Entscheidungsdatum: 02.12.2010
Auf die Rechtsbeschwerde der Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der Zivilkammer 84 des Landgerichts Berlin vom 3. Juni 2010 aufgehoben.
Die Beschwerde gegen die Weigerung des Notars H. S. , B. , die Löschung der für die Beteiligte zu 1 im Grundbuch von Köpenick des Amtsgerichts Köpenick, Blätter 3 , 1 , 1 , 1 , 1 und 1 , eingetragenen Auflassungsvormerkungen zu betreiben, wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Beteiligten zu 2 auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 687.500 Euro.
I.
Mit zu UR-Nr. …/2009 des Notars H. S. in B. beurkundetem Vertrag vom 30. Dezember 2009 verkaufte die Beteiligte zu 2 der Beteiligten zu 1 mehrere Grundstücke für 2,75 Mio. Euro. Der Kaufpreis war innerhalb einer Frist von vier Wochen nach dem Zugang einer Fälligkeitsmitteilung des Notars fällig und zahlbar. In § 2 Nr. 6 ist bestimmt, dass der Verkäufer für den Fall, dass der Kaufpreis nicht fristgemäß gezahlt wird, ohne weitere Fristsetzung ein Recht zum Rücktritt vom Kaufvertrag hat, welches binnen weiterer zwei Wochen schriftlich gegenüber dem beurkundenden Notar auszuüben ist.
In § 10 Abs. 1 des Kaufvertrags bewilligten und beantragten die Vertragsparteien zur Sicherung des Anspruchs des Käufers auf Eigentumsübertragung die Eintragung jeweils einer Auflassungsvormerkung. Weiter heißt es in den Absätzen 4 bis 7:
"Für den Fall, dass der hier geschlossene Kaufvertrag durch Rücktrittserklärung wegen Zahlungsverzugs oder Täuschung der einen oder anderen Kaufvertragspartei wieder aufgehoben werden sollte, was dem Notar nachzuweisen ist, verpflichtet sich der Käufer, die zu seinen Gunsten eingetragenen Eigentumsübertragungsvormerkungen wieder zu löschen.
Der Käufer bewilligt schon jetzt für diesen Fall unbedingt und unwiderruflich die Löschung der zu seinen Gunsten eingetragenen Auflassungsvormerkungen. Der Verkäufer beantragt bereits jetzt, die Auflassungsvormerkungen zugunsten des Käufers wieder zu löschen.
Der Notar soll die Löschung nur dann betreiben, sofern
a) er schriftlich vom Verkäufer hierzu angewiesen wird
b) sichergestellt ist, dass der etwa gezahlte Kaufpreis oder Kaufpreisteil an den Käufer zurückgezahlt wird.
Das Grundbuchamt hat die Voraussetzungen des Gebrauchmachens von der vorstehenden Löschungsbewilligung nicht zu überprüfen."
Die Auflassungsvormerkungen wurden am 15. Februar 2010 in die Grundbücher eingetragen.
Mit Schreiben vom 5. März 2010, zugegangen am 9. März 2010, teilte der Notar der Beteiligten zu 1 das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fälligkeit des Kaufpreises mit und forderte sie zur Zahlung innerhalb von vier Wochen auf. Dem kam die Beteiligte zu 1 nicht nach. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Zahlungsfrist bis zum 14. April 2010 verlängert worden ist.
Die Beteiligte zu 2 erklärte mit Schreiben vom 9. April 2010 gegenüber dem Notar den Rücktritt von dem Kaufvertrag wegen Zahlungsverzugs und wies ihn an, die Löschung der Auflassungsvormerkungen zu betreiben. Im Hinblick auf eine Mitteilung der Beteiligten zu 1, ihr sei eine "Schonfrist" für die Kaufpreiszahlung zugesagt worden, erklärte der Notar am 13. April 2010 gegenüber der Beteiligten zu 2, die Löschung vorerst nicht zu betreiben. Mit Schreiben ihrer damaligen Verfahrensbevollmächtigten vom 13. April 2010 bat die Beteiligte zu 2 nochmals um unverzügliche Löschung der Auflassungsvormerkungen. Diese Bitte wiederholte sie am 21. April 2010. Der Notar betrieb die Löschung nicht.
Mit der Beschwerde hat die Beteiligte zu 2 verlangt, den Notar anzuweisen, seiner Amtspflicht nachzukommen und die Löschung der für die Beteiligte zu 1 eingetragenen Auflassungsvormerkungen zu betreiben. Der Notar hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Landgericht hat ihr stattgegeben. Hiergegen wendet sich die Beteiligte zu 1 mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde, mit der sie die Zurückweisung der Beschwerde erreichen will. Die Beteiligte zu 2 beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts liegen die Voraussetzungen dafür vor, dass der Notar auf die Anweisung der Beteiligten zu 2 die Löschung der Auflassungsvormerkungen betreibt. Die Löschungsbewilligung der Beteiligten zu 1 sei in dem Vertrag vom 30. Dezember 2009 enthalten; die Rücktrittserklärung der Beteiligten zu 2 wegen Zahlungsverzugs sei gegenüber dem Notar nach dem Ablauf der Frist für die Zahlung des Kaufpreises abgegeben worden. Die vertragliche Vereinbarung sei nach ihrem Wortlaut nicht dahingehend zu verstehen, dass dem Notar ein wirksamer Rücktritt nachgewiesen werden müsse, er also in die materielle Prüfung eintreten müsse, ob ein Rücktrittsgrund vorliege. Vielmehr setze das Gebrauchmachen von der Löschungsbewilligung lediglich voraus, dass eine Rücktrittserklärung wegen Zahlungsverzugs vorliege. Zudem widerspräche es im Hinblick auf den von der Beteiligten zu 1 gegenüber dem Notar erhobenen Einwand des Zurückbehaltungsrechts dem Regelungszweck einer unwiderruflichen Vollmacht, durch welche die andere Vertragspartei die Löschung der Vormerkung einseitig vollziehen könne, wenn der Notar zur Prüfung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen berufen wäre.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist aufgrund der Zulassung in dem angefochtenen Beschluss statthaft (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 70 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FamFG). Sie ist auch im Übrigen zulässig (§ 71 FamFG) und begründet. Der Notar hat sein Tätigwerden nicht ohne ausreichenden Grund verweigert.
1. Unerheblich ist, dass das Herbeiführen der Löschung der Auflassungsvormerkungen nicht als Hilfstätigkeit zu der Beurkundung vom 30. Dezember 2009 und damit nicht als Urkundstätigkeit i.S.v. § 15 Abs. 1 BNotO, sondern wegen der Übernahme des besonderen Auftrags, die Löschung erst später und nur unter bestimmten Voraussetzungen zu betreiben, als selbständige Betreuungstätigkeit i.S.v. § 24 Abs. 1 BNotO anzusehen ist (vgl. Schippel/Bracker/Reithmann, BNotO, 8. Aufl., § 24 Rn. 32 f.). Auch in diesem Fall findet nach der Vorschrift in § 15 Abs. 2 Satz 1 BNotO gegen die Verweigerung des Tätigwerdens die Beschwerde statt.
2. Im Ergebnis zutreffend hat das Beschwerdegericht die Beschwerde als zulässig angesehen. Es hat zwar nicht erörtert, ob außer der Beschwerdeberechtigung auch ein Rechtsschutzinteresse für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderlich ist und - bejahendenfalls - bei der Beteiligten zu 2 vorhanden war. An letzterem fehlte es, wenn sie selbst die Löschung der Auflassungsvormerkungen unter Vorlage der Kaufvertragsurkunde betreiben könnte, in welcher der Löschungsantrag und die Löschungsbewilligung sowie die Vereinbarung der Vertragsparteien, dass das Grundbuchamt das Vorliegen der Voraussetzungen des Gebrauchmachens von der Löschungsbewilligung nicht zu prüfen hat, enthalten sind. Aber die Beteiligte zu 2 musste damit rechnen, dass ihr das Grundbuchamt das Antragsrecht absprechen würde, weil es - wie offenbar auch das Beschwerdegericht - von der Erteilung einer unwiderruflichen verdrängenden Vollmacht an den Notar ausging. Somit steht nicht fest, dass die Beteiligte zu 2 ihr Ziel auf anderem Weg einfacher und schneller erreichen konnte. Ein - eventuell notwendiges - Rechtsschutzinteresse lässt sich deshalb nicht verneinen (vgl. zu allem OLG Frankfurt/Main, DNotZ 1992, 389, 390 f.).
3. Ebenfalls zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich der Inhalt und Umfang der Amtspflichten des Notars aus den in dem Kaufvertrag enthaltenen, an ihn gerichteten Weisungen ergeben und dass der Notar diese Weisungen streng zu befolgen und mit an ihrem Wortlaut orientierter Genauigkeit zu beachten hat, ohne dass es auf außerhalb des Auftrags liegende Umstände ankommt (vgl. BGH, Urteil vom 10. Februar 2000 - IX ZR 41/99, DNotZ 2001, 856, 857 mwN). Jedoch hält die Auslegung der in § 10 des Kaufvertrags enthaltenen Regelungen der - in dem Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkten - rechtlichen Prüfung nicht stand.
a) Bereits sprachlich fehlt der Auslegung des Beschwerdegerichts die Grundlage. Es meint, das Gebrauchmachen von der Löschungsbewilligung setze lediglich eine Rücktrittserklärung wegen Zahlungsverzugs bzw. wegen Täuschung voraus; nur diese Erklärung sei dem Notar nachzuweisen. In § 10 Abs. 4 des Kaufvertrags heißt es dazu, dass "für den Fall, dass der Kaufvertrag durch Rücktrittserklärung wegen Zahlungsverzugs oder Täuschung wieder aufgehoben werden sollte, was dem Notar nachzuweisen ist, der Käufer sich verpflichtet, die zu seinen Gunsten eingetragenen Eigentumsvormerkungen wieder zu löschen." Der gegenüber dem Notar zu erbringende Nachweis ist demnach nicht die Rücktrittserklärung. Hätte sie allein es sein sollen, hätte es des zusätzlichen Hinweises auf die Vertragsaufhebung nicht bedurft. Er zeigt nämlich, dass es - inhaltlich wie in dem von dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschiedenen Fall (DNotZ 1992, 389) - auf den berechtigten Rücktritt ankommen soll.
b) Unberücksichtigt gelassen hat das Beschwerdegericht ferner die Vereinbarung in § 2 Ziff. 6. des Kaufvertrags, wonach der Verkäufer bei nicht fristgemäßer Kaufpreiszahlung ein Rücktrittsrecht hat, "welches ... schriftlich gegenüber dem beurkundenden Notar auszuüben ist." Daneben in der in § 10 enthaltenen Weisung einen Nachweis dieser Rücktrittserklärung gegenüber dem Notar zu fordern, demgegenüber sie abzugeben ist, wäre sinnlos.
c) Schließlich hat das Beschwerdegericht nicht die Regelung in § 10 Abs. 5 des Kaufvertrags betreffend die von der Rechtsbeschwerdeerwiderung so genannte "Schubladenlöschungsbewilligung" der Beteiligten zu 1 und den Löschungsantrag der Beteiligten zu 2, auf die sich die Weisung bezieht, in seine Beurteilung einbezogen. Beide sollen sicherstellen, dass dann, wenn der Kaufvertrag wegen Rücktritts nicht zur Durchführung gelangt, die materiell-rechtlich nicht mehr bestehenden Auflassungsvormerkungen sogleich gelöscht werden können. Das kommt in dem Wortlaut deutlich zum Ausdruck. Es heißt dort, dass der Käufer "schon jetzt für diesen Fall" die Löschung der Vormerkungen bewilligt und der Verkäufer die Löschung beantragt. "Für diesen Fall" bezieht sich auf den in § 10 Abs. 4 angesprochenen Fall der Aufhebung des Kaufvertrags durch Rücktrittserklärung.
4. Da weitere Feststellungen nicht notwendig sind, kann der Senat die Regelungen in § 10 des Kaufvertrags selbst auslegen. Das führt zu dem Ergebnis, dass dem Notar die Aufhebung des Kaufvertrags durch Rücktrittserklärung wegen Zahlungsverzugs oder Täuschung nachzuweisen ist und die Löschung der Auflassungsvormerkungen nur für den Fall dieser Vertragsaufhebung bewilligt und beantragt worden ist. Der Notar soll die Löschung auf Anweisung der Beteiligten zu 2 nur betreiben, wenn ihm die Vertragsaufhebung nachgewiesen ist.
5. Damit geht die auf zwei Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts betreffend die Verpflichtung eines Notars zur Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung einer Urkunde (ZfIR 2004, 879 und NJW-RR 2000, 1663) gestützte Erwägung des Beschwerdegerichts, es sei nicht Aufgabe des Notars, einseitig geltend gemachte Rücktrittsgründe zu prüfen, sofern das Gegenteil nicht zweifelsfrei feststehe, ebenso ins Leere wie die weitere, einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Köln (RNotZ 2003, 268) entnommene Überlegung, der Notar dürfe bei der Prüfung und Abwicklung eines Löschungsantrags dessen Stellung nur verweigern, wenn sich ihm aufdränge, dass die Löschungsvoraussetzungen nicht vorlägen, das Grundbuch also unrichtig würde. Das Beschwerdegericht verkennt, dass hier dem Notar die durch einen Rücktritt herbeigeführte Vertragsaufhebung nachzuweisen ist. Er soll demnach der Pflicht zur Prüfung der Wirksamkeit des Rücktritts enthoben sein.
6. Hieraus folgt, dass entgegen der in der Rechtsbeschwerdeerwiderung vertretenen Ansicht den Notar keine Amtsermittlungspflicht (§ 26 FamFG) trifft, er somit auch keine Beweisaufnahme (§ 29 FamFG) durchführen muss, um die Wirksamkeit des Rücktritts zu prüfen.
7. Nach alledem hat der Notar sich zu Recht geweigert, die Löschung der Auflassungsvormerkungen zu betreiben.
IV.
1. Der angefochtene Beschluss hat somit keinen Bestand; er ist aufzuheben (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 74 Abs. 5 FamFG). Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hat der Senat selbst zu entscheiden. Das führt zur Zurückweisung der Beschwerde.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. §§ 81, 84 FamFG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf §§ 1 Abs. 1, 31 Abs. 1 Satz 1 KostO i.V.m. §§ 19 Abs. 1, 30 Abs. 1, 66 Abs. 1 Satz 1, 68 Satz 1 Halbsatz 1 KostO.
Krüger Lemke Schmidt-Räntsch
Stresemann Czub