Entscheidungsdatum: 15.07.2010
Der Voreintragungsgrundsatz in § 39 Abs. 1 GBO verlangt nicht, dass derjenige, der die Eintragung nach § 19 GBO bewilligt hat, als Inhaber des betroffenen Rechts im Grundbuch eingetragen sein muss .
Auf die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin werden der Beschluss des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 22. März 2010, der Nichtabhilfebeschluss des Grundbuchamts Seligenstadt vom 25. Februar 2010 und dessen Zwischenverfügung vom 22. Februar 2010 aufgehoben.
Das Grundbuchamt wird angewiesen, den Antrag auf Löschung der im Grundbuch von H., Blatt …, in Abt. III, lfd. Nr. 2 eingetragenen Grundschuld nicht aus den in der Zwischenverfügung vom 22. Februar 2010 und in dem Beschluss vom 25. Februar 2010 genannten Gründen zurückzuweisen.
Der Gegenstandswert für das Verfahren der Rechtsbeschwerde wird auf 3.000 € festgesetzt.
I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des im Eingang des Beschlusses bezeichneten Grundstücks, das sie mit notariellem Vertrag vom 4. Januar 2010 verkauft hat. In der Abteilung III des Grundbuchs ist unter der laufenden Nummer 2 eine Grundschuld über 51.129,19 € nebst Zinsen zugunsten der Landesbank Hessen-Thüringen Girozentrale eingetragen.
Die Antragstellerin beantragte unter anderem die Löschung dieser Grundschuld. Hierzu legte sie dem Grundbuchamt eine gesiegelte Erklärung der eingetragenen Grundschuldgläubigerin (im Folgenden: Zedentin) über die Abtretung eines erstrangigen Teilbetrags der Grundschuld in Höhe von 30.766,51 € nebst Zinsen an die Stadtsparkasse Offenbach (im Folgenden: Zessionarin) mit der Bewilligung der Eintragung der Abtretung in das Grundbuch, sowie gesiegelte Bewilligungen der Zessionarin zur Löschung der abgetretenen (Teil-)Grundschuld und der Zedentin zur Löschung der verbliebenen (Teil-)Grundschuld vor.
Das Grundbuchamt hat mit Schreiben vom 15. Februar 2010 und sodann mit Zwischenverfügung vom 22. Februar 2010 beanstandet, dass die Zessionarin mangels Eintragung die Grundschuld noch nicht erworben habe und daher nicht bewilligungsberechtigt sei, eine Bewilligung der noch berechtigten Zedentin jedoch nicht vorliege. Zur Behebung des Hindernisses hat es eine Frist von einem Monat bestimmt.
Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde gegen die Zwischenverfügung zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren Antrag weiter.
II.
Das Beschwerdegericht meint, die Zwischenverfügung sei zutreffend. Die von der Antragstellerin beantragte Löschung der abgetretenen Teilgrundschuld setze nach § 39 Abs. 1 GBO die Voreintragung der Zessionarin voraus, woran es hier fehle. Diese Norm sei zwar nur eine Ordnungsvorschrift, die jedoch von dem Grundbuchamt stets zu beachten sei und keine der Zulassung von Ausnahmen zugeneigte Auslegung vertrage.
An der Erforderlichkeit der Voreintragung nach § 39 Abs. 1 GBO vermöge eine von der Zedentin erteilte Ermächtigung zur Bewilligung der Löschung durch die Zessionarin nichts zu ändern, da diese dadurch nur zur Erklärung der Bewilligung berechtigt gewesen, nicht aber voreingetragen sei.
III.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Die nach § 78 Abs. 1 GBO statthafte und nach § 78 Abs. 3 Satz 1 GBO i.V.m. § 71 FamFG im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist in der Sache begründet. Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts kann die Eintragung der Löschung aus keinem der in der Zwischenverfügung genannten Gründe zurückgewiesen werden.
1. Es liegt eine wirksame Bewilligung nach § 19 GBO zur Löschung des Grundpfandrechts durch die Zessionarin vor.
a) Diese konnte zwar nicht aus eigenem Recht die Löschung bewilligen. Bewilligungsberechtigt nach § 19 GBO ist nämlich nur derjenige, dessen grundbuchmäßiges Recht durch die vorzunehmende Eintragung nicht nur wirtschaftlich, sondern rechtlich beeinträchtigt wird oder zumindest rechtlich nachteilig berührt werden kann (Senat, BGHZ 66, 341, 345; 91, 343, 346; 145, 133, 136).
Daran fehlt es hier, weil die Zessionarin mangels Eintragung der Abtretung nicht neue Grundschuldgläubigerin geworden ist und somit nicht ihr Recht von der Löschung beeinträchtigt wird. Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Abtretung der Grundschuld nach § 1154 Abs. 3 BGB i.V.m. §§ 873, 878 BGB nur durch deren Eintragung in das Grundbuch auf der Grundlage der Einigung mit dem bisherigen Gläubiger wirksam erfolgen konnte (RGZ 54, 362, 365). Das gilt zwar nur für die Buchgrundpfandrechte uneingeschränkt, jedoch nicht für die nach § 1154 Abs. 1 BGB abtretbaren Briefgrundpfandrechte. Eine Briefgrundschuld ist hier aber nicht bestellt worden. Die fehlerhafte Bezeichnung des Rechts in dem angefochtenen Beschluss als Briefgrundschuld ist wegen der Widersprüchlichkeit der Feststellungen des Beschwerdegerichts für das Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bindend, weil nach der ebenfalls zitierten Zwischenverfügung des Grundbuchamts die Grundschuld - wie auch im Grundbuch eingetragen - als Buchgrundpfandrecht bezeichnet worden ist.
b) Die Zessionarin hat jedoch wirksam als Nichtberechtigte mit Zustimmung der berechtigten Zedentin die Löschung der Grundschuld bewilligt.
aa) Die von einem Nichtberechtigten erklärte Bewilligung nach § 19 GBO wird mit Zustimmung des eingetragenen Berechtigten wirksam. § 185 BGB ist auf die Eintragungsbewilligung, obwohl sie - zumindest auch - eine verfahrensrechtliche Erklärung ist (Senat, BGHZ 84, 202, 208), entsprechend anzuwenden (RGZ 54, 362, 367; KGJ 47, 158, 160; BayObLGZ 1970, 254, 256; Demharter, GBO, 27. Aufl., § 19 Rdn. 73; Hügel/Holzer, GBO, § 19 Rdn. 95; Kössinger in Bauer/v. Oefele, GBO, 2. Aufl., § 19 Rdn. 294; KEHE-Munzig, Grundbuchrecht, 6. Aufl., § 19 GBO Rdn. 65; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 19 Rdn. 61).
bb) Die Zustimmung der Zedentin zu der von der Zessionarin erklärten Löschungsbewilligung ergibt sich hier aus der Urkunde, in der die Zedentin die Abtretung der (Teil-)Grundschuld an die Zessionarin erklärt und die Eintragung der Rechtsänderung in das Grundbuch bewilligt hat.
Zwar hat die Zedentin damit nicht zugleich ausdrücklich ihre Einwilligung zu Verfügungen über die Grundschuld durch die Zessionarin schon vor einer Eintragung der Abtretung in das Grundbuch erklärt. Das ist aber nicht erforderlich, da die Einwilligung auch konkludent zum Ausdruck gebracht werden kann. Ob die Abgabe der zur Vornahme des dinglichen Geschäfts erforderlichen materiell-rechtlichen Erklärungen zusammen mit den für die Eintragung in das Grundbuch erforderlichen Erklärungen durch den Verfügenden zugleich dessen Einwilligung zu weiteren Verfügungen durch den anderen Teil schon vor der Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch enthält, ist durch Auslegung des Rechtsgeschäfts zu ermitteln (Kössinger in Bauer/v. Oefele, GBO, 2. Aufl., § 19 Rdn. 295, 299; Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 19 Rdn. 63).
Von einer Einwilligung ist grundsätzlich auszugehen, wenn der eingetragene Gläubiger eines Buchgrundpfandrechts mit seiner Abtretungserklärung dem Zessionar zugleich eine Bewilligung in der Form des § 29 GBO zur Umschreibung aushändigt. Der Zedent gibt damit zu erkennen, dass er keine Rechte in Bezug auf das Grundpfandrecht mehr geltend macht und das Gläubigerrecht ohne Einschränkungen auf den Zessionar überträgt, so dass kein In-teresse erkennbar ist, welches der Zedent noch an den von dem Zessionar getroffenen Verfügungen über das abgetretene Grundpfandrecht haben könnte (RGZ 54, 362, 369; OLG Düsseldorf DNotZ 1996, 559, 561; LG Detmold Rpfleger 2001, 299; Demharter, GBO, 27. Aufl., § 19 Rdn. 73; Meikel/Böttcher, aaO).
So liegt es auch hier. Die Zedentin hat der Zessionarin eine Abtretungserklärung ausgehändigt, mit der diese die Eintragung herbeiführen konnte. Die mit Stempel und Unterschrift versehende Erklärung entsprach der in § 29 Abs. 3 GBO vorgesehenen Form. Die Zedentin ist nach § 3 des Gesetzes des Landes Hessen über die Neuordnung des öffentlichen Bank- und Sparkassenwesens und der Rechtsverhältnisse der Hessisch-Nassauischen Versicherungsanstalten (GVBl. I 1990, 38) eine Anstalt des öffentlichen Rechts und damit eine Behörde im Sinne dieser Vorschrift (dazu Meikel/Hertel, GBO, 10. Aufl., § 29 Rdn. 334). Umstände, die dafür sprechen könnten, dass sich die Zedentin Entscheidungsbefugnisse in Bezug auf die abgetretene Grundschuld hätte vorbehalten wollen, sind nicht ersichtlich.
2. Die Eintragung der Löschung des Grundpfandrechts verstößt auch nicht gegen § 39 Abs. 1 GBO.
a) Der in dieser Vorschrift enthaltene Voreintragungsgrundsatz ist eine formelle Voraussetzung für die Grundbucheintragung. Er bezweckt nicht nur die klare und verständliche Wiedergabe des aktuellen Grundbuchstands, sondern auch die Möglichkeit, seine Entwicklung nachzuvollziehen. Das betroffene Recht muss so eingetragen sein, wie es der materiellen Rechtslage und der sich anschließenden neuen Eintragung entspricht (Senat, BGHZ 16, 101; Urt. v. 20. Januar 2006, V ZR 214/04, NJW-RR 2006, 888, 890).
b) Die Voraussetzungen des § 39 Abs. 1 GBO sind hier erfüllt. Das von der Löschung betroffene Recht ist die eingetragene Buchgrundschuld. Von der rechtsändernden Eintragung der Löschung wird der wahre Inhaber des Rechts betroffen (RGZ 133, 279, 282). Das ist hier die Zedentin, weil die Abtretung der Buchgrundschuld (wie oben unter 1 a ausgeführt) mangels Eintragung nicht erfolgt ist. Die Zedentin ist als Berechtigte im Grundbuch eingetragen.
Eine vorherige Eintragung der Zessionarin ist dagegen auch vor dem Hintergrund des Zwecks des Voreintragungsgrundsatzes nicht geboten, dass das Grundbuch nicht nur den aktuellen Grundbuchstand, sondern auch seine Entwicklung richtig wiedergeben soll (RGZ 133, 279, 283; Senat BGHZ 16, 101; Urt. v. 20. Januar 2006, V ZR 214/04, aaO). Auch nach einer Eintragung der Löschung ohne eine Voreintragung der Zessionarin gäbe das Grundbuch die sachenrechtliche Lage hier in allen Entwicklungsstufen richtig wieder, weil die Zessionarin das Grundpfandrecht nicht erworben, sondern auf Grund einer ihr von der Zedentin erteilten Ermächtigung über deren Recht verfügt hat.
c) § 39 Abs. 1 GBO verlangt - entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts - nicht, dass derjenige, der die Eintragung nach § 19 GBO bewilligt hat, im Grundbuch voreingetragen sein muss. Eingetragen sein muss der Inhaber des durch die Verfügung betroffenen Rechts, nicht jedoch derjenige, der ihn vertritt oder über dessen Recht verfügen kann (Meikel/Böttcher, GBO, 10. Aufl., § 39 Rdn. 13). § 39 Abs. 1 GBO knüpft an die im Grundbuch auszuweisende Rechtsinhaberschaft, § 19 GBO demgegenüber an die Befugnis zur Verfügung über das von der Eintragung betroffene Recht an (Bauer in Bauer/v. Oefele, GBO, 2. Aufl., § 39 Rdn. 39; KEHE-Herrmann; Grundbuchrecht, 6. Aufl., GBO, § 39 Rdn. 14).
Die sich aus einer Einwilligung oder Genehmigung des Eingetragenen ergebende Verfügungsbefugnis eines Nichtberechtigten kann zudem - wie die Rechtsbeschwerde zutreffend bemerkt - nicht in das Grundbuch eingetragen werden. Hat ein Auflassungs- oder Abtretungsempfänger als Nichtberechtigter die Eintragung nach § 19 GBO bewilligt, hängt die Eintragung allein von der Zustimmung des (noch) eingetragenen Berechtigten zu dieser Verfügung ab (vgl. BayObLGZ 1970, 254, 256).
Da die Einwilligung hier auf Grund der mit der Aushändigung einer Löschungsbewilligung verbundenen Abtretungserklärung in der Form des § 29 GBO vorliegt (siehe oben 1.b)), ist das Grundbuchamt anzuweisen, die Eintragung der Löschung nicht aus den in seiner Zwischenverfügung genannten Gründen zu versagen.
IV.
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 131 Abs. 4 i.V.m. § 30 Abs. 2 Satz 1 KostO.
Krüger |
Lemke |
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Zugleich für den infolge Urlaubs an der Unterschrift verhinderten RiBGH Dr. Klein |
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Stresemann |
Czub |