Entscheidungsdatum: 12.09.2013
Auf die Rechtsbeschwerde der Kläger wird der Beschluss der 2. Zivilkammer des Landgerichts Mühlhausen vom 21. November 2012 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 1.000 €.
I.
Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Zu Lasten des Grundstücks der Kläger ist seit 1931 im Grundbuch eine Grunddienstbarkeit eingetragen, die den jeweiligen Eigentümer des Grundstücks der Beklagten berechtigt, das Grundstück der Kläger "ohne Entschädigung zu Wirtschaftszwecken (Fahren und Viehtreiben) zu benutzen". Mit der Begründung, die Beklagten benötigten die Grunddienstbarkeit nicht mehr, weil sie ein weiteres Grundstück hinzuerworben hätten und sie - unstreitig - das herrschende Grundstück nicht mehr landwirtschaftlich nutzten, verlangen die Kläger von den Beklagten den Verzicht auf die Grunddienstbarkeit und die Bewilligung der Löschung im Grundbuch.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Den Streitwert hat es auf 1.000 € festgesetzt. Das Landgericht hat die Berufung der Kläger als unzulässig verworfen. Mit der Rechtsbeschwerde wollen die Kläger die Aufhebung dieser Entscheidung und die Zurückweisung der Sache an das Landgericht erreichen.
II.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts übersteigt der Wert des Beschwerdegegenstandes 600 € nicht (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Maßgebend für das Interesse der Kläger an der beantragten Verurteilung sei die durch die Grunddienstbarkeit hervorgerufene Wertminderung ihres Grundstücks. Da nach dem Vortrag der Kläger die Beklagten die Grunddienstbarkeit nicht mehr benötigten und die Nutzung des Nebengebäudes als Garage freiwillig aufgegeben hätten, sei nicht ersichtlich, inwieweit der Wert des Grundstücks der Kläger durch die Grunddienstbarkeit gemindert sei.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Dieser Zulässigkeitsgrund ist unter anderem dann gegeben, wenn das Berufungsgericht dem Rechtsmittelführer den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert. Eine solche Erschwerung liegt zwar nicht in jedem Fehler bei der Bemessung der Beschwer, sondern ist nur dann gegeben, wenn das Berufungsgericht die Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Senat, Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 193/10, NZM 2011, 488, 489 Rn. 8). Hier hat das Berufungsgericht den Zugang zu der Berufung aber deshalb unzumutbar erschwert, weil es bei der Ausübung seines Ermessens die in Betracht zu ziehenden Umstände nicht umfassend berücksichtigt hat (vgl. BGH, Beschluss vom 31. März 2010 - XII ZB 130/09, NJW-RR 2010, 1081, 1082).
2. Das Rechtsmittel ist begründet.
a) Die Beschwer der Kläger, die sich gegen die Abweisung ihrer Klage auf Bewilligung der Löschung der auf ihrem Grundstück lastenden Grunddienstbarkeit wehren, bemisst sich nach der aktuellen Wertminderung, die ihr Grundstück durch die Belastung erleidet, § 7 Hs. 2 ZPO (vgl. Senat, Beschluss vom 22. Januar 2009 - V ZR 121/08, juris). Für die Ermittlung des Wertverlusts ist der Verkehrswert des Grundstücks mit der Grunddienstbarkeit mit demjenigen ohne die Grunddienstbarkeit zu vergleichen (vgl. Senat, Beschluss vom 9. Dezember 2012 - V ZR 103/10, juris Rn. 4). Zu Unrecht meint das Berufungsgericht, eine Wertminderung des Grundstücks sei hier deshalb nicht ersichtlich, weil die Kläger - was zur Schlüssigkeit ihrer Klage erforderlich ist - vorgetragen haben, dass die Beklagten wegen der veränderten Umstände die Grunddienstbarkeit nicht mehr benötigten. Damit verkennt es, dass es für die Bemessung der Wertminderung, die ein durch eine Grunddienstbarkeit belastetes Grundstück erleidet, nicht allein darauf ankommt, ob der Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegenwärtig von den Rechten aus der Dienstbarkeit Gebrauch macht. Vielmehr muss in die Bewertung maßgeblich auch der Umstand einbezogen werden, dass die Möglichkeit einer künftigen Inanspruchnahme der Rechte aus der Dienstbarkeit - sei es durch den gegenwärtigen, sei es durch einen künftigen Eigentümer des herrschenden Grundstücks - besteht. Dem hat das Berufungsgericht bei der Bemessung der Beschwer der Kläger nicht Rechnung getragen.
b) Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben. Gemäß § 577 Abs. 4 ZPO ist sie aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung gibt ihm Gelegenheit, in seine Ermessensentscheidung über die Wertfestsetzung sämtliche hier einschlägigen Umstände einzubeziehen und gegebenenfalls im Verfahren der Glaubhaftmachung (§ 511 Abs. 3 ZPO) zu klären, ob die Angaben der Kläger es rechtfertigen, von einer 600 € übersteigenden Wertminderung ihres Grundstücks auszugehen.
c) Den Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens setzt der Senat mangels anderer Anhaltspunkte in Übereinstimmung mit der Festsetzung des Amtsgerichts auf 1.000 € fest.
Stresemann Czub Brückner
Weinland Kazele