Entscheidungsdatum: 30.06.2016
1. Zur Darlegung des für die Beschaffung der erforderlichen Rückreisepapiere erforderlichen Zeitraums kann die beteiligte Behörde in dem Antrag auf Verlängerung des Transitaufenthalts auf eine entsprechende Auskunft der hierfür zuständigen ausländischen Stelle verweisen. Sie muss nicht zusätzlich in Portalen nach Referenzfällen forschen und solche Fälle in dem Antrag auch nicht bezeichnen.
2. Das Haftgericht muss eine zusätzliche Auskunft bei der ausländischen Stelle nur einholen, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die erteilte Auskunft nicht zutreffen könnte oder jedenfalls durch eine eigene, zusätzliche Nachfrage seinerseits überprüft werden muss.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 29. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18. Juni 2014 wird auf Kosten des Betroffenen zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
I.
Der Betroffene traf am 8. April 2014 mit einem Flugzeug aus Beirut auf dem Flughafen Frankfurt am Main ein; er hatte eine gültige libanesische Identitätskarte für staatenlose Palästinenser bei sich, aber keine gültigen Papiere für die Einreise nach Deutschland und die Rückreise in den Libanon. Er wurde unter Verweigerung der Einreise im Transitgewahrsam der beteiligten Behörde auf dem Flughafen festgehalten. Einen Asylantrag des Betroffenen lehnte das zuständige Bundesamt mit Bescheid vom 14. April 2014 als offensichtlich unbegründet ab.
Nach der Vorstellung des Betroffenen bei der libanesischen Botschaft in Berlin am 8. Mai 2014 und der Mitteilung der Botschaft, die Erteilung des Rückreisedokuments dauere drei Monate, hat die beteiligte Behörde eine Verlängerung des Transitaufenthalts um drei Monate bis zum 6. August 2014 beantragt, die das Amtsgericht mit Beschluss vom 14. Mai 2014 angeordnet hat. Die Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde, nach Beendigung des Aufenthalts am 17. Juli 2014 mit dem Antrag, die Rechtswidrigkeit der Aufenthaltsverlängerung festzustellen.
II.
Das Beschwerdegericht hält die Verlängerung des Transitaufenthalts für rechtmäßig. Ihr liege ein zulässiger Haftantrag zugrunde. Die Voraussetzungen für die Verlängerung lägen vor. Die Zurückweisung könne mangels der erforderlichen Rückreisedokumente nicht unmittelbar vollzogen werden. Die angeordnete Verlängerung um drei Monate sei erforderlich, aber auch ausreichend. Die libanesische Botschaft habe erklärt, für die Beschaffung des Rückreisedokuments würden drei Monate benötigt. Dies sei der beteiligten Behörde auf Nachfrage durch die Botschaft bestätigt worden. Den von dem Betroffenen vorgelegten Entscheidungen von Verwaltungsgerichten aus Berlin und Brandenburg sei nicht zu entnehmen, dass diese Einschätzung nicht zutreffe und gegenwärtig mit der Erteilung der Papiere in absehbarer Zeit nicht zu rechnen sei.
III.
Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Prüfung stand. Die mit dem Antrag analog § 62 FamFG statthafte (dazu: Senat, Beschluss vom 30. Juni 2011 - V ZB 274/10, FGPrax 2011, 315 Rn. 7 ff.) Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Die Verlängerung des Aufenthalts des Betroffenen im Transitbereich des Flughafens Frankfurt am Main durch das Amtsgericht und die Zurückweisung der Beschwerde des Betroffenen durch das Beschwerdegericht sind nicht zu beanstanden.
1. Der Verlängerung liegt entgegen der Ansicht des Betroffenen ein ausreichender Anordnungsantrag zugrunde.
a) Der Senat hat bislang offengelassen, ob die auf die Anordnung von Abschiebungs- und Rücküberstellungshaft zugeschnittene Vorschrift des § 417 Abs. 2 FamFG auch auf den Antrag auf Verlängerung des Transitaufenthalts nach § 15 Abs. 6 AufenthG anzuwenden ist und ob ein Verfehlen der Anforderungen von § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG ohne Sachprüfung zur Unzulässigkeit der Verlängerung führt (Beschluss vom 30. Oktober 2013 - V ZB 90/13, Asylmagazin 2014, 57 = juris Rn. 7). Die Frage muss auch hier nicht entschieden werden. Der Antrag der beteiligten Behörde genügt den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Satz 2 FamFG.
b) Die Behörde hat die erforderlichen Angaben zur Durchführbarkeit der Rückreise in dem beantragten Verlängerungszeitraum jedenfalls, was hier wie bei dem Antrag auf Abschiebungs- oder Rücküberstellungshaft (dazu Senat, Beschluss vom 16. Juli 2014 - V ZB 80/13, InfAuslR 2014, 384 Rn. 22 f.) möglich ist, bei der persönlichen Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht gemacht. Sie hat dazu erläutert, dass sie den Betroffenen der libanesischen Botschaft vorgestellt und bei dieser Gelegenheit den zuständigen Botschaftsmitarbeiter nach dem für die Beschaffung der Rückreisedokumente zu veranschlagenden Zeitraum gefragt habe. Diese Darlegung ist ausreichend. Die beteiligte Behörde musste nicht zusätzlich in Portalen nach Referenzfällen forschen und solche Fälle auch nicht bezeichnen. Die Recherche in solchen Portalen und die Angabe von Referenzfällen sind ein Hilfsmittel, auf das die an dem Freiheitsentziehungsverfahren beteiligten Behörden zurückgreifen können, um die erforderliche Dauer der Freiheitsentziehung und die Durchführbarkeit der Abschiebung, der Rücküberstellung oder der Rückreise einzuschätzen und darzulegen. Entsprechende Recherchen sind aber nicht notwendig, wenn sich die beteiligte Behörde wie hier im Zusammenhang mit der Beschaffung der Rückreisedokumente unmittelbar bei der ausländischen Stelle, die die Papiere zu erteilen hat, nach dem dafür zu veranschlagenden Zeitraum erkundigt.
2. Auch die Sachaufklärung durch das Amtsgericht und das Beschwerdegericht ist nicht zu beanstanden.
a) Im Freiheitsentziehungsverfahren ist allerdings zu prüfen, ob mit der Erteilung der erforderlichen Rückreisepapiere innerhalb des hierfür zur Verfügung stehenden Zeitraums (dazu: Senat, Beschlüsse vom 7. Juli 2011 - V ZB 116/11, juris Rn. 3 und vom 31. Januar 2012 - V ZB 117/11, juris Rn. 5) zu rechnen ist. Aus dem von dem Betroffenen angeführten Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 25. August 2011 (InfAuslR 2012, 21) ergibt sich allerdings, dass die Erteilung von Rückreisedokumenten durch die libanesischen Behörden bei Palästinensern mit ungeklärter Staatsangehörigkeit nicht selten Jahre in Anspruch nimmt. Dann wäre ein tatsächliches Rückreisehindernis anzunehmen, das der Anordnung einer Verlängerung des Transitaufenthalts entgegenstünde. Daran ändert der Umstand nichts, dass das erwähnte Urteil inzwischen durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg aufgehoben worden ist und dieses die für die Entscheidung jenes Verfahrens wesentliche Frage, ob mit der Erteilung der Papiere im Sinne von § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG in absehbarer Zeit gerechnet werden kann, im Gegensatz zu dem Verwaltungsgericht Berlin bejaht (Urteil vom 25. November 2014 - OVG 3 B 4.12, juris Rn. 30 sowie Urteil vom 14. September 2010 - OVG 3 B 2.08 - OVGE Bln. 31, 135, 139 und Beschlüsse vom 5. August 2014 - OVG 7 M 19.14, juris Rn. 4 und vom 2. April 2015 - OVG 7 N 158.13, juris Rn. 11). Denn auch das Oberverwaltungsgericht stellt nicht in Frage, dass sich die Erteilung der Rückreisepapiere bei Palästinensern aus dem Libanon länger hinziehen kann.
b) Daraus folgt aber entgegen der Ansicht des Betroffenen nicht, dass die Sachaufklärung im vorliegenden Fall ohne eine zusätzliche Nachfrage des Gerichts bei den libanesischen Behörden unzureichend war. Im Verfahren nach § 15 Abs. 6 AufenthG und bei der Anordnung von Sicherungshaft ist zwar bei Palästinensern aus dem Libanon wegen dieser Umstände die Frage nach einem tatsächlichen Rückreise- oder Abschiebungshindernis sorgfältig zu prüfen. Diese Prüfung erfordert die Einholung einer zusätzlichen Auskunft bei den libanesischen Behörden durch das Gericht aber nur, wenn im Einzelfall Anlass dazu besteht. Das war hier nicht der Fall.
aa) Die beteiligte Behörde hat, wie bereits dargelegt, den Betroffenen bei den libanesischen Behörden zur Erteilung der Rückreisedokumente vorgestellt und sich bei dieser Gelegenheit selbst unmittelbar bei dem zuständigen Sachbearbeiter nach dem für die Erteilung der Dokumente erforderlichen Zeitraum erkundigt. Der von diesem angegebene Zeitraum war - aus der Rückschau betrachtet - zu optimistisch. Anhaltspunkte dafür, dass die Auskunft nicht zutreffen konnte oder jedenfalls durch eine eigene, zusätzliche Nachfrage von Seiten des Gerichts überprüft werden musste, lagen aber bei Anordnung der Verlängerung nicht vor. Der zuständige Sachbearbeiter hatte die Durchführung der Abschiebung als möglich bezeichnet. Dass sich für die libanesischen Behörden Schwierigkeiten ergeben würden, den Betroffenen zuzuordnen, war nicht zu erwarten, da er eine gültige libanesische Identitätskarte bei sich führte, die eine solche Zuordnung gewöhnlich erlaubt.
bb) Daran hatte sich bei der Zurückweisung der Beschwerde des Betroffenen durch das Beschwerdegericht nichts geändert. Zwar hatte der Sachbearbeiter der beteiligten Behörde zu diesem Zeitpunkt mehrmals vergeblich versucht, nähere Auskünfte zu erlangen. Er hat den zuständigen Bediensteten der Botschaft aber letztlich erreicht und von ihm in Erfahrung bringen können, dass die Unterlagen den nationalen Behörden in Beirut vorlägen und dass nach wie vor mit der Erteilung der Dokumente in drei Monaten gerechnet werden könne. Konkrete Anhaltspunkte, dass diese Auskünfte nicht zutreffen könnten und dass eine zusätzliche Nachfrage seitens Beschwerdegerichts andere Erkenntnisse erbringen könnte, waren seinerzeit nicht ersichtlich. Deshalb war eine solche Nachfrage auch nicht im Rahmen der Amtsermittlung nach § 26 FamFG geboten.
3. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 74 Abs. 7 FamFG abgesehen.
Stresemann Schmidt-Räntsch Brückner
Göbel Haberkamp