Entscheidungsdatum: 22.07.2010
Welches das für die Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG maßgebliche Jahr der Beschlagnahme ist, bestimmt sich nach der Vorschrift des § 22 Abs. 1 ZVG; auf diese ist § 167 ZPO nicht entsprechend anwendbar .
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Amberg vom 28. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt 419,14 €.
I.
Die Schuldnerin ist Mitglied der Beteiligten zu 1, einer Wohnungseigentümergemeinschaft. Diese beantragte mit einem am 18. Dezember 2008 bei dem Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz, die Zwangsversteigerung von Teileigentum der Schuldnerin wegen titulierter Hausgeldansprüche aus dem Jahr 2006 in der Rangklasse 2 nach § 10 Abs. 1 ZVG anzuordnen.
Mit Beschluss vom 5. Januar 2009 ordnete das Vollstreckungsgericht die Zwangsversteigerung in der Rangklasse 5 an. Das Ersuchen um die Eintragung des Zwangsversteigerungsvermerks ging am 7. Januar 2009 bei dem Grundbuchamt ein; die Eintragung des Vermerks erfolgte am 8. Januar 2009. An diesem Tag wurde der Anordnungsbeschluss der Schuldnerin zugestellt.
Den im April 2009 gestellten Antrag der Beteiligten zu 1, den Beitritt zu dem in der Rangklasse 5 betriebenen Versteigerungsverfahren in der bevorrechtigten Rangklasse 2 zuzulassen, lehnte das Vollstreckungsgericht ab. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde ist erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Beteiligte zu 1 den Antrag auf Zulassung ihres Beitritts in der Rangklasse 2 weiter.
II.
Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Beschwerdegericht nimmt zutreffend an, dass die Voraussetzungen, unter denen die Beteiligte zu 1 dem von ihr betriebenen Verfahren in der Rangklasse 2 des § 10 Abs. 1 ZVG beitreten könnte (vgl. zu dieser Möglichkeit Senat, Beschl. v. 7. Mai 2009, V ZB 142/08, NJW 2009, 2066, 2067), nicht erfüllt sind, weil die der Zwangsvollstreckung zugrunde liegenden Hausgeldansprüche aus dem Jahr 2006 stammen.
Der Rangklasse 2 zuzuordnen sind die fälligen Ansprüche auf Zahlung der Beiträge zu den Lasten und Kosten des gemeinschaftlichen Eigentums oder des Sondereigentums, die nach den §§ 16 Abs. 2, 28 Abs. 2 und 5 WEG geschuldet werden, soweit es sich um laufende und rückständige Beträge aus dem Jahr der Beschlagnahme und den letzten zwei Kalenderjahren handelt (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG). Das Jahr der Beschlagnahme bestimmt sich nach § 22 Abs. 1 ZVG (vgl. Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 10 Anm. 4.5). Danach wird die Beschlagnahme mit dem Zeitpunkt wirksam, in welchem der Beschluss über die Anordnung der Zwangsversteigerung dem Schuldner zugestellt wird oder in welchem das Ersuchen um die Eintragung des Versteigerungsvermerks dem Grundbuchamt zugeht, sofern auf das Ersuchen die Eintragung demnächst erfolgt. Da beide Zeitpunkte hier im Januar 2009 liegen, fallen nur rückständige Beiträge der Schuldnerin aus den Jahren 2008 und 2007 in die Rangklasse 2.
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind die Wirkungen der Beschlagnahme nicht gemäß § 167 ZPO auf den Zeitpunkt zurückzubeziehen, in dem der Antrag der Beteiligten zu 1 auf Anordnung der Zwangsversteigerung bei dem Vollstreckungsgericht eingegangen ist.
a) Die in § 167 ZPO angeordnete Rückwirkung beschränkt sich - verfassungsrechtlich unbedenklich - auf Fälle, in denen durch die Zustellung eine laufende Frist gewahrt oder die Verjährung neu beginnen oder gehemmt werden soll. Für sonstige Wirkungen der Zustellung gilt sie hingegen nicht (allg.M., vgl. Senat, Urt. v. 6. Dezember 1974, V ZR 86/73, WM 1975, 97, 98; BGH, Urt. v. 21. April 1982, IVb ZR 696/80, NJW 1982, 1812, 1813; OLG Koblenz WM 1989, 1425; OLG Frankfurt GRUR 1987, 650, 651; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 167 Rdn. 7; MünchKomm-ZPO/Häublein, 3. Aufl., § 167 Rdn. 6; Wiecorek/ Schütze/Rohe, ZPO, 3. Aufl., § 167 Rdn. 8; Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl., § 167 Rdn. 4; Prütting/Gehrlein/Kessen, ZPO, 2. Aufl., § 167 Rdn. 4).
Zu diesen sonstigen Wirkungen zählen insbesondere rechtsbegründende oder rechtsverstärkende Folgen, die Vorschriften des materiellen Rechts (z.B. § 286 Abs. 1 Satz 2, § 291 Satz 1, § 407 Abs. 2, § 818 Abs. 4, § 1002 Abs. 1 BGB) oder des Verfahrensrechts (z.B. § 323 Abs. 3 ZPO) an die Rechtshängigkeit bzw. an die gerichtliche Geltendmachung und damit an die Zustellung einer Antrags- oder Klageschrift knüpfen. Um eine solche sonstige Wirkung handelt es sich auch, soweit § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG die Festlegung, welche Ansprüche in die bevorrechtigte Rangklasse 2 fallen, nach dem Zeitpunkt der Beschlagnahme bestimmt. Denn die Beschlagnahme hemmt nicht den Lauf einer Frist, sondern dient als zeitliche Zäsur für die Zuordnung einer bevorrechtigten Rangklasse.
b) Eine entsprechende Anwendung von § 167 ZPO kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil es, wie das Beschwerdegericht zutreffend ausführt, an der dafür notwendigen planwidrige Regelungslücke im Gesetz fehlt (vgl. Senat, BGHZ 171, 350, 353 m.w.N.). Die Möglichkeit, die Wirkungen der Zustellung des Anordnungsbeschlusses vorzuverlagern, ist von dem Gesetzgeber bedacht worden. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 ZVG wird die Beschlagnahme nämlich auch mit dem Zeitpunkt wirksam, in welchem das Ersuchen um Eintragung des Versteigerungsvermerks dem Grundbuchamt zugeht, sofern auf das Ersuchen die Eintragung demnächst erfolgt. Der Umstand, dass von einer entsprechenden Vorverlagerung der mit der Zustellung des Anordnungsbeschlusses an den Schuldner verbundenen, ein Satz zuvor (§ 22 Abs. 1 Satz 1 ZVG) geregelten Wirkungen auf den Zeitpunkt der Antragstellung abgesehen worden ist, lässt den Schluss zu, dass eine solche gerade nicht gewollt war.
Es gibt auch keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber, der bei der Neubelegung der Rangklasse des § 10 Abs. 1 Nr. 2 ZVG durch das Gesetz zur Änderung des Wohnungseigentumsgesetzes und anderer Gesetze vom 26. März 2007 (BGBl I 2007, S. 370) ausdrücklich die Beschlagnahme als maßgeblichen zeitlichen Anknüpfungspunkt für die Einbeziehung rückständiger Ansprüche gewählt hat, den Zeitpunkt, zu dem die Beschlagnahme wirksam wird, abweichend von § 22 Abs. 1 ZVG verstanden wissen wollte. Der Gesetzesbegründung lässt sich vielmehr das Gegenteil entnehmen. Der Zeitraum für die Bevorrechtigung rückständiger Wohngelder sollte weithin demjenigen für wiederkehrende Leistungen der Rangklassen 3 und 4 (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 und 4 ZVG) entsprechen (BT/Drucks. 16/887 S. 45). Für die Bevorrechtigung rückständiger wiederkehrender Leistungen, die sich gemäß § 13 Abs. 1 ZVG ebenfalls nach dem Zeitpunkt der Beschlagnahme richtet (vgl. Böttcher, ZVG, 4. Aufl., § 10 Rdn. 45), steht aber außer Frage, dass es insoweit auf den Beschlagnahmewirksamkeitszeitpunkt ankommt (vgl. Stöber, ZVG, 19. Aufl., § 13 Rdn. 2; Dassler/Schiffhauer/Hintzen/Engels/Rellermeyer, ZVG, 13. Aufl., § 13 Rdn. 10).
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verpflichtung der Beteiligten zu 1, die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen, ergibt sich aus dem Gesetz. Eine Erstattung außergerichtlicher Kosten findet nicht statt, da sich die Beteiligten im Zwangsversteigerungsverfahren in der Regel nicht als Parteien eines kontradiktorischen Streitverhältnisses gegenüberstehen (Senat, BGHZ 170, 378, 381 Rdn. 7). So verhält es sich auch bei einer Auseinandersetzung um die richtige Rangklasse (vgl. Senat, Beschl. v. 20. Dezember 2007, V ZB 89/07, WM 2008, 740, 742).
Die Wertfestsetzung bestimmt sich nach den § 47 Abs. 1 Satz 1 GKG, § 26 Nr. 1 RVG.
Krüger Lemke Stresemann
Czub Roth