Entscheidungsdatum: 16.01.2014
Den Klägern wird für das Verfahren der Rechtsbeschwerde Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Dr. A. beigeordnet.
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Görlitz vom 21. Dezember 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.260,14 €.
I.
Die Kläger sind Mieter eines Grundstücks, das über keine Verbindung zu einem öffentlichen Weg verfügt. Um das Grundstück zu erreichen, nutzten sie einen bestimmten Bereich des benachbarten Grundstücks, das im Eigentum des Beklagten steht. Der Beklagte untersagte den Klägern im Januar 2011 die Nutzung dieser Zuwegung und gestattete ihnen, einen anders verlaufenden Weg auf seinem Grundstück zu nutzen.
Mit ihrer Klage machen die Kläger ein Notwegrecht mit dem Ziel geltend, das Grundstück auf dem bisherigen Weg zu erreichen. Der Beklagte verlangt widerklagend die Unterlassung der Nutzung dieses Teils seines Grundstücks durch die Kläger. Die Eigentümerin des von Klägern gemieteten Grundstücks hat diesen alle Rechte zur Durchsetzung von Wege- und Überfahrtsrechten abgetreten und sie darüber hinaus ermächtigt, die ihr zustehenden Eigentumsrechte im eigenen Namen geltend zu machen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Die Kläger haben Berufung eingelegt und zugleich beantragt, ihnen für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Das Landgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde wollen die Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren erreichen, in dem sie ihre erstinstanzlichen Anträge weiterverfolgen.
II.
Das Berufungsgericht meint, Prozesskostenhilfe sei nicht zu bewilligen, weil die Berufung der Kläger keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete. Die Klage sei bereits nicht zulässig. Eine Abtretung eines Notwegrechts sei nicht möglich, da sich dieses als Erweiterung des Eigentumsinhalts des verbindungslosen Grundstücks darstelle. Das Notwegrecht könnten die Kläger auch nicht im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend machen. Es fehle an dem erforderlichen rechtlichen Interesse an der Prozessführung, da das gefangene Grundstück über einen anderen Weg erreichbar sei. Unabhängig davon könnten die allein vorgebrachten persönlichen Belange der Kläger als Mieter des Grundstücks ein Notwegrecht nicht rechtfertigen. Schließlich könne dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch deshalb nicht entsprochen werden, weil bei Annahme einer gewillkürten Prozessstandschaft nicht die Bedürftigkeit der Prozessstandschafter, sondern die des Rechtsinhabers maßgeblich sei. Eine Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Eigentümerin des Grundstücks liege aber nicht vor.
III.
Die Rechtsbeschwerde ist infolge der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO) und auch im Übrigen zulässig (§ 575 ZPO). Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Die Rechtsbeschwerde hätte allerdings nicht - wie geschehen - zur Klärung der Frage zugelassen werden dürfen, ob die Geltendmachung eines Notwegrechts durch einen Mieter in Prozessstandschaft für den Eigentümer des benachteiligten Grundstücks zulässig ist. Im Verfahren der Prozesskostenhilfe kommt eine Zulassung der Rechtsbeschwerde nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nur in Betracht, wenn es um Fragen des Verfahrens der Prozesskostenhilfe oder der persönlichen Voraussetzungen ihrer Bewilligung geht (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2013 - XII ZR 624/12, NJW 2013, 2198 Rn. 5; Senat, Beschluss vom 21. November 2002 - V ZB 40/02, NJW 2003, 1126 jeweils mwN). Hängt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aus Sicht des Berufungsgerichts dagegen allein von der Frage ab, ob die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kann die Rechtsbeschwerde wegen dieser Frage nicht zugelassen werden. Denn das Prozesskostenhilfeverfahren hat nicht den Zweck, zweifelhafte Rechtsfragen zu klären. Vielmehr ist in diesem Fall die Erfolgsaussicht zu bejahen und dem Antragsteller Prozesskostenhilfe zu bewilligen (BVerfG, NJW 1991, 413, 414; Senat, Beschluss vom 21. November 2002 - V ZB 40/02, NJW 2003, 1126; BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013 - XII ZB 34/13, FamRZ 2013, 1799 f.). Indessen ist das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 574 Abs. 3 Satz 2 ZPO auch an eine insoweit rechtsfehlerhafte Zulassung der Rechtsbeschwerde gebunden (BGH, Beschluss vom 8. Mai 2013 - XII ZR 624/12, aaO; Senat, Beschluss vom 21. November 2002 - V ZB 40/02, aaO jeweils mwN).
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kann mit der gegebenen Begründung nicht abgelehnt werden.
a) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts schadet es nicht, dass die Kläger keine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Eigentümerin des notleidenden Grundstücks vorgelegt haben.
Zwar ist im Ausgangspunkt zutreffend, dass im Rahmen eines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei der Geltungsmachung eines fremden Rechts im Wege der Prozessstandschaft von dem Antragsteller auch die Bedürftigkeit des Rechtsinhabers darzulegen ist (BGH, Beschluss vom 9. August 2006 - IX ZB 200/05, NZI 2006, 580 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 16. September 1991 - VIII ZR 264/90, VersR 1992, 594; BGH, Urteil vom 24. Oktober 1985 - VII ZR 337/84, BGHZ 96, 151, 153). Etwas anderes gilt aber dann, wenn - wie in den Fällen der Sicherungsabtretung - der Rechtsinhaber kein Interesse an der Rechtsverfolgung hat und der Prozessstandschafter in eigenem Interesse handelt (vgl. OLG Celle, NJW 1987, 783; BeckOK ZPO/Reichling, Edition 11, § 114 Rn. 22; MünchKomm-ZPO/Motzer, 4. Aufl. 2013, § 114 Rn. 48; Musielak/Frank O. Fischer, ZPO, 10. Aufl., § 114 Rn. 5; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 34. Aufl., § 114 Rn. 12; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 114 Rn. 11). So liegt der Fall hier. Die Kläger machen das Notwegrecht im eigenen Interesse geltend, um die von ihnen gewünschte Erreichbarkeit des von ihnen genutzten Grundstücks herzustellen.
b) Rechtsfehlerhaft verneint das Berufungsgericht auch die Erfolgsaussichten der Berufung mit der Begründung, die Klage sei bereits nicht zulässig.
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Anspruch auch dann im Wege der gewillkürten Prozessstandschaft geltend gemacht werden kann, wenn er nicht abtretbar ist. Der Senat hat dies für den Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 894 BGB (Urteil vom 2. Oktober 1987 - V ZR 182/86, NJW-RR 1988, 126, 127 mwN), den Herausgabeanspruch nach § 985 BGB entschieden (Urteil vom 12. Juli 1985 - V ZR 56/84, NJW-RR 1986, 158) und dies auch für den Anspruch auf Einräumung eines Notwegrechts nach § 917 Abs. 1 BGB zugrunde gelegt (Urteil vom 5. Mai 2006 - V ZR 139/05, NJW-RR 2006, 1160 Rn. 11, 12).
Entgegen der Ansicht des Landgerichts liegt auch das erforderliche schutzwürdige Interesse der Kläger an der Geltendmachung des Anspruchs nach § 917 Abs. 1 BGB vor. Stünde der Eigentümerin des von den Klägern genutzten Grundstücks ein Notwegrecht zu, so hätte der Beklagte die Nutzung des Notwegs durch die Kläger zu dulden. Es entspricht allgemeiner Ansicht, dass die Nutzungsberechtigten den dem Eigentümer eingeräumten Notweg benützen dürfen (Senat, Urteil vom 10. Juli 1963 - V ZR 32/62, NJW 1963, 1917, 1918) und das Notwegrecht dem Nachbarn auch einredeweise entgegenhalten können (Senat, Urteil vom 5. Mai 2006 - V ZR 139/05, NJW-RR 2006, 1160 Rn. 6; NK-BGB/Ring, 3. Aufl., § 917 Rn. 26; Soergel/J.F. Baur, BGB, 13. Aufl., § 917 Rn. 7; Staudinger/Roth, BGB, [2009], § 917 Rn. 32). Die erfolgreiche Geltendmachung des der Eigentümerin zustehenden Anspruchs ist daher von Einfluss auf die eigene Rechtslage der Prozessstandschafter. Ob der Anspruch angesichts der anderweitigen Zugangsmöglichkeit tatsächlich besteht, ist keine Frage der Zulässigkeit der Klage, sondern eine solche der Begründetheit.
c) Soweit das Berufungsgericht meint, die Klage sei jedenfalls unbegründet, weil sie nur auf die persönlichen Belange der Kläger als Mieter gestützt sei, diese aber ein Notwegrecht nicht begründen könnten, ist auch dies nicht frei von Rechtsfehlern.
Richtig ist zwar, dass sich nach objektiven Gesichtspunkten bestimmt, ob einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt (vgl. für die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen: Senat, Urteil vom 18. Oktober 2013 - V ZR 278/12, zur Veröffentlichung bestimmt, Umdruck Rn. 12; Urteil vom 12. Dezember 2008 - V ZR 106/07, NJW-RR 2009, 515 Rn. 24); eine nur einem persönlichen Bedürfnis des Eigentümers oder eines Nutzungsberechtigten entsprechende Nutzung reicht insoweit nicht aus (Senat, Urteil vom 18. Oktober 2013 - V ZR 278/12, aaO Rn. 11; Urteil vom 12. Dezember 2008 - V ZR 106/07, NJW-RR 2009, 515 Rn. 20; Urteil vom 15. April 1964 - V ZR 134/62, NJW 1964, 1321, 1322).
Jedenfalls der von der Rechtsbeschwerde aufgezeigte Einwand der Kläger, der neue Zugangsweg sei schon deshalb unzureichend, weil er über zwei Tore führe, die außerhalb der Betriebszeiten auf dem Gelände des Beklagten mit Vorhängeschlössern gesichert seien, betrifft aber kein ausschließlich persönliches Bedürfnis der Kläger. Ein solcher Zugang, den jeder Grundstücksnutzer als mindestens lästig empfände, kann sich nach den Gegebenheiten des Einzelfalls als für die ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks (objektiv) unzureichend erweisen.
IV.
Der angefochtene Beschluss ist daher aufzuheben. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, weil das Berufungsgericht nicht geprüft hat, ob sich die Kläger mit Aussicht auf Erfolg gegen die das erstinstanzliche Urteil tragende Annahme wenden können, die ihnen von dem Beklagten eingeräumte alternative Zuwegung sei für die ordnungsgemäße Nutzung des von ihnen genutzten Grundstücks ausreichend.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 3 ZPO. Dabei waren die Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren anzusetzen, die bei mangelnder Gewährung von Prozesskostenhilfe von den Klägern aufzubringen sind. Eines Ausspruchs über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens bedurfte es nicht, da über diese im Rahmen der Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden ist.
Stresemann Lemke Schmidt-Räntsch
Czub Kazele