Entscheidungsdatum: 22.10.2015
Übertragen Miterben ihre Anteile am Nachlass jeweils zu gleichen Bruchteilen auf mehrere Erwerber, entsteht eine Bruchteilsgemeinschaft nur an den Erbteilen. Hinsichtlich des Nachlasses bleiben die Inhaber der Erbteile gesamthänderisch verbunden.
Befindet sich im Nachlass ein Grundstück, werden die Erwerber deshalb mit dem Zusatz „in Erbengemeinschaft“ als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen. Ihre Eintragung als Miteigentümer ist nur nach entsprechender Auflassung möglich.
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 3. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 16. Juni 2014 wird zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.
I.
Der 1948 verstorbene P. W. wurde von Dr. R. und A. W. beerbt, die in das Grundbuch als Eigentümer des zum Nachlass gehörenden Grundstücks „in Erbengemeinschaft“ eingetragen wurden. Mit notarieller Urkunde vom 25. Februar 2013 übertrug jeder der beiden Miterben seinen Erbanteil jeweils zur Hälfte auf die Beteiligten zu 1 und 2. Diese wurden ebenfalls mit dem Zusatz „in Erbengemeinschaft“ in das Grundbuch eingetragen. Sie haben beantragt, das Grundbuch dahin zu berichtigen, dass sie unter Wegfall des Zusatzes „in Erbengemeinschaft“ als Miteigentümer zu je 1/2 eingetragen werden.
Das Grundbuchamt hat den Berichtigungsantrag zurückgewiesen mit der Begründung, zur Entstehung einer Miteigentümergemeinschaft bedürfe es einer Erbauseinandersetzung nebst Auflassung. Die dagegen gerichtete Beschwerde hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beteiligten zu 1 und 2 ihren Antrag auf Grundbuchberichtigung weiter.
II.
Das Beschwerdegericht, dessen Entscheidung u.a. in MittBayNot 2015, 323 veröffentlicht ist, meint, die Veräußerung sämtlicher Miteigentumsanteile an die Beteiligten habe die gesamthänderische Bindung des Eigentums nicht entfallen lassen, so dass es zur Begründung von Bruchteilseigentum an dem zum Nachlass gehörenden Grundstück einer Auflassung bedürfe. Ein derartiger Erwerb führe zur Entstehung einer Bruchteilsgemeinschaft an den erworbenen Erbanteilen innerhalb der bestehenden Gesamthandsgemeinschaft, die auch bei vollständiger Auswechslung ihrer Mitglieder fortgesetzt werde.
III.
Der nach § 78 GBO statthaften und auch im Übrigen zulässigen Rechtsbeschwerde bleibt in der Sache der Erfolg versagt. Die Erwägungen des Beschwerdegerichts halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
1. Zutreffend legt das Beschwerdegericht zugrunde, dass über einen Erbteil auch in Bruchteilen verfügt werden kann (ganz hM, vgl. nur Senat, Urteil vom 28. Juni 1963 - V ZR 15/62, NJW 1963, 1610, 1611; Staudinger/Werner, BGB [2010], § 2033 Rn. 7; Lange, Erbrecht, 2011, § 56 Rn. 23; jeweils mwN; skeptisch Otto, NotBZ 2015, 26, 27 mwN) und dass die Überführung eines im Gesamthandseigentum stehenden Nachlassgrundstücks in Bruchteilseigentum der Auflassung bedarf (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Juli 1956 - V BLw 11/56, BGHZ 21, 229, 231; OLG München, FamRZ 2012, 154 f. mwN).
2. Mit Recht geht das Beschwerdegericht auch davon aus, dass die gesamthänderische Bindung vorliegend nicht mit der Folge erloschen ist, dass die Beteiligten an dem Grundstück Bruchteilseigentum erworben haben.
a) Allerdings ist umstritten, ob bei Übertragung aller Erbteile zu gleichen Bruchteilen auf mehrere Erwerber die Erbengemeinschaft fortbesteht (so BayObLG, NJW 1968, 505; KGJ 46, 181, 184 ff.; KG, NJW-RR 1999, 880, 882; Palandt/Weidlich, BGB, 74. Aufl., § 2033 Rn. 2; Lange/Kuchinke, Erbrecht, 5. Aufl., S. 1090; Tiedtke, JuS 1977, 158, 160 f; Lehmann, NJW 1976, 263, 264; Haegele, Rpfleger 1968, 173, 177; vgl. auch OLG Köln, Rpfleger 1974, 109 f.; zumindest der Sache nach nunmehr auch BFHE 117, 270, 271 f.) oder ob sie erlischt mit der Folge, dass die Erwerber ohne vorherige Auflassung als Bruchteilseigentümer des zum Nachlass gehörenden Grundstücks eingetragen werden können (so Staudinger/Werner, BGB [2010], § 2033 Rn. 7; ders., ZEV 2014, 604 f.; Soergel/Wolf, BGB, 13. Aufl., § 2033 Rn. 15; Bayer/Scholz, ZErb 2015, 149, 150 ff.; Werner, ZEV 2014, 604; wohl auch MüKoBGB/Schmidt, 6. Aufl., § 1008 Rn. 11).
b) Der Senat teilt die zuerst genannte Auffassung.
aa) Der Gesetzgeber hat die Miterbengemeinschaft als Gesamthandsverhältnis mit der Folge ausgestaltet, dass ein Miterbe nach § 2033 Abs. 2 BGB über „seinen Anteil“ an einzelnen Nachlassgegenständen nicht verfügen kann (vgl. Prot. Bd. V, 1899, S. 835 f. u. 838); das gilt selbst dann, wenn der Nachlass nur (noch) aus einem einzigen Vermögensgegenstand besteht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 1969 - III ZR 73/66, NJW 1969, 92). Um die daraus resultierenden Härten abzumildern, hat er dem Miterben allerdings gemäß § 2033 Abs. 1 BGB die Befugnis eingeräumt, über seinen Anteil am Nachlass zu verfügen, um auf diese Weise eine alsbaldige Verwertbarkeit des Erbteils sicherzustellen (vgl. Prot. Bd. V, 1899, S. 835 f. u. 838). Wird ein Erbteil veräußert, führt dies dazu, dass der Veräußerer aus der mit dem Erbfall kraft Gesetzes zwischen ihm und den übrigen Miterben entstandenen Gesamthandsgemeinschaft ausscheidet und die Gemeinschaft mit dem Erwerber fortgeführt wird (vgl. nur Senat, Beschluss vom 9. Juli 1956 - V BLw 11/56, BGHZ 21, 229, 231; Urteil vom 28. Juni 1963 - V ZR 15/62, NJW 1963, 1610, 1611; BayObLG, NJW 1968, 505; KG, NJW-RR 1999, 880, 882). Das gilt nach der Wertung des § 2037 BGB zumindest grundsätzlich selbst dann, wenn keine Miterben mehr beteiligt sind, sondern nur noch Dritte Erbteile halten. Ansonsten litte die Verkehrsfähigkeit des Erbteils, weil ein Erwerber in Rechnung stellen müsste, dass der Anteil von dem Ausscheiden des letzten Miterben an nicht mehr als solcher übertragen werden könnte. Dass die durch den Erbfall begründete Gesamthandsgemeinschaft im Grundsatz auf Auseinandersetzung und damit auf Beendigung angelegt ist, ändert daran nichts.
bb) Der Fortbestand der durch den Erbfall begründeten Gesamthandsgemeinschaft kann nur ausnahmsweise verneint werden, weil nicht nur die erbrechtliche, sondern auch die sachenrechtliche Zuordnung in Rede steht, die mit Blick auf die Erfordernisse des Rechtsverkehrs in erhöhtem Maße der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit bedarf. Vor diesem Hintergrund kann eine teleologische Reduktion nur in zweifelsfreien Fällen und bei typisierender Betrachtung zum Tragen kommen, praktische Gründe allein rechtfertigen sie nicht (aA MüKoBGB/Schmidt, aaO, § 1008 Rn. 11, der trotz rechtsdogmatischer Bedenken das Vorliegen „rechtspraktischer“ Gründe für ausreichend hält).
(1) So ist es anerkannt, dass die Gesamthandsgemeinschaft erlischt, wenn ein Miterbe oder ein Dritter sämtliche Erbanteile erwirbt und sich damit sämtliche Erbteile in ein und derselben (natürlichen oder juristischen) Person vereinigen. Die Rechtslage ist dann keine andere als bei dem Erwerb des Nachlasses durch einen Alleinerben (vgl. nur BGH, Urteil vom 19. März 1992- IX ZR 14/91, NJW-RR 1992, 733 mwN). Der rechtsgeschäftlich Erwerbende ist so zu stellen, wie er als Alleinerbe stünde. Ein Bedürfnis, über den Nachlass als Ganzes zu verfügen, besteht in beiden Fällen nicht (mehr). Eine Auseinandersetzung mit Mitberechtigten findet nicht statt. Sowohl der Alleinerbe als auch der Erwerber sämtlicher Erbteile kann ohne weiteres die rechtlichen Voraussetzungen für eine Verfügung über Einzelgegenstände schaffen; der Abstimmung mit Mitberechtigten bedarf es hierzu von vornherein nicht. Der Grund für die Einräumung der Möglichkeit, über den Erbteil zu verfügen, besteht in solchen Fällen nicht oder nicht mehr. Der mit dem Modell der gesamthänderischen Bindung verbundene Nachteil, wonach der Mitberechtigte nicht über seinen Anteil an einzelnen Nachlassgegenständen verfügen kann (§ 2033 Abs. 2 BGB), braucht nicht (mehr) durch die Möglichkeit der Verfügung über den Erbteil abgefedert zu werden.
(2) Hier hat kein Erwerb sämtlicher Erbanteile durch einen Erwerber stattgefunden. Wird der Erbteil anteilig auf mehrere Erwerber übertragen, bilden die Erwerber eine Gemeinschaft nach Bruchteilen (§ 741 BGB). Die Bruchteilsgemeinschaft gibt es aber nicht als solche, sondern nur bezogen auf das Recht, das den Mitgliedern der Gemeinschaft gemeinschaftlich zusteht. Handelt es sich um mehrere Erbteile, besteht an diesen jeweils eine Bruchteilsgemeinschaft. Hinsichtlich des Nachlasses bleiben die Inhaber der Erbteile gesamthänderisch verbunden; eine Vereinigung der Erbteile zu einer Bruchteilsgemeinschaft am Nachlass tritt nicht ein (vgl. Lohmann, MittBayNot 2015, 324).
(3) Für den Fortbestand der Erbengemeinschaft gibt es darüber hinaus gute Gründe: Bei dem anteilsmäßigen Erwerb sämtlicher Erbteile durch eine Mehrzahl von Erwerbern wird diesen bei der gebotenen typisierenden Betrachtung mit Blick auf die ansonsten eintretende verschärfte Miterbenhaftung (vgl. § 2059 Abs. 1 Satz 1, § 2060 BGB) regelmäßig daran gelegen sein, vor einer Aufteilung des Nachlasses zunächst die Nachlassverbindlichkeiten zu berichtigen (Tiedtke, JuS 1977, 158, 161). In aller Regel kann auch erst nach Klärung der Passivseite des Nachlasses eine sachgerechte Entscheidung darüber getroffen werden, ob und ggf. hinsichtlich welcher Nachlassgegenstände eine Auseinandersetzung stattfindet, ob sie in Allein- oder Bruchteilseigentum überführt werden sollen oder ob es zweckmäßig erscheint, die Gesamthandsbindung bis auf weiteres aufrechtzuerhalten. Das gilt auch dann, wenn ein Grundstück der einzige Nachlassgegenstand ist. Es steht weiterhin im Gesamthandseigentum.
Es kommt daher nicht mehr darauf an, ob die Beendigung der gesamthänderischen Bindung zudem zu einer Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der Nachlassgläubiger führte (bejahend Tiedtke, aaO; aA Bayer/Scholz, ZErb 2015, 149, 151 f.), die über dasjenige Maß hinausgehen, welches die Gläubiger bei Vereinigung aller Anteile in einer Hand hinzunehmen hätten.
c) Die Voraussetzungen für eine Vorlage an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG liegen nicht vor. Zwar weicht der Senat von der in dem Urteil des Bundesfinanzhofs vom 11. Juni 1975 (NJW 1975, 2119) zugrunde gelegten Rechtsauffassung ab, wonach die durch den Erbfall begründete Gesamthandsgemeinschaft bei Erbteilsübertragungen der vorliegenden Art ihr Ende findet. Jedoch entfällt die Vorlagepflicht, wenn die frühere Entscheidung überholt ist (vgl. nur Kissel/Mayer, GVG, 7. Aufl., zu § 132 GVG Rn. 20). Davon ist hier schon deshalb auszugehen, weil der Bundesfinanzhof nunmehr in ständiger Rechtsprechung davon ausgeht, dass schon die Übertragung eines Erbteils den Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEstG verwirklicht, sofern zu dem Nachlass ein Grundstück gehört (vgl. nur BFHE 117, 270, 271 ff.; BFHE 178, 468; BFHE 246, 222 Rn. 9 f. mwN). Davon abgesehen liegt eine zur Vorlage führende Abweichung auch dann nicht (mehr) vor, wenn die zur Divergenz führende Rechtsauffassung mittlerweile aufgegeben worden ist (vgl. nur BFH, Beschluss vom 22. Juli 2014 - XI B 29/14, juris Rn. 11 mwN, zu § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO; Kissel/Mayer, aaO). So liegt es hier. In der Entscheidung vom 17. Juli 1975 (BFHE 117, 270) hat der Bundesfinanzhof nicht nur seine steuerliche Rechtsauffassung geändert. Er ist zudem von der früheren zivilrechtlichen Beurteilung zur Beendigung der Gesamthandsgemeinschaft durch Erwerb sämtlicher Erbteile abgerückt, indem er ausführt, dass nach der Erbteilsübertragung Eigentum zur gesamten Hand bestehe (aaO, S. 271), dass die Erbengemeinschaft nicht erloschen sei, weil die Erbanteile niemals in einer Hand zusammengefasst worden seien (aaO, S. 271) und dass die Überführung gesamthänderisch gebundenen Eigentums in Bruchteilseigentum der (rechtsgeschäftlichen) Übertragung bedürfe (aaO, S. 272).
IV.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.
Stresemann |
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Karlsruhe, den 12. November 2015 |
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