Entscheidungsdatum: 12.10.2016
Der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Landgerichts Schwerin - Zivilkammer 4 - vom 23. März 2015 wird als unzulässig verworfen.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 600.000 €.
I.
Die Beteiligte zu 2 wurde durch ein Vorbehaltsurteil verurteilt, an den Beteiligten zu 1 einen Betrag von 500.000 € nebst Zinsen zu zahlen, wobei ihr nachgelassen wurde, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abzuwenden. Auf der Grundlage einer zwischen den Beteiligten zustande gekommenen Vereinbarung vom 11. November 2013 hinterlegte die Beteiligte zu 2 auf einem Anderkonto des Notars einen Betrag von 600.000 €.
Nach Eintritt der formellen Rechtskraft des Vorbehaltsurteils verlangte der Beteiligte zu 1 die Auszahlung des hinterlegten Betrages.
Der Notar hat mit Beschluss vom 14. November 2014 festgestellt, dass die Voraussetzungen zur Auszahlung des Hinterlegungsbetrages erfüllt sind. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2 hat das Landgericht mit Beschluss vom 23. März 2015 diese Entscheidung aufgehoben und den Notar angewiesen, den Antrag des Beteiligten zu 1 auf Auszahlung der hinterlegten Summe abzuweisen. Das Landgericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen. Der Beschluss, der dem Beteiligten zu 1 am 26. März 2015 zugestellt worden ist, enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung, wonach die binnen eines Monats bei dem Landgericht einzulegende Beschwerde statthaft sei.
Der Beteiligte zu 1 hat durch seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten am 27. April 2015, einem Montag, bei dem Landgericht Beschwerde eingelegt. Das Landgericht hat eine Nichtabhilfeentscheidung getroffen und die Sache dem Oberlandesgericht vorgelegt. Dieses hat die Akten unter Hinweis auf die Zulassung der Rechtsbeschwerde wieder dem Landgericht zugeleitet. Das Landgericht hat sie daraufhin dem Bundesgerichtshof vorgelegt; hier sind sie am 10. Dezember 2015 eingegangen. Nach einem Hinweis auf die Fristversäumung, der dem Beteiligten zu 1 am 17. Dezember 2015 zugegangen ist, hat er am 29. Dezember 2015 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde beantragt. In der Sache will er seinen Auskehrungsanspruch weiterverfolgen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 70 Abs. 1 FamFG statthaft, weil das Beschwerdegericht sie zugelassen hat. Daran ist der Senat gemäß § 70 Abs. 2 Satz 2 FamFG gebunden. Sie ist aber unzulässig, weil sie nicht innerhalb der einmonatigen Beschwerdefrist des § 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt worden und dem Beteiligten zu 1 auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen ist.
1. Die Rechtsbeschwerde ist nicht wirksam innerhalb der Monatsfrist des § 71 Abs. 1 Satz 1 FamFG eingelegt worden. Sie ist nach dieser Vorschrift bei dem Rechtsbeschwerdegericht - dieses ist nach § 133 GVG der Bundesgerichtshof - einzulegen. Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG hat dies durch einen bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt zu erfolgen. Demgegenüber hat der Beteiligte zu 1 durch seinen zweitinstanzlichen Verfahrensbevollmächtigten binnen der Monatsfrist eine Beschwerde bei dem Beschwerdegericht eingereicht, so dass ungeachtet der falschen Bezeichnung des Rechtsmittels weder die Form noch die Frist für die Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gewahrt sind.
2. Der Antrag des Beteiligten zu 1 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Fristen zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde ist zurückzuweisen, weil er diese Fristen nicht schuldlos versäumt hat.
a) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung von Rechtsmittelfristen in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit setzt nach § 17 Abs. 1 FamFG voraus, dass der Verfahrensbeteiligte die Frist ohne sein Verschulden versäumt hat. Nach Absatz 2 der Vorschrift wird ein Fehlen des Verschuldens vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder - wie hier - fehlerhaft ist.
b) Auch unter der Geltung des § 17 Abs. 2 FamFG kommt eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur dann in Betracht, wenn die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung für die Fristversäumnis ursächlich geworden ist (BGH, Beschluss vom 27. Februar 2013 - XII ZB 6/13, NJW 2013, 1308 Rn. 7 mwN). Daran bestehen nach dem tatsächlichen Ablauf keine Zweifel, weil der Verfahrensbevollmächtigte des Beteiligten zu 1 die fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung befolgt hat.
c) Allerdings befand sich der Verfahrensbevollmächtigte, dessen Verschulden sich der Beteiligte zu 1 zurechnen lassen muss (Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl., § 17 Rn. 30), nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum.
aa) Im Ausgangspunkt zutreffend weist der Beteiligte zu 1 darauf hin, dass durch eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, der zur Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumnis berechtigt, wenn die Belehrung einen zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum auf Seiten der Partei hervorruft und die Fristversäumnis darauf beruht. Auch eine anwaltlich vertretene Partei darf sich im Grundsatz auf die Richtigkeit einer Belehrung durch das Gericht verlassen, ohne dass es darauf ankommt, ob diese gesetzlich vorgeschrieben ist oder nicht (Senat, Beschluss vom 12. Januar 2012 - V ZB 198/11, V ZB 199/11, NJW 2012, 2443 Rn. 10 mwN).
bb) Allerdings muss von einem Rechtsanwalt erwartet werden, dass er die Grundzüge des Verfahrensrechts und das Rechtsmittelsystem in der jeweiligen Verfahrensart kennt. Das Vertrauen in die Richtigkeit einer Rechtsbehelfsbelehrung kann er deshalb nicht uneingeschränkt in Anspruch nehmen. An einem entschuldbaren Rechtsirrtum fehlt es, wenn die durch das Gericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung offenkundig falsch gewesen ist und sie deshalb - ausgehend von dem bei einem Rechtsanwalt vorauszusetzenden Kenntnisstand - nicht einmal den Anschein der Richtigkeit zu erwecken vermochte (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2013 - XII ZB 38/13, NJW-RR 2014, 517 Rn. 20; Beschluss vom 13. Juni 2012 - XII ZB 592/11, NJW-RR 2012, 1025 Rn. 10 jeweils mwN).
cc) Nach diesen Maßstäben ist die von dem Beschwerdegericht erteilte Rechtsbehelfsbelehrung nicht geeignet, bei einem Rechtsanwalt einen entschuldbaren Rechtsirrtum über das statthafte Rechtsmittel hervorzurufen. Nach ihrem Inhalt ist gegen die Entscheidung des Beschwerdegerichts "die Beschwerde" statthaft, wobei aus der Erwähnung des § 63 Abs. 1 FamFG - der freilich nicht die Statthaftigkeit der Beschwerde, sondern die Beschwerdefrist regelt - zu entnehmen ist, dass sich die Rechtsbehelfsbelehrung auf eine Erstbeschwerde bezieht. Das Beschwerdegericht hat jedoch im Tenor der angegriffenen Entscheidung die Rechtsbeschwerde zugelassen und in diesem Zusammenhang die Vorschriften der § 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO, § 70 Abs. 1 FamFG zitiert. Damit liegt ein Widerspruch zwischen dem zugelassenen Rechtsmittel und dem Inhalt der Rechtsbehelfsbelehrung vor, der für einen Rechtsanwalt ohne weiteres erkennbar ist. Von ihm ist zu erwarten, dass ihm der Unterschied zwischen einer Beschwerde und einer Rechtsbeschwerde bekannt ist. Zumindest gab dieser offenkundige Widerspruch Anlass zu einer Prüfung der Rechtslage, die unschwer anhand des Gesetzestextes hätte vorgenommen werden können.
Dass bei der Zulassung der Rechtsbeschwerde in dem Tenor der angegriffenen Entscheidung neben § 70 Abs. 1 FamFG auch § 15 Abs. 2 Satz 2 BNotO zitiert worden ist, kann entgegen der Ansicht des Beteiligten zu 1 keinen entschuldbaren Rechtsirrtum des Verfahrensbevollmächtigten begründen. Dieser Vorschrift, in der das Landgericht als Beschwerdegericht bezeichnet wird, lässt sich gerade entnehmen, dass es sich bei der Anrufung des Landgerichts um ein Beschwerdeverfahren gegen die Weigerung des Notars handelt, eine bestimmte Amtshandlung vorzunehmen. Dabei nimmt der Notar die Stelle der ersten Instanz ein (BGH, Beschluss vom 5. April 2001 - III ZB 48/00, NJW 2001, 2181, 2182; Senat, Beschluss vom 7. Oktober 2010 - V ZB 147/09, NJW-RR 2011, 286 Rn. 5). Eine weitere Beschwerde gegen die Entscheidung des Landgerichts sieht das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, das über die Verweisung in § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO anwendbar ist, im Gegensatz zu dem am 31. August 2009 außer Kraft getretenen § 27 FGG nicht mehr vor. Als Rechtmittel kommt nach der - im Tenor der angegriffenen Entscheidung zitierten - Vorschrift des § 70 FamFG nur die von einer Zulassung abhängige Rechtsbeschwerde in Betracht.
d) Soweit der Beteiligte zu 1 schließlich darauf verweist, dass auch dem Beschwerdegericht angesichts der von ihm getroffenen Nichtabhilfeentscheidung, in der nur Ausführungen zur Sache enthalten sind, die Unzulässigkeit der eingelegten Beschwerde nicht aufgefallen sei, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Das offenkundig fehlerhafte weitere Vorgehen des Beschwerdegerichts war nicht geeignet, einen Vertrauenstatbestand für den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 zu schaffen. Es mag ihn zwar in seinem Irrtum bestärkt haben. Da die Beschwerde am letzten Tag der Frist eingelegt worden ist, kann es ihn aber nicht von einer - auch nach Einlegung der Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist noch sinnvollen - Prüfung der Rechtsmittelbelehrung abgehalten haben. Aus diesem Grund hätte auch ein Hinweis auf die Notwendigkeit, die zugelassene Rechtsbeschwerde bei dem Bundesgerichtshof durch einen dort zugelassenen Rechtsanwalt einzulegen, zu dem das Landgericht bei ordnungsgemäßer Prüfung der bei ihm eingelegten Beschwerde verpflichtet gewesen wäre (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 5. Oktober 2010 - VIII ZB 125/04, NJW 2005, 3776, 3777), die Fristversäumung nicht mehr verhindern können.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 61 Abs. 1 Satz 1, § 36 Abs. 1 GNotKG und richtet sich nach der Höhe des durch den Beteiligten zu 1 begehrten Auskehrungsbetrages.
Stresemann Schmidt-Räntsch Kazele
Göbel Hamdorf