Entscheidungsdatum: 09.10.2014
Kann ein Zwangsversteigerungsverfahren die Befriedigung des betreibenden Gläubigers aus dem Versteigerungserlös von vorneherein erkennbar nicht einmal teilweise erreichen, sind die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht als notwendig im Sinne von § 788 Abs. 1 ZPO anzusehen. Dass der Versteigerungsantrag des Gläubigers aufgrund der ihm bleibenden Chance freiwilliger Leistungen des Schuldners zulässig ist, ändert daran nichts.
Auf die Rechtsbeschwerde des Schuldners wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden vom 2. Januar 2014 aufgehoben.
Die Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Idstein vom 17. Oktober 2013 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 9.360,32 €.
I.
Der Schuldner ist hälftiger Miteigentümer des in dem Eingang dieses Beschlusses bezeichneten Grundbesitzes, der mit einem Zweifamilienhaus bebaut ist. Die Gläubigerin betrieb aus den in Abteilung III Nr. 13 und 14 des Grundbuchs zu Lasten des Miteigentumsanteils des Schuldners eingetragenen Zwangssicherungshypotheken über 52.320,08 € und 52.320,07 € die Zwangsversteigerung. Der Miteigentumsanteil, dessen Verkehrswert das Amtsgericht auf 150.000 € festgesetzt hat, ist mit vorrangigen dinglichen Rechten belastet. Dazu gehören zwei in Abteilung II Nr. 1 und 2 eingetragene Grunddienstbarkeiten, ein in Abteilung II Nr. 3 eingetragener Altenteil sowie in Abteilung III Nr. 2, 5 bis 12 eingetragene Hypotheken und Grundschulden. Bei der Feststellung des geringsten Gebotes bewertete das Amtsgericht die bestehenbleibenden Rechte mit 256.171,64 € und setzte den bar zu zahlenden Betrag auf 114.826,02 € fest. Da im Versteigerungstermin kein Gebot abgegeben wurde, stellte das Amtsgericht das Verfahren einstweilen ein und hob es schließlich auf, nachdem die Gläubigerin innerhalb von sechs Monaten keinen Fortsetzungsantrag gestellt hatte.
Das Amtsgericht hat auf Antrag des Schuldners die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens der Gläubigerin auferlegt. Auf deren Beschwerde hat das Landgericht den Antrag des Schuldners zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde erstrebt der Schuldner die Wiederherstellung der Entscheidung des Amtsgerichts.
II.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts sind die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens von dem Schuldner zu tragende notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung im Sinne von § 788 Abs. 1 Satz 1 ZPO. Dem stehe nicht entgegen, dass die das Verfahren betreibende Gläubigerin aufgrund der vorgehenden Rechte nicht mit einer - auch nicht teilweisen - Befriedigung ihrer Forderung in dem Zwangsversteigerungsverfahren habe rechnen können. Denn es bleibe die Chance, dass der Schuldner unter dem Eindruck der Vollstreckungsmaßnahme Mittel und Wege zur freiwilligen Befriedigung der betreibenden Gläubigerin finde. Eine solche Chance, die auch hier zu - wenngleich nur geringen - Ratenzahlungen des Schuldners geführt habe, werde einem Gläubiger durch die Rechtsordnung nicht verwehrt. Hierfür spreche auch, dass das Verbot der zwecklosen Pfändung nach § 803 Abs. 2 ZPO im Zwangsversteigerungsverfahren nicht gelte.
III.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht die von dem Amtsgericht getroffene Kostenentscheidung, wonach die Gläubigerin die Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens trägt, als fehlerhaft beanstandet.
1. Nach § 788 Abs. 1 ZPO hat der Schuldner die Kosten der Zwangsvollstreckung nur zu tragen, soweit sie notwendig im Sinne von § 91 ZPO waren. Anderenfalls fallen sie dem Gläubiger zur Last, da er das Verfahren in Gang gesetzt hat. Dies muss das Vollstreckungsgericht in einer Kostenentscheidung zum Ausdruck bringen, wenn der Schuldner - wie hier - bereits am Verfahren beteiligt war (Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rn. 31; Zöller/Stöber, ZPO, 30. Aufl., § 788 Rn. 11, 21; KG, Rpfleger 1981, 318, 319). Die Notwendigkeit einer Vollstreckungsmaßnahme ist nach dem Standpunkt des Gläubigers zum Zeitpunkt ihrer Vornahme zu bestimmen. Entscheidend ist, ob der Gläubiger bei verständiger Würdigung der Sachlage die Maßnahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte. Daran fehlt es, wenn die Zwangsvollstreckungsmaßnahme für den Gläubiger erkennbar aussichtslos ist (Senat, Beschluss vom 14. April 2005 - V ZB 5/05, NJW 2005, 2460, 2462).
2. Kann ein Zwangsversteigerungsverfahren die Befriedigung des betreibenden Gläubigers aus dem Versteigerungserlös von vorneherein erkennbar nicht einmal teilweise erreichen, so sind die Kosten der Zwangsvollstreckung nicht etwa deshalb - wie das Beschwerdegericht meint - als notwendig im Sinne von § 788 Abs. 1 ZPO anzusehen, weil dem Gläubiger die Chance bleibt, dass der Schuldner unter dem Eindruck der Vollstreckungsmaßnahme möglicherweise Mittel und Wege zu einer freiwilligen Befriedigung findet.
a) Zwar verwehrt es die Rechtsordnung dem Gläubiger grundsätzlich nicht, die Zwangsversteigerung als Druckmittel einzusetzen, um den Schuldner zu freiwilligen Leistungen zu bewegen. Mit dieser Absicht eingeleitete Vollstreckungsmaßnahmen stellen grundsätzlich weder einen Sittenverstoß i.S. von § 826 BGB dar (Senat, Urteil vom 30. Juni 1972 – V ZR 12/70, WM 1972, 934, 935) noch begründen sie eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte i.S. von § 765a ZPO oder lassen das Rechtsschutzbedürfnis des Gläubigers für die Durchführung der Zwangsvollstreckung entfallen (Beschluss vom 30. Januar 2004 – IXa ZB 233/03, WM 2004, 646, 647; vgl. auch BGH, Beschluss vom 18. Juli 2002 – IX ZB 26/02, BGHZ 151, 384, 388).
b) Hiervon zu unterscheiden ist jedoch die Frage, ob der Schuldner die Kosten eines solchen Zwangsversteigerungsverfahrens nach § 788 Abs. 1 ZPO zu tragen hat. Der Umstand, dass es dem Gläubiger nicht verwehrt ist, mit der Vollstreckungsmaßnahme gleichzeitig Druck auf den Schuldner auszuüben, damit dieser freiwillig leistet, führt nicht zwangsläufig dazu, dass die Kosten des Verfahrens als notwendig i.S. von § 788 Abs. 1 ZPO anzusehen sind. Denn die Maßstäbe der Notwendigkeit decken sich nicht mit jenen des Rechtsschutzbedürfnisses oder der guten Sitten (vgl. Stein/Jonas/Münzberg, ZPO, 22. Aufl., § 788 Rn. 31). Ob die durch das Zwangsversteigerungsverfahren ausgelösten Kosten von dem Schuldner zu erstatten sind, richtet sich vielmehr danach, ob der Gläubiger bei verständiger Würdigung der Sachlage die Maßnahme zur Durchsetzung seines titulierten Anspruchs objektiv für erforderlich halten durfte (Senat, Beschluss vom 14. April 2005 - V ZB 5/05, NJW 2005, 2460, 2462). Allein die mit jedem – auch einem erkennbar aussichtslosen – Zwangsversteigerungsverfahren verbundene Hoffnung des Gläubigers, dass der Schuldner Mittel und Wege für eine freiwillige Zahlung findet, um den Belastungen des Zwangsversteigerungsverfahrens zu entgehen, reicht hierfür nicht aus. Maßgebend ist vielmehr, ob der Gläubiger die berechtigte Erwartung haben kann, durch die Versteigerung zumindest teilweise Befriedigung zu finden.
3. Gemessen daran handelt es sich hier bei den Kosten des Zwangsversteigerungsverfahrens nicht um notwendige Kosten i.S. d. § 788 Abs. 1 ZPO. Die Zwangsversteigerung ist erfolglos geblieben, weil das geringste Gebot wegen der Höhe der eingetragenen dinglichen Rechte so hoch war, dass ein Gebot auf den hälftigen Miteigentumsanteil des Schuldners nicht abgegeben worden ist. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Beschwerdegerichts musste die Gläubigerin, als sie den Antrag auf Zwangsversteigerung stellte, angesichts der ihrem Recht vorgehenden – aus dem Grundbuch ersichtlichen – Belastungen auch erkennen, dass sie durch das Verfahren keine, auch nicht eine teilweise Befriedigung ihrer Forderung erlangen wird. Sie durfte daher bei verständiger Würdigung der Sachlage die Einleitung eines Zwangsversteigerungsverfahrens zur Durchsetzung ihrer Ansprüche nicht für erforderlich halten.
IV.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Stresemann Roth Brückner
Weinland Kazele