Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 06.03.2014


BGH 06.03.2014 - V ZB 27/13

Grundbuchverfahren zur Eintragung einer Nachverpfändungserklärung: Tatsächliche Vermutung der Sicherung einer Geldschuld durch eine Grundschuld; Auslegung einer Eintragungsbewilligung zur wechselseitigen Erstreckung von Grundschulden auf Erbbaurechte und Eintragung eines Klarstellungsvermerks für die Fälligkeitsregelung nach neuem Recht


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
06.03.2014
Aktenzeichen:
V ZB 27/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend OLG Braunschweig, 7. Februar 2013, Az: 2 W 10/13vorgehend AG Northeim, 20. Dezember 2012, Az: Northeim-9064-29
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Ist der Sicherungscharakter einer Grundschuld aus der Bestellungsurkunde ersichtlich oder soll eine Bank als Grundschuldgläubigerin eingetragen werden, darf das Grundbuchamt davon ausgehen, dass die Grundschuld eine Geldforderung sichert.

2. Soll eine vor dem 20. August 2008 bestellte sofort fällige Grundschuld auf ein Grundstück erstreckt werden und ergibt sich aus den Umständen, dass die Grundschuld eine Geldforderung sichert, so ist die Eintragungsbewilligung regelmäßig dahingehend auszulegen, dass für das neu belastete Grundstück die gesetzlichen Fälligkeitsvoraussetzungen gelten sollen; dies hat das Grundbuchamt von Amts wegen durch einen Klarstellungsvermerk zu kennzeichnen.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten wird der Beschluss des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Braunschweig vom 7. Februar 2013 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Northeim vom 20. Dezember 2012 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird auf die Beschwerde der Beteiligten die Zwischenverfügung des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Northeim vom 20. Dezember 2012 aufgehoben. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - Northeim wird angewiesen, den Vollzug des Antrags auf Eintragung der Grundschuld über 869.196,20 € im Erbbaugrundbuch von Northeim Blatt 9064 nicht aus den in der Zwischenverfügung vom 20. Dezember 2012 angeführten Gründen zu verweigern.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3.000 €.

Gründe

I.

1

Die Beteiligte ist Inhaberin der beiden im Eingang des Beschlusses genannten Erbbaurechte, die jeweils mit einer 1985 zugunsten einer Bank bestellten und sofort fälligen Grundschuld belastet sind. Mit notarieller Erklärung vom 15. November 2012 erstreckte die Beteiligte die Grundschulden unter Bezugnahme auf die jeweiligen Bestellungsurkunden wechselseitig jeweils auf das andere Erbbaurecht. Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat der Beteiligten durch Zwischenverfügung vom 20. Dezember 2012 aufgegeben, die Nachverpfändungserklärungen insoweit zu ergänzen, als jeweils (nur) hinsichtlich der Nachverpfändung die Fälligkeitsregelung des § 1193 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BGB nF Anwendung finde. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beteiligten hat nur im Hinblick auf die Erstreckung einer der Grundschulden auf das andere Erbbaurecht Erfolg gehabt. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde will die Beteiligte erreichen, dass die unterbliebene Eintragung erfolgt, mit der die auf Bl. 9074 des Erbbaugrundbuchs von N.     eingetragene Grundschuld auf das auf Bl. 9064 eingetragene Erbbaurecht erstreckt werden soll.

II.

2

Das Beschwerdegericht meint, insoweit könne die Nachverpfändung nicht eingetragen werden, weil die nach Inkrafttreten von § 1193 Abs. 2 Satz 2 BGB abgegebene Bewilligungserklärung nicht eindeutig sei. Es fehle an einer ausdrücklichen Erklärung zu der Fälligkeit der Grundschuld, soweit diese sich auf das neu belastete Erbbaurecht beziehe. Eine solche Erklärung sei nur dann entbehrlich, wenn sich aus den Umständen eindeutig ergebe, dass es sich bei dem zu erstreckenden Recht um eine Sicherungsgrundschuld handele. In diesem Fall könne von Amts wegen ein Klarstellungsvermerk eingetragen werden, der kenntlich mache, dass (nur) für das neu belastete Recht die gesetzliche Kündigungsfrist gelte. In diesem Sinne eindeutig sei lediglich eine der beiden Nachverpfändungserklärungen, weil der dort in Bezug genommenen Bestellungsurkunde zufolge Zahlungen auf die gesicherten Ansprüche zu verrechnen seien. An einem derartigen Hinweis auf einen Sicherungscharakter fehle es dagegen bei der zweiten Grundschuld; insoweit bedürfe es einer Ergänzung der Eintragungsbewilligung.

III.

3

Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.

4

1. Im Ausgangspunkt zutreffend geht das Beschwerdegericht davon aus, dass die vor dem 20. August 2008 bestellte Grundschuld sofort fällig ist, soweit sie das bereits belastete Erbbaurecht betrifft. Dagegen setzt die Fälligkeit der Grundschuld hinsichtlich des nachbelasteten Erbbaurechts zwingend eine Kündigung unter Einhaltung einer sechsmonatigen Frist voraus, sofern die Grundschuld eine Geldforderung sichert; dies ergibt sich aus § 1193 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 BGB. Diese Norm findet bezogen auf das zusätzlich verpfändete Erbbaurecht Anwendung, weil es sich bei der Pfanderstreckung um die Neubestellung einer Grundschuld handelt (vgl. Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 22/10, BGHZ 186, 28 Rn. 20 f.). Solche abweichenden Fälligkeitsbedingungen sind nach der Rechtsprechung des Senats bei einer Gesamtgrundschuld zulässig (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 22/10, aaO Rn. 22 ff.).

5

2. Nach Auffassung der Rechtsliteratur soll die Eintragung einer solchen Nachverpfändung voraussetzen, dass die Eintragungsbewilligung - woran es hier fehlt - eine ausdrückliche Erklärung zu der Geltung der gesetzlichen Fälligkeitsbedingungen enthält; es könne nicht einfach auf den bisherigen Inhalt der Grundschuld im Grundbuch verwiesen werden (Böhringer, Rpfleger 2009, 124, 131; ders., Rpfleger 2010, 406, 411; Böttcher, NJW 2010, 1647, 1649; Dietz, DNotZ 2010, 686, 690). Teils wird dies allerdings nur dann angenommen, wenn sich der Sicherungscharakter der Grundschuld nicht aus den Umständen ergibt (Bestelmeyer, Rpfleger 2009, 377, 378). Erwogen wird auch, dass die Eintragung vorgenommen werden könne, wenn die Unwirksamkeit der Fälligkeitsbestimmung offenkundig sei; dann sei ein Klarstellungsvermerk hinsichtlich der abweichenden Fälligkeit erforderlich (Böhringer, BWNotZ 2009, 61, 63 f.). Der Senat hat diese Frage noch nicht entschieden. Allerdings hat er bereits darauf hingewiesen, dass das Grundbuchamt erwägen müsse, die Geltung der gesetzlichen Fälligkeitsvoraussetzungen für den nachbelasteten Teil durch einen Klarstellungsvermerk zu kennzeichnen, wenn die abweichende Fälligkeit aus der Eintragungsbewilligung nicht ersichtlich sei (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 22/10, NJW 2010, 3300 Rn. 29, insoweit in BGHZ 186, 28 ff. nicht abgedruckt).

6

3. Für die Zulässigkeit der von der Beteiligten beantragten Eintragung ist zunächst maßgeblich, wie die in § 1193 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BGB vorgeschriebene zwingende Fälligkeitsregelung allgemein bei der Neubestellung einer Grundschuld zu handhaben ist.

7

a) Enthält die Eintragungsbewilligung keine Fälligkeitsbestimmung, so gelten die gesetzlichen Fälligkeitsbedingungen. Dagegen bedarf eine hiervon abweichende Fälligkeit der Verlautbarung im Grundbuch durch Bezugnahme auf die Eintragungsbewilligung (§ 1193 Abs. 2 Satz 1 BGB; Palandt/Bassenge, BGB, 73. Aufl., § 1193 Rn. 2; Volmer, MittBayNot 2009, 1, 3). Sieht diese die sofortige Fälligkeit vor, muss das Grundbuchamt sicherstellen, dass das Grundbuch nicht inhaltlich unrichtig wird (Böhringer, Rpfleger 2009, 124, 131). Von dem Sicherungscharakter - und damit insoweit von der Unzulässigkeit der Eintragung - muss es ausgehen, wenn die eingereichte Bestellungsurkunde zugleich die Sicherungsabrede enthält oder aus ihr die Einschränkung des Sicherungszwecks auf die Kaufpreisfinanzierung zu entnehmen ist (Böttcher, NJW 2010, 1647, 1649; Bestelmeyer, Rpfleger 2009, 377, 378; Böhringer, BWNotZ 2009, 61, 62). Das gleiche gilt, wenn eine Bank als Grundschuldgläubiger eingetragen werden soll. Denn nach der Lebenserfahrung erhalten Banken Grundschulden nicht isoliert, sondern nur zur Absicherung ihrer Forderungen. Diese Lebenserfahrung ist Beweismittel im Sinne von § 29 GBO. Abweichungen hiervon müssen plausibel dargelegt werden (so zutreffend Böhringer, Rpfleger 2010, 406, 411).

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b) Ist die Eintragung daran gemessen unzulässig, muss das Grundbuchamt in der Regel zunächst mit einer Zwischenverfügung (§ 18 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 GBO) auf das Eintragungshindernis hinweisen. Denn das Hindernis kann jedenfalls dadurch behoben werden, dass in der Form des § 29 GBO entweder von der Fälligkeitsbestimmung abgesehen oder dargelegt wird, dass die Grundschuld keine Geldforderung sichert.

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4. Davon ausgehend ist bei einer Nachverpfändung folgendermaßen zu verfahren:

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a) Maßgeblich ist zunächst die Eintragungsbewilligung. Nimmt diese - wie es regelmäßig der Fall sein wird - auf die ursprüngliche Bestellungsurkunde Bezug, in der die sofortige Fälligkeit vorgesehen ist, hat das Grundbuchamt zu prüfen, ob auch für die neue Eintragung die sofortige Fälligkeit gewollt ist. Insoweit ist die Eintragungsbewilligung als verfahrensrechtliche Erklärung auslegungsfähig; das Grundbuchamt ist zu der Auslegung nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet (Demharter, GBO, 29. Aufl., § 19 Rn. 28 mwN). Muss es anhand der Umstände davon ausgehen, dass die Grundschuld eine Geldforderung sichert, ist in der Regel anzunehmen, dass die Geltung der gesetzlichen Regelung beabsichtigt ist. Denn weil die Eintragungsbewilligung im Zweifel einen zulässigen Inhalt haben soll, ist regelmäßig nicht gewollt, dass die Bezugnahme auf die ursprüngliche Bestellungsurkunde auch die (inzwischen gesetzlich nicht mehr zulässige) Fälligkeitsregelung umfasst. Einer ausdrücklichen Ergänzung der Eintragungsbewilligung in der Form des § 29 GBO bedarf es dann nicht.

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b) Solche Umstände, die auf den Sicherungscharakter der Grundschuld schließen lassen, liegen - wie allgemein bei der Neubestellung einer Grundschuld - dann vor, wenn sich der Sicherungscharakter aus der Bestellungsurkunde ergibt oder eine Bank als Grundschuldgläubigerin eingetragen werden soll. Fehlt es hieran, kann das Grundbuchamt allerdings nicht ohne weiteres annehmen, dass die Grundschuld (ausnahmsweise) isoliert bestellt werden soll. Dann bedarf es vielmehr einer ergänzenden Erklärung über die Fälligkeit; sollen die gesetzlichen Fälligkeitsvoraussetzungen tatsächlich abbedungen werden, ist eine Erklärung über den fehlenden Sicherungscharakter der Grundschuld - jeweils in der Form des § 29 GBO - erforderlich.

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c) Infolge der Eintragung darf allerdings nicht der unzutreffende Eindruck entstehen, die Gesamtgrundschuld sei insgesamt sofort fällig. Diese Gefahr bestünde, wenn aus dem Grundbuch zwar die sofortige Fälligkeit des zuvor bereits belasteten Rechts, nicht aber die aus der Eintragungsbewilligung nicht ersichtliche abweichende Fälligkeit des zusätzlich verpfändeten Rechts hervorginge. Vermieden wird dies - wie es der Senat bereits angedeutet hat - durch die Eintragung eines Klarstellungsvermerks (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 22/10, NJW 2010, 3300 Rn. 29, insoweit in BGHZ 186, 28 ff. nicht abgedruckt; vgl. auch Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rn. 294 aE). Ein solcher Vermerk kann bei unklaren Eintragungen von Amts wegen einzutragen sein (Schöner/Stöber, aaO, Rn. 295).

13

5. Von diesen Maßstäben geht das Beschwerdegericht im Grundsatz rechtsfehlerfrei aus. Zu Unrecht sieht es jedoch die Nachverpfändungserklärung als ergänzungsbedürftig an. Zutreffend verweist die Beteiligte nämlich darauf, dass ausweislich der in Bezug genommenen Grundschuldbestellungsurkunde vom 9. September 1985 eine Bank Grundschuldgläubigerin ist. Zudem wird im Eingang der Urkunde der „Darlehensnehmer und persönliche Schuldner“ aufgeführt, der zugleich gegenüber der Bank die persönliche Haftung übernimmt und sich der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Danach unterliegt es keinem vernünftigen Zweifel, dass auch diese Grundschuld eine Geldforderung sichern soll. Folglich ist die Eintragungsbewilligung dahingehend auszulegen, dass sich die dort enthaltene Bezugnahme auf die Grundschuldbestellungsurkunde vom 9. September 1985 nicht auf die (für die Nachverpfändung unzulässige) Fälligkeitsregelung erstrecken soll.

IV.

14

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil das Verfahren gebühren- und auslagenfrei ist (§ 136 Abs. 1 Nr. 2 GNotKG, § 131 Abs. 3, 7 KostO). Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 4 i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.

Stresemann                     Czub                       Brückner

                   Weinland                  Kazele