Entscheidungsdatum: 13.10.2011
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird festgestellt, dass der Beschluss der 8. Zivilkammer des Landgerichts Hannover vom 7. Januar 2011 und der Beschluss des Amtsgerichts Hannover vom 5. Januar 2011 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt haben.
Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem Landkreis Saalekreis auferlegt.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 3000 €.
I.
Der Betroffene, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, stellte am 18. März 2002 bei der Zweigstelle Halberstadt des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge einen Asylantrag, den er wenige Tage später zurücknahm. Mit Bescheid vom 27. März 2002, bestandskräftig seit 8. April 2002, wurde das Asylverfahren eingestellt und die Abschiebung angedroht. Die für die landesinterne Verteilung zuständige Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber des Landes Sachsen-Anhalt wies den Betroffenen einer Unterkunft zu, die im Bezirk der beteiligten Behörde liegt. Sie teilte dies der Gemeinschaftsunterkunft in Halberstadt mit Schreiben vom 8. Mai 2002 mit. Die schriftliche Zuweisungsentscheidung vom gleichen Tag wurde dem Betroffenen nicht zugestellt, weil sein Aufenthalt unbekannt war. Am 28. November 2010 wurde er am Flughafen Hannover festgenommen. Das Amtsgericht hat auf den Haftantrag der beteiligten Behörde hin zunächst eine einstweilige Anordnung getroffen und mit Beschluss vom 5. Januar 2011 Sicherungshaft bis zum 17. Januar 2011 angeordnet. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der Rechtsbeschwerde will der Betroffene die Rechtswidrigkeit der in dem Hauptsacheverfahren erlassenen Beschlüsse feststellen lassen, nachdem er am 10. Januar 2011 abgeschoben worden ist.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die beteiligte Behörde sei zuständig für die Stellung des Haftantrags. Auf die Zustellung der Zuweisungsentscheidung an den Betroffenen komme es nicht an. Es sei ausreichend, dass der beteiligte Landkreis im Rahmen einer Unterkunftszuweisung zur zuständigen Ausländerbehörde bestimmt worden sei.
III.
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist begründet. Der Betroffene ist durch die Haftanordnung und die Beschwerdeentscheidung in seinen Rechten verletzt, weil die beteiligte Behörde nicht zuständig für die Stellung des Haftantrags war.
1. Die Haft darf gemäß § 417 Abs. 1 FamFG nur auf Antrag der zuständigen Verwaltungsbehörde angeordnet werden. Fehlt es an der Zuständigkeit, ist der Haftantrag unzulässig. Das Vorliegen eines zulässigen Antrags ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen (st. Rspr., vgl. nur Senat, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 194/09, FGPrax 2010, 156 Rn. 11 mwN). Sachlich zuständig ist gemäß § 71 Abs. 1 AufenthG die Ausländerbehörde. Die örtliche Zuständigkeit folgt aus den jeweiligen Landesgesetzen (Drews/Fritsche, NVwZ 2011, 527, 528). Gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 3a VwVfG ist bei natürlichen Personen der gewöhnliche Aufenthalt, hilfsweise der letzte gewöhnliche Aufenthalt maßgeblich.
2. Hält sich ein Asylbewerber in dem ihm gemäß § 50 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG zugewiesenen Bezirk auf, so bleibt die dortige Ausländerbehörde auch dann zuständig, wenn er sich unerlaubt aus dem Bezirk entfernt, um sich einer angedrohten Abschiebung zu entziehen. Grund hierfür ist, dass er wegen der Aufenthaltsbeschränkung an einem anderen Ort nicht bleiben kann (Senat, Beschluss vom 18. März 2010 - V ZB 194/09, FGPrax 2010, 156 Rn. 13 f. mwN). Ist dem Ausländer dagegen die Zuweisungsentscheidung nicht zugestellt worden und hat er auch keinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem zugewiesenen Bezirk begründet, ist die Zuständigkeit der örtlichen Ausländerbehörde nicht begründet worden. Allerdings ermöglicht § 10 AsylVfG im Regelfall eine vereinfachte Zustellung der Zuweisungsentscheidung.
Hier hat das Beschwerdegericht für den Senat bindend festgestellt, dass eine wirksame Zustellung nicht erfolgt ist. Die Zuweisungsentscheidung ist nicht - wie das Beschwerdegericht meint - eine bloße verwaltungsinterne Abgabe, sondern ein Verwaltungsakt, der gemäß § 1 Abs. 1 VwVfG LSA i.V.m. § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG erst mit der Bekanntgabe an den Betroffenen wirksam wird. Diese hat gemäß § 50 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG durch Zustellung an den Ausländer selbst zu erfolgen. Sie hat zur Folge, dass er sich unverzüglich zu der in der Zuweisungsverfügung angegebenen Stelle begeben muss, § 50 Abs. 6 AsylVfG, und sich andernfalls strafbar macht, § 85 Nr. 1 AsylVfG. Auch steht ihm die Verpflichtungsklage hinsichtlich der Zuweisungsentscheidung offen (HK-AuslR/Keßler, § 50 AsylVfG Rn. 37). Ist die Zuweisung mangels Zustellung nicht wirksam geworden, bleibt die bis dahin zuständige Ausländerbehörde zuständig.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2, § 83 Abs. 2, § 430 FamFG, Art. 5 Abs. 5 EMRK analog, § 128c Abs. 3 Satz 2 KostO. Die Festsetzung des Beschwerdewerts folgt aus § 128c Abs. 2 KostO i.V.m. § 30 Abs. 2 KostO.
Krüger Schmidt-Räntsch Roth
Brückner Weinland