Entscheidungsdatum: 15.03.2018
Die Bemessung der angemessenen Vergütung nach § 19 Abs. 1 i.V.m. § 17 Abs. 1 ZwVwV im konkreten Einzelfall ist in erster Linie Sache des Tatrichters, der alle in Betracht kommenden Umstände einzubeziehen und eine Gesamtwürdigung vorzunehmen hat. Diesem steht ein Beurteilungsspielraum zu, der durch das Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt nachprüfbar ist.
Die Rechtsbeschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Landgerichts Stralsund - 8. Zivilkammer - vom 16. Juni 2017 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 746,13 €.
I.
Das Vollstreckungsgericht ordnete mit Beschluss vom 4. November 2014 die Zwangsverwaltung des im Eingang dieses Beschlusses näher bezeichneten Erbbaurechts an einem mit einer Gutshofanlage mit mehreren Gebäuden bebauten Grundstück an und bestellte den Beschwerdeführer, einen Rechtsanwalt, zum Zwangsverwalter. Dieser hat die Festsetzung seiner Vergütung für das Jahr 2015 beantragt und dabei einen Stundensatz von 80 € geltend gemacht.
Das Amtsgericht, das die Tätigkeit des Beschwerdeführers als von durchschnittlicher Schwierigkeit eingestuft hatte, hat einen Stundensatz von lediglich 65 € für gerechtfertigt erachtet. Die sofortige Beschwerde des Verwalters ist erfolglos geblieben. Mit der von dem Landgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt er seinen Antrag weiter, soweit diesem nicht entsprochen worden ist.
II.
Nach Ansicht des Beschwerdegerichts steht dem Beschwerdeführer gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV ein Stundensatz von 65 € zu. Die Höhe der Vergütung sei gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV an der Art und dem Umfang der Aufgabe sowie an der Leistung des Zwangsverwalters auszurichten. Die Tätigkeiten des Beschwerdeführers seien als unterdurchschnittlich schwierig anzusehen. Weder seien Miet- oder Pachtzinseingänge zu überwachen noch Miet- bzw. Pachtminderungsverlangen zu prüfen und ggf. abzuwehren gewesen. Zentrale Aufgabe des Beschwerdeführers sei im Jahr 2015 vielmehr die Aufrechterhaltung des vorläufigen sowie die Herstellung und Ausgestaltung des endgültigen Versicherungsschutzes für das Zwangsverwaltungsobjekt gewesen. Die risikogerechte Versicherung eines Gebäudekomplexes sei aber keine schwierige Tätigkeit, die das Tätigwerden eines hochqualifizierten Zwangsverwalters erfordere. Angesichts des nur unterdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrades sei der von dem Amtsgericht angenommene Stundensatz von 65 € angemessen; daher müsse auch die in der gerichtlichen Praxis unterschiedlich beantwortete Frage, ob für ein Verfahren von durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad ein Stundensatz von 65 € oder von 70 € bis 75 € angemessen sei, nicht entschieden werden.
III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.
1. Die Rechtsbeschwerde ist zulässig (§§ 574, 575 ZPO). Sie ist insbesondere statthaft, weil der Senat an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht gebunden ist (§ 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO). Es besteht allerdings Veranlassung zu dem Hinweis, dass die Rechtsbeschwerde von dem Beschwerdegericht nach § 574 Abs. 2 und 3 Satz 1 ZPO nur dann zuzulassen ist, wenn die aufgeworfene (Rechts-)Frage entscheidungserheblich ist (vgl. Senat, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291). Das ist hier nicht der Fall. Das Beschwerdegericht hat die Rechtsbeschwerde zugelassen, weil der Vergütungssatz für durchschnittlich schwierige Tätigkeiten eines Zwangsverwalters angesichts der unterschiedlichen Praxis der Gerichte, die teilweise 65 €, teilweise 70 € bis 75 € als mittleren Stundensatz für angemessen hielten, klärungsbedürftig sei. Allerdings sieht das Beschwerdegericht den Schwierigkeitsgrad der Tätigkeit des Verwalters gerade nicht als durchschnittlich, sondern als lediglich unterdurchschnittlich an und hält aus diesem Grund einen höheren Stundensatz als 65 € für nicht gerechtfertigt. Die - von ihm deshalb ausdrücklich offen gelassene - Frage, ob für eine durchschnittlich schwierige Tätigkeit des Zwangsverwalters ein mittlerer Stundensatz von 65 €, von 70 € oder von 75 € angemessen ist, war daher für die Entscheidung des Beschwerdegerichts ohne Bedeutung.
2. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Beschwerdegericht kommt rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer nicht mit einem höheren Stundensatz als 65 € zu vergüten ist.
a) Zutreffend und von der Rechtsbeschwerde nicht beanstandet geht das Beschwerdegericht davon aus, dass sich die Vergütung des Beschwerdeführers gemäß § 19 ZwVwV nach dem für die Verwaltung erforderlichen Zeitaufwand bemisst.
Die Vergütung eines Zwangsverwalters ist nach § 18 ZwVwV grundsätzlich anhand der eingezogenen oder geschuldeten Mieten oder Pachten zu bemessen. Eine ausnahmsweise nach Zeitaufwand berechnete Vergütung setzt gemäß § 19 ZwVwV voraus, dass das verwaltete Grundstück nicht durch Vermietung oder Verpachtung genutzt wird oder dass die Bemessung der Vergütung nach § 18 ZwVwV auch unter Ausschöpfung der Erhöhung nach § 18 Abs. 2 ZwVwV offensichtlich unangemessen ist. So liegt es hier. Nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts wurde das Erbbaurechtsgrundstück zwar durch Verpachtung genutzt. Das Pachtverhältnis war jedoch so ausgestaltet, dass die Pächterin im Abrechnungszeitraum keinen Pachtzins zu leisten, sondern nur die Versicherungsprämien und sonstige grundstückbezogene Kosten zu tragen hatte. Da mangels geschuldeten Pachtzinses eine Bemessung der Vergütung nach § 18 ZwVwV die offensichtlich unangemessene Folge hätte, dass die Tätigkeit des Beschwerdeführers nicht vergütet würde, ist seine Vergütung gemäß § 19 Abs. 2 ZwVwV nach § 19 Abs. 1 ZwVwV und damit nach Zeitaufwand zu bemessen.
b) Die Bemessung der Stundenvergütung des Beschwerdeführers mit 65 € ist rechtlich nicht zu beanstanden.
aa) § 19 Abs. 1 ZwVwV gibt mit der Festschreibung eines Mindestsatzes von 35 € und eines Höchstsatzes von 95 € den Rahmen für die Festsetzung der Höhe des Stundensatzes vor, enthält selbst aber keine Vorgaben, nach denen die Vergütung des Zwangsverwalters nach Zeitaufwand zu bemessen ist. Einschlägig ist insoweit die in Umsetzung der Ermächtigungsgrundlage des § 152a ZVG erlassene Vorschrift des § 17 Abs. 1 Satz 2 ZwVwV, die für die Bemessung einer angemessenen Vergütung an die Art und den Umfang der Aufgabe sowie an die Leistung des Zwangsverwalters anknüpft (Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 117/06, NJW-RR 2007, 1150 Rn. 5). Die Bemessung der angemessenen Vergütung im konkreten Einzelfall ist in erster Linie Sache des Tatrichters, der alle in Betracht kommenden Umstände einzubeziehen und eine Gesamtwürdigung vorzunehmen hat. Dabei steht dem Tatrichter ein Beurteilungsspielraum zu, der durch das Rechtsbeschwerdegericht nur eingeschränkt nachprüfbar ist (vgl. Haarmeyer/Hintzen, Zwangsverwaltung, 6. Aufl., § 17 ZwVwV Rn. 9 f.; Depré/Mayer, Die Praxis der Zwangsverwaltung, 7. Aufl., Rn. 859). Die Nachprüfung beschränkt sich darauf, ob das Beschwerdegericht den unbestimmten Rechtsbegriff der Angemessenheit zutreffend erfasst und ausgelegt sowie alle für die Beurteilung wesentlichen Umstände berücksichtigt und die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachtet hat (vgl. zu § 18 Abs. 2 ZwVwV Senat, Beschluss vom 15. November 2007 - V ZB 12/07, NJW-RR 2008, 464 Rn. 13 mwN; zur Insolvenzverwaltervergütung BGH, Beschluss vom 4. Juli 2002 - IX ZB 31/02, NJW 2002, 2945, 2946).
bb) Das Beschwerdegericht hat die Grenzen seines Beurteilungsspielraums nicht überschritten.
(1) Es legt seiner Entscheidung ein zutreffendes Verständnis des Begriffs der Angemessenheit nach § 17 ZwVwV zu Grunde, indem es zur Ermittlung des angemessenen Stundensatzes anhand von Art und Umfang der Aufgabe sowie der Leistung des Zwangsverwalters den Schwierigkeitsgrad des Verfahrens bemisst und dabei alle wesentlichen vom Beschwerdeführer vorgetragenen Gesichtspunkte berücksichtigt hat. Es hat sämtliche für den Abschluss einer sachgerechten Objektversicherung erforderlichen Tätigkeiten und die Überwachung der von der Pächterin übernommenen Zahlungen (Versicherungsprämien, sonstige grundstücksbezogene Kosten) in seine Gesamtschau einbezogen und ihren Schwierigkeitsgrad gewürdigt.
(2) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist eine etwaige Diskrepanz zwischen den in § 19 Abs. 1 ZwVwV festgelegten Vergütungssätzen und den Vergütungssätzen, die in den Vorschriften für andere Berufsgruppen geregelt sind, kein relevantes Kriterium für die Bemessung der Vergütung nach § 19 Abs. 1 ZwVwV. Der Umstand, dass die Vergütungssätze für gerichtlich bestellte Sachverständige, an denen sich der Verordnungsgeber bei dem in § 19 Abs. 1 ZwVwV bestimmten Höchstsatz orientiert hat (BR-Drucks. 842/03 S. 17), mit Wirkung ab dem 1. August 2013 in § 9 JVEG erhöht worden sind, führt nicht dazu, dass die dem Beschwerdeführer nach der Vorschrift des § 19 Abs. 1 ZwVwV an sich zustehende Vergütung durch Zubilligung eines erhöhten Stundensatzes zu erhöhen ist. Die gesetzgeberische Entscheidung, Vergütungssätze unterschiedlicher Berufsgruppen unterschiedlich zu verändern bzw. die Vergütung einer Gruppe zu verändern und die Vergütung der anderen Gruppe unverändert zu lassen, ist von den Gerichten zu respektieren.
Allerdings könnte der in § 19 Abs. 1 ZwVwV festgeschriebene Vergütungsrahmen gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoßen, wenn er die Gerichte nötigte, zu geringe und dadurch die Berufsausübung beeinträchtigende Vergütungen festzusetzen. Um ein solches Ergebnis zu verhindern, hätten die Gerichte vorrangig zu versuchen, im Wege verfassungskonformer Auslegung der Norm eine angemessene Vergütung sicherzustellen; die Gerichte wären an die Vergütungsregelung einer Verordnung dann nicht mehr gebunden, wenn sie zu unangemessenen Folgen führte, wenn etwa die festzusetzende Vergütung nicht einmal die Selbstkosten des Berufsangehörigen deckte und keine auskömmliche Berufsausübung mehr ermöglichte (BGH, Beschluss vom 12. September 2002 - IX ZB 39/02, NJW 2003, 212, 214; vgl. auch Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 117/06, NJW-RR 2007, 1150 Rn. 7). Bei der Zugrundlegung dieser Maßstäbe hat der Senat nicht von dem vom Beschwerdeführer ausgeübten Beruf des Rechtsanwalts, sondern vom Beruf des Zwangsverwalters auszugehen. Dass die nach § 19 ZwVwV zu ermittelnden Stundensätze nicht einmal die Selbstkosten eines Zwangsverwalters decken, ist aber nicht ersichtlich und wird von der Rechtsbeschwerde auch nicht geltend gemacht.
(3) Anders als die Rechtsbeschwerde meint, ist auch nicht bereits auf Grund der beruflichen Qualifikation des Beschwerdeführers als Rechtsanwalt ein Stundensatz von 80 € anzusetzen. Die aus einer bestimmten Ausbildung folgende Qualifikation des Verwalters bildet allein kein Kriterium bei der Bemessung der Höhe des Stundensatzes. Vielmehr kommt es darauf an, ob der Zwangsverwalter seine berufliche Qualifikation einsetzen musste. Dass besondere Qualifikationen vergütungsrechtlich nur relevant sind, wenn das Anforderungsprofil der konkreten Zwangsverwaltung ihren Einsatz erfordert, wird durch § 17 Abs. 3 ZwVwV bestätigt (Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZB 117/06, NJW-RR 2007, 1150 Rn. 5).
(4) Rechtsfehlerfrei stellt das Beschwerdegericht bei der Gesamtwürdigung des Sachverhalts darauf ab, dass der Zwangsverwalter mangels Vereinbarung einer Pacht den Eingang von Pachterlösen nicht zu überwachen und anders als in anderen Zwangsverwaltungsverfahren ein etwaiges Pachtminderungsverlangen nicht zu prüfen bzw. abzuwehren hatte. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist es zulässig, diesen Gesichtspunkt im Rahmen von § 19 ZwVwV bei der Bemessung des Schwierigkeitsgrades der Zwangsverwaltung zu berücksichtigen; denn § 19 ZwVwV betrifft nicht nur Fälle, in denen Miet- oder Pachterlöse nicht erzielt werden, was sich bereits aus Abs. 2 der Vorschrift ergibt.
(5) Soweit die Rechtsbeschwerde beanstandet, das Beschwerdegericht habe sich bei der Qualifizierung der Tätigkeit des Beschwerdeführers als unterdurchschnittlich schwierig nicht an den von einer Arbeitsgruppe aus Rechtspflegern und Zwangsverwaltern entwickelten Fallgruppen (vgl. dazu Haarmeyer/Hintzen, Zwangsverwaltung, 6. Aufl., § 19 ZwVwV Rn. 12; Vergütung des Zwangsverwalters, Rpfleger 2004, 653, 655) orientiert, lässt sich hieraus eine Überschreitung des dem Beschwerdegericht zustehenden Beurteilungsspielraums nicht herleiten. Das Beschwerdegericht ist an in der untergerichtlichen Rechtsprechung oder im Schrifttum entwickelte „Faustregel-Tabellen“ nicht gebunden und kann vom Senat hieran auch nicht gebunden werden. Der Verordnungsgeber hat die abweichende Berechnung der Zwangsverwaltervergütung nach § 19 ZwVwV für Fälle zugelassen, in denen sich die Regelvergütung gemäß § 18 ZwVwV entweder nicht berechnen lässt (§ 19 Abs. 1 ZwVwV) oder zu offensichtlich unangemessenen Ergebnissen führt (§ 19 Abs. 1 ZwVwV). Bei diesen Fallgestaltungen handelt es sich um ganz unterschiedliche Ausnahmefälle, die sich einer Typisierung entziehen und in denen eine sachgerechte Vergütung nur individuell und durch eine an den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls ausgerichtete Gesamtbewertung bestimmt werden kann. Dies ist Aufgabe des Tatrichters und allein von ihm zu verantworten (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2007 - IX ZB 201/05, ZInsO 2007, 370 Rn. 3 - zur Insolvenzverwaltervergütung). Daher geht der Hinweis der Rechtsbeschwerde fehl, dass das Beschwerdegericht zunächst den „Normalfall“ definieren und sodann aufzeigen müsse, inwieweit der konkrete Fall hiervon abweiche. Gerade weil die Zeitvergütung nach § 19 ZwVwV eine Ausnahme zu § 18 ZwVwV darstellt und damit die unterschiedlichsten Fallkonstellationen erfasst, ist eine verbindliche allgemeine Definition des „Normalfalles“ nicht möglich.
c) Da das Beschwerdegericht die Tätigkeit des Beschwerdeführers rechtsfehlerfrei als unterdurchschnittlich schwierig qualifiziert und hierfür einen Stundensatz von 65 € für angemessen hält, kommt es auf die Frage, welche Stundenvergütung für ein Verfahren von durchschnittlicher Schwierigkeit angemessen ist, nicht an. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Bemessung der angemessenen Vergütung stets von den Umständen des Einzelfalls abhängt, deren Würdigung in erster Linie Sache des Tatrichters ist. Es ist nicht Sache des Rechtsbeschwerdegerichts, für die Höhe der Vergütung nach § 19 Abs. 1 ZwVwV Richtwerte aufzustellen und der Verwaltertätigkeit pauschale Vergütungssätze zuzuweisen.
IV.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Auseinandersetzung über die Höhe der Zwangsverwaltervergütung ist nicht kontradiktorisch ausgestaltet. Das steht einer Kostenentscheidung nach § 97 Abs. 1 ZPO entgegen (vgl. Senat, Beschluss vom 15. März 2007 - V ZR 117/06, NJW-RR 2007, 1150 Rn. 9, Beschluss vom 26. April 2012 - V ZB 155/11, NJW-RR 2012, 979 Rn. 11 mwN).
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