Entscheidungsdatum: 19.11.2014
Gibt ein Unternehmer einen Gutschein in Umlauf, der dessen Besitzer berechtigt, eine Leistung des Unternehmers kostenlos in Anspruch zu nehmen, liegt in der Regel kein entgeltlicher Leistungsaustausch vor.
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt mehrere Spielhallen, in denen auch Geldspielgeräte stehen. Ihre Umsätze versteuert sie nach vereinbarten Entgelten.
Erstmals im Jahr 2007 verteilte die Klägerin anlässlich der Neueröffnung einer Spielhalle über Zeitungsanzeigen und Auslage in Geschäften sog. "Test Coupons" in Höhe von jeweils 100 €. Der Text des Coupon-Abschnittes lautete wie folgt:
"TEST COUPON 100,- EURO CASINO B • Täglich nur 10,- Euro einlösbar • Pro Person nur 1 Coupon • Gültig bis 31.03.2007 oder bis auf Widerruf • Keine Barauszahlung • Nur zur Freimünzung an Geldspielgeräten bei Vorlage dieses Coupons • Für alle ab 18 Jahren!!!".
Eingelöst wurden die Test-Coupons, indem nach Ausweiskontrolle der Betrag von 100 € einem auf den Namen des Kunden eingerichteten Konto gutgeschrieben und eine Kundenkarte ausgegeben wurde. Pro Tag und Kunde konnte unter Vorlage der Kundenkarte nur ein Betrag von 10 € abgerufen werden. Der Kunde bestätigte jeweils schriftlich den Erhalt des Gutscheinbetrages von 10 €. Sodann wurde das vom Kunden gewählte Gerät in Höhe von 10 € "freigemünzt", indem ein Mitarbeiter der Klägerin einen entsprechenden Geldbetrag in den Automaten einwarf.
In der Steuererklärung 2007 erklärte die Klägerin u.a. Umsätze aus den Geldspielautomaten in Höhe von 1.682.512,35 € und machte "Erlösschmälerungen" aus den Freimünzungsumsätzen in Höhe von 642.488,79 € geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) erkannte im Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 22. Dezember 2009 diese "Erlösschmälerungen" in Höhe von 637.386 € nicht an.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) wurden im Umsatzsteuerbescheid 2008 --der Steuererklärung der Klägerin entsprechend-- die auf der Einlösung von Gutscheinen beruhenden Freimünzungsumsätze in Höhe von 218.261 € in voller Höhe als steuerpflichtige Umsätze behandelt.
Die Klage hatte keinen Erfolg. Zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 226 veröffentlichten Urteils führte das FG im Wesentlichen aus, die Klägerin gewähre im Rahmen des jeweils abgeschlossenen Spielvertrages den Spielteilnehmern an den Geldspielgeräten neben der Spielmöglichkeit auch eine Gewinnchance. Spielmöglichkeit und Gewinnchance stellten einen Vorteil für den Spielteilnehmer dar. Die Klägerin erbringe ihre sonstige Leistung (Verschaffung der Spielmöglichkeit und der Gewinnchance am Geldspielgerät) gegen Geldeinwurf des Vertragspartners und damit grundsätzlich entgeltlich.
Entgegen der Auffassung der Klägerin erbringe sie auch in den hier streitigen "Gutscheinfällen" eine umsatzsteuerbare sonstige Leistung gegen Entgelt. Auch in den Gutscheinfällen schließe der Kunde (Spieler) mit der Klägerin einen Glücksspielvertrag i.S. des § 762 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Spiel- und Wettverträge begründeten zwar keine Verbindlichkeit, der Gläubiger habe also keinen Anspruch auf Erfüllung; sie würden aber, sofern sie nicht unwirksam seien, als Rechtsgrund für Erfüllungsleistungen gelten.
Der Gutscheininhaber habe den ihm gutgeschriebenen Betrag in Teilbeträgen von jeweils 10 € dazu verwendet, um Spieleinsätze zu tätigen und dadurch Spielmöglichkeit und Gewinnchance zu erhalten. Dass er den Betrag nicht selbst in den Automaten geworfen habe, spiele keine Rolle. Er habe bestimmen können, zu welcher Zeit und an welchem Automaten er habe spielen und seinen Einsatz wagen wollen. Barzahlung sei nicht Voraussetzung für das Vorliegen eines Entgelts.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts sowie Verfahrensfehler.
Das angefochtene Urteil verletzte § 1 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG). Es fehle an einer Gegenleistung des Kunden und damit an der Entgeltlichkeit. Bei den freigemünzten Beträgen habe es sich nicht um Geld des Kunden gehandelt. Dieses von ihr, der Klägerin, zur Verfügung gestellte Geld sei weder durch Schenkung noch auf andere Art und Weise in die Verfügungsmacht des Kunden übergegangen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2007 vom 22. Dezember 2009 und 2008 vom 23. Februar 2010 sowie die Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2011 zu ändern und die Umsatzsteuer 2007 auf ./. 1.677,29 € und die Umsatzsteuer 2008 auf 155.173,88 € herabzusetzen.
Das FA beantragt,
die Umsatzsteuer unter Abänderung der Bescheide für 2007 vom 22. Dezember 2009 und für 2008 vom 23. Februar 2010 auf den Betrag festzusetzen, der sich ergibt, wenn die "Gutscheinfälle" als nicht entgeltlich behandelt werden.
Selbst wenn es sich bei den Freimünzungen --wovon nunmehr auch das FA ausgeht-- nicht um einen entgeltlichen Leistungsaustausch gehandelt habe, seien bei der "Rückabwicklung der Besteuerung" die Besonderheiten der Besteuerung von Geldspielautomatenumsätzen zu berücksichtigen: So werde als Umsatz i.S. des § 10 Abs. 1 UStG nicht der Betrag erfasst, den die Spieler in den Geldspielautomaten einwürfen (Spieleinsatz), sondern es werde nach diversen Abzügen nur ein Anteil von in den Streitjahren durchschnittlich ca. 25 % hiervon als Bemessungsgrundlage berücksichtigt. Die Klägerin habe aber ihre Umsätze um den vollen Betrag der Freimünzungen reduziert, obwohl sich die Freimünzungen zu nur durchschnittlich 25 % als Umsatz umsatzsteuerrechtlich ausgewirkt hätten.
II. Das Urteil der Vorinstanz wird aufgehoben und die Sache wird an das FG zurückverwiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass es sich bei der Einräumung der Spielmöglichkeit an Geldspielgeräten der Klägerin in den Fällen der "Freimünzung" gegen Vorlage eines Test-Coupons um sonstige Leistungen gegen Entgelt gehandelt hat. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um über die Sache abschließend entscheiden zu können.
1. Die Klägerin erbringt im Rahmen der Freimünzungen keine entgeltlichen Leistungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG. Eine Gegenleistung des Kunden liegt nicht in dem aufgrund des Test-Coupons gutgeschriebenen Betrag, den er "einsetzen" muss, um die Spielmöglichkeit zu erreichen. Der Vorgang erschöpft sich wirtschaftlich vielmehr darin, dass der Kunde zehn Mal für jeweils 10 € "umsonst" spielen darf. Davon gehen aufgrund der mündlichen Verhandlung nunmehr beide Beteiligten aus.
2. Soweit in den angefochtenen Umsatzsteuerbescheiden 2007 und 2008 Freimünzungen als Entgelte in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer eingeflossen sind, ist die Bemessungsgrundlage entsprechend zu mindern. Auf der Grundlage der Feststellungen des FG lässt sich der Umfang der erforderlichen Minderung der Bemessungsgrundlage aber nicht ermitteln.
a) Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um entscheiden zu können, mit welchem Betrag sich die Umsätze aus den Freimünzungen im Umsatzsteuerbescheid 2007 umsatzsteuerlich ausgewirkt haben, weil das FG keine Feststellungen dazu getroffen hat, auf welche Art und Weise die Klägerin ihre Umsätze in den Streitjahren ermittelt hat. Das FG wird entsprechende Feststellungen nachholen und bei seiner Entscheidung die Grundsätze der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) berücksichtigen müssen.
Danach besteht bei Umsätzen aus dem Betrieb von Geldspielautomaten, die aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften einen bestimmten Prozentsatz der Spieleinsätze der Spieler als Gewinne auszahlen, die vom Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhaltene Gegenleistung nur in dem Teil der Einsätze, über den er effektiv selbst verfügen kann (EuGH-Urteile vom 19. Juli 2012 C-377/11, International Bingo, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2012, 1011, Rz 26; vom 5. Mai 1994 C-38/93, Glawe, Slg. 1994, I-1679, Rz 9). Gemäß § 12 Abs. 2 Buchst. a der in den Streitjahren geltenden Verordnung über Spielgeräte und andere Spiele mit Gewinnmöglichkeit --Spielverordnung (SpielV), BGBl I 2006, 280-- war Zulassungsvoraussetzung für Spielgeräte mit Gewinnmöglichkeit, dass Gewinne in solcher Höhe ausgezahlt wurden, dass bei langfristiger Betrachtung kein höherer Betrag als 33 € je Stunde als Kasseninhalt verblieb. Durch die Regelungen in §§ 12, 13 SpielV war sichergestellt, dass die Gegenleistung, die der Betreiber für die Bereitstellung der Automaten tatsächlich erhält, durch "zwingende gesetzliche Vorschriften" im o.g. Sinn festgelegt wird (EuGH-Urteil vom 24. Oktober 2013 C-440/12, Metropol, HFR 2013, 1166, Rz 42).
Aus der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sich ergeben, dass die Freimünzungen nicht in voller Höhe, sondern mit dem im Streitjahr 2007 einschlägigen, um die Gewinnausschüttungen bereinigten geringeren Anteil in die Bemessungsgrundlage eingeflossen sind. Um diesen vom FG noch zu ermittelnden Anteil, nicht --wie die Klägerin meint-- um den Gesamtbetrag der Freimünzungen, ist die Bemessungsgrundlage 2007 zu reduzieren. Es besteht kein Grund, die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer in einem höheren Maße herabzusetzen, als sie zuvor zu Unrecht vom FA durch die Freimünzungen erhöht worden ist.
b) Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des FG auch nicht entscheiden, um welchen Betrag die Umsatzsteuer 2008 herabzusetzen ist. Nach den --insoweit unklaren-- Feststellungen des FG sind die Umsätze aus Freimünzungen im Umsatzsteuerbescheid 2008 in Höhe von 218.261 € "in voller Höhe" als steuerpflichtige Umsätze berücksichtigt. Da der Umsatzsteuerbescheid 2008 vom 23. Februar 2010 aber auf der Umsatzsteuererklärung der Klägerin beruht und diese ihre Umsätze entsprechend den Besonderheiten bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage von Geldspielautomatenumsätzen nicht in Höhe des Spieleinsatzes der Spieler, sondern nur zu dem Teil versteuert hat, über den sie effektiv verfügen konnte, ist --auch auf der Grundlage des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung vom 19. November 2014-- davon auszugehen, dass die Freimünzungen nur zu einem um die Gewinnausschüttungen bereinigten Teil in die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer eingeflossen sind. Das FG wird feststellen müssen, ob die Freimünzungen tatsächlich zu 100 % in die Bemessungsgrundlage eingeflossen sind, mit der Folge, dass sie auch in vollem Umfang rückgängig zu machen wären, oder ob sich die Freimünzungen nur in einem anderen (geringeren) Umfang bei der Festsetzung der Umsatzsteuer 2008 umsatzsteuerlich ausgewirkt haben.
3. Da die Revision bereits wegen Verletzung materiellen Rechts Erfolg hat, brauchte der Senat über den gerügten Verfahrensfehler nicht zu entscheiden.