Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 12.07.2012


BGH 12.07.2012 - V ZB 130/11

Zwangsversteigerungsverfahren: Antrag auf Erbringung einer Sicherheit bei symbolischen Grundstückswert von einem Euro; Zurückweisung des Gebots bei Rechtsmissbrauch


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
5. Zivilsenat
Entscheidungsdatum:
12.07.2012
Aktenzeichen:
V ZB 130/11
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend LG Traunstein, 18. April 2011, Az: 4 T 32/11vorgehend AG Mühldorf, 23. Dezember 2010, Az: K 147/09
Zitierte Gesetze

Leitsätze

1. Der Antrag auf Erbringung einer Sicherheit ist rechtsmissbräuchlich, wenn ein symbolischer Grundstückswert von 1 € festgesetzt worden ist.

2. Er ist auch nicht mit dem Anliegen zu rechtfertigen, rechtsmissbräuchliche Gebote abzuwenden. Lässt sich mit den im Zwangsversteigerungsverfahren verfügbaren Mitteln feststellen, dass ein Gebot rechtsmissbräuchlich ist, muss es zurückgewiesen werden.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der Ersteherin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Traunstein vom 18. April 2011 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Ersteherin der Zuschlag versagt und dass die Kostenentscheidung aufgehoben wird.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 110.000 €.

Gründe

I.

1

Mit Beschluss vom 4. November 2009 ordnete das Vollstreckungsgericht auf Antrag der Gläubigerin die Wiederversteigerung des eingangs genannten Grundstücks an. Es setzte den Verkehrswert sachverständig beraten auf 1 € fest und bestimmte den Versteigerungstermin auf den 8. Dezember 2010. In dem Termin boten die Gläubigerin selbst 110.000 €, die Ersteherin 80.000 € und die Mitbieterin 115.000 €. Die Gläubigerin verlangte Sicherheit für dieses Gebot, welche nicht erbracht wurde. Das Gebot wurde daraufhin zurückgewiesen. Die Mitbieterin widersprach dem und gab ein weiteres Gebot von 220.000 € ab, für das die Gläubigerin ebenfalls Sicherheit verlangte und welches das Vollstreckungsgericht ebenfalls mangels Leistung der Sicherheit zurückwies. Auch dieser Zurückweisung widersprach die Mitbieterin. In dem Termin zur Verkündung der Entscheidung über den Zuschlag am 16. Dezember 2010 trat die Gläubigerin ihr Gebot an die Ersteherin ab.

2

Das Vollstreckungsgericht hat der Ersteherin auf das Gebot von 110.000 € den Zuschlag erteilt. Auf die Beschwerde des Schuldners und der Mitbieterin hat das Beschwerdegericht den Zuschlagsbeschluss aufgehoben und die Sache an das Vollstreckungsgericht zur Durchführung eines neuen Versteigerungstermins zurückverwiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte die Ersteherin die Wiederherstellung des Zuschlagsbeschlusses erreichen.

II.

3

Das Beschwerdegericht meint, der Zuschlag habe der Ersteherin nicht erteilt werden dürfen, weil sie nicht die Meistbietende gewesen sei. Meistbietende sei die Mitbieterin gewesen, deren Gebote nicht mangels Sicherheit hätten zurückgewiesen werden dürfen. Zwar habe die Gläubigerin die Sicherheit verlangt, die auch nicht erbracht worden sei. Das Sicherheitsverlangen sei aber rechtsmissbräuchlich und darum unzulässig gewesen. Die Sicherheit habe bei dem festgesetzten Grundstückswert von 1 € nur 0,10 € betragen. Ein solcher Betrag vermöge den Zweck einer Sicherheit nicht zu erreichen. Der Zuschlag könne nicht auf das Gebot der Mitbieterin von 220.000 € erteilt werden, weil unklar sei, wie die Versteigerung abgelaufen wäre, wäre das Gebot nicht zurückgewiesen worden. Es sei deshalb ein neuer Versteigerungstermin durchzuführen.

III.

4

Diese Erwägungen treffen zu. Die Rechtsbeschwerde der Ersteherin ist unbegründet, weil das Beschwerdegericht den Zuschlagsbeschluss zu Recht aufgehoben hat.

5

1. Der Zuschlagsbeschluss ist nach § 100 ZVG aufzuheben, weil das Vollstreckungsgericht mit der Erteilung des Zuschlags an die Ersteherin gegen § 81 ZVG verstoßen hat. Danach ist der Zuschlag dem Meistbietenden (Absatz 1) oder demjenigen zu erteilen, an den dieser das Recht aus dem Meistgebot abgetreten hat (Absatz 2). Meistbietender waren hier weder die Ersteherin noch die Gläubigerin, die die Rechte aus ihrem Gebot an die Ersteherin abgetreten hat, sondern die Mitbieterin. Deren Gebote waren höher als die beiden anderen Gebote.

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2. Diese Gebote waren ungeachtet ihrer Zurückweisung durch das Vollstreckungsgericht wirksam.

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a) Die Zurückweisung führt nach § 72 Abs. 2 ZVG nur dann zum Erlöschen des Gebots, wenn der Bieter nicht widerspricht. Widerspricht er - wie hier - der Zurückweisung, ist das Gebot nur unwirksam, wenn es zu Recht zurückgewiesen worden ist. Nach § 70 Abs. 2 Satz 3 ZVG ist ein Gebot zurückzuweisen, wenn das Vollstreckungsgericht eine Sicherheitsleistung für erforderlich erklärt hat und der Bieter diese Sicherheit nicht entsprechend den Vorgaben des § 69 ZVG erbringt. Hier war eine Sicherheitsleistung für erforderlich erklärt worden. Die Bieterin hat die geforderte Sicherheit nicht geleistet.

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b) Zurückgewiesen werden durften die Gebote aber nur, wenn die Anordnung der Sicherheitsleistung rechtmäßig war. Das ist nicht der Fall.

9

aa) Das Vollstreckungsgericht hat allerdings bei der nach § 70 Abs. 1 ZVG sofort zu treffenden Entscheidung eine Sicherheitsleistung für erforderlich zu erklären, wenn ein Beteiligter, dessen Recht durch die Nichterfüllung des Gebotes beeinträchtigt würde, das beantragt hat. Ein Ermessen steht dem Vollstreckungsgericht nicht zu. Das gilt aber nur, wenn die Sicherheitsleistung zulässigerweise beantragt worden ist (Senat, Beschluss vom 12. Januar 2006 - V ZB 147/05, NJW-RR 2006, 715 Rn. 12). Ohne einen zulässigen Antrag dürfte das Vollstreckungsgericht die Sicherheitsleistung nicht anordnen (Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 70 Rn. 3).

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bb) Der Antrag der Gläubigerin war, wie das Beschwerdegericht zutreffend erkannt hat, rechtsmissbräuchlich und deshalb unzulässig.

11

(1) Die Berufung auf ein Recht kann den - auch im Zwangsvollstreckungsverfahren geltenden - Grundsätzen von Treu und Glauben widersprechen und damit rechtsmissbräuchlich sein. Entschieden ist das für die Ablösung von Rechten während des Zwangsversteigerungsverfahrens (Senat, Beschluss vom 10. Juni 2010 - V ZB 192/09, NJW-RR 2010, 1314, 1315 Rn. 10 [im Original Rn. 12]). Für den Antrag auf Sicherheitsleistung nach § 67 Abs. 1 ZVG gilt nichts anderes. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs kommt insbesondere in Betracht, wenn ein berechtigtes Eigeninteresse an der Durchsetzung der in Anspruch genommenen Rechtsposition fehlt (vgl. BGH, Beschluss vom 14. August 2008 - I ZB 39/08, WM 2008, 2026, 2027 Rn. 10; MünchKomm-BGB/Roth/Schubert, 6. Aufl., § 242 Rn. 424 f.).

12

(2) Dieser zuletzt genannte Fall liegt hier vor. Ein berechtigtes Interesse der Gläubigerin an der Stellung der geforderten Sicherheit ist nicht erkennbar.

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(a) Die Sicherheitsleistung nach § 67 Abs. 1 ZVG hat im Wesentlichen zwei Zwecke: Sie soll einerseits dem durch die Nichterfüllung des Gebots beeinträchtigten Beteiligten eine gewisse Sicherheit gegen den Ausfall bieten und andererseits „wirklich zahlungsunfähige“ Personen von vornherein vom Bieten abhalten (Steiner/Storz, ZVG, 9. Aufl., § 67 Rn. 1 und 2). Dieser Zweck wird verfehlt, wenn für das Grundstück, wie hier, nur ein symbolischer Wert von 1 € festgesetzt worden ist. Dann kann der antragsberechtigte Beteiligte auch nur die Leistung einer Sicherheit mit einem Symbolwert von 0,10 € verlangen. Dies kann dem Beteiligten keine Sicherheit gegen einen Ausfall geben und zahlungsunfähige Bieter nicht abschrecken.

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(b) Das Verlangen nach einer Sicherheit kann auch nicht mit dem Willen des Gesetzgebers gerechtfertigt werden. Der Gesetzgeber hat mit der Umstellung der Bezugsgröße der Sicherheitsleistung von dem Wert des Bargebots auf den festgesetzten Verkehrswert eine technische Vereinfachung des Bietvorgangs angestrebt. Ernsthafte Gebote sollten nicht mehr dadurch ausgeschlossen sein, dass das Steigen der Bargebote eine nachträgliche Aufstockung der Sicherheit nötig macht, auf die der Bieter nicht vorbereitet ist (Begründung der Zwangsversteigerungsrechts-Novelle von 1998 in BT-Drucks. 13/7383 S. 7). Diese Umstellung führt normalerweise nicht dazu, dass die mit der Sicherheitsleistung verfolgten gesetzgeberischen Ziele - Sicherheit für den Beteiligten und Abschrecken unseriöser Bieter - verfehlt werden. Denn normalerweise wird für den Versteigerungsgegenstand kein symbolischer, sondern ein realer Wert festgesetzt. In einem solchen Fall lassen sich die genannten Ziele auch mit betragsmäßig geringen Sicherheiten erreichen. Wird dagegen für den Versteigerungsgegenstand nur ein symbolischer Wert festgesetzt, führt das zwangsläufig dazu, dass auch die Sicherheit nur noch Symbolwert hat und ihre Erbringung sinnlos wird. Für ein Verlangen, eine solche sinnlose Sicherheit zu erbringen, besteht kein schützenswertes Interesse.

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c) Es lässt sich auch nicht, wie offenbar das Vollstreckungsgericht meint, mit dem Anliegen rechtfertigen, rechtsmissbräuchliche Gebote abzuwenden. Kann man mit den im Zwangsversteigerungsverfahren verfügbaren Mitteln (dazu Senat, Beschluss vom 10. Mai 2012 - V ZB 156/11, WM 2012, 1396, 1397 Rn. 15) nicht feststellen, ob das Gebot rechtsmissbräuchlich ist, könnten die Beteiligten Bieter, die die offenkundig nutzlose Sicherheit nicht vorsorglich erbracht haben, auf Verdacht und letztlich aufs Geratewohl aus dem Verfahren drängen, ohne dass diese die Möglichkeit hätten, ihre Seriosität zu belegen. Lässt sich dagegen, etwa durch den Nachweis der Insolvenzeröffnung oder der Einstellung eines Insolvenzverfahrens mangels Masse oder durch gerichtsbekannte Anträge auf Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe, feststellen, dass ein Gebot rechtsmissbräuchlich ist, wäre es zurückzuweisen, ohne dass es eines Antrags auf Leistung der nur noch symbolischen Sicherheit bedürfte.

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3. Zu beanstanden ist aber, dass das Beschwerdegericht entgegen § 101 ZVG nicht ausdrücklich selbst in der Sache entschieden und der Ersteherin den Zuschlag nicht förmlich versagt hat. Das hat das Beschwerdegericht in der Sache dadurch erreicht, dass es den Zuschlag aufgehoben und das Verfahren an das Vollstreckungsgericht zurückverwiesen hat. Dass darin auch eine Versagung des Zuschlags liegt, ist klarzustellen.

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4. Aufzuheben ist die Kostenentscheidung in der Beschwerdeentscheidung. Eine Kostenentscheidung ist im Verfahren über eine Zuschlagsbeschwerde nicht veranlasst, weil sich die Beteiligten hier nicht als Parteien im Sinne der Zivilprozessordnung gegenüberstehen (Senat, Beschluss vom 25. Januar 2007 - V ZB 125/05, BGHZ 170, 378, 381 m.w.N.).

IV.

18

Eine Kostenentscheidung ist aus dem vorgenannten Grund auch hier nicht veranlasst. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 54 Abs. 2 Satz 1 und § 47 GKG und § 26 RVG. Für die Gerichtskosten ist der Wert des Zuschlags von 110.000 € maßgeblich. Für die Vertretung des Schuldners, der Ersteherin und der Mitbieterin ist nach § 26 Nr. 2 RVG der Wert des Grundstücks maßgeblich. Dieser Wert stellt nach § 26 Nr. 1 Satz 4 RVG auch die Grenze des Werts für die Vertretung der Gläubigerin dar. Dieser Wert ist derzeit auf 1 € festgesetzt. Diese Festsetzung ist aber durch das Ergebnis der Wiederversteigerung überholt. Danach hat das Grundstück einen Wert von 110.000 €.

Krüger                                              Schmidt-Räntsch                                               Roth

                          Brückner                                                         Weinland