dem Wert eines einmaligen, sondern dem Wert eines mehrmaligen jährlichen Zurückschneidens der Hecke entspricht. Bliebe die Verurteilung unverändert bestehen, müssten die Beklagten ihre Hecke nach der Einschätzung des Senats mindestens zweimal im Jahr, nämlich in und nach der Wachstumsperiode, zurückschneiden. Den dafür jeweils erforderlichen Aufwand schätzt der Senat auf der Grundlage der von den Beklagten vorgelegten Aufstellung des Gärtners mit 150 €, was einem jährlichen Gesamtaufwand von 300 € entspricht. Die Beschwer der Beklagten beträgt damit 1.050 €. Die Berufung ist deshalb ohne Zulassung statthaft.
IV.
Die Sache ist nach § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO an das Berufungsgericht zur erneuten Entscheidung zurückzuverweisen. Dafür wird es nicht auf die bisher streitige Frage der Verjährung, sondern darauf ankommen, den Ausspruch entsprechend § 14 Abs. 2 SächsNRG einzuschränken.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub