Entscheidungsdatum: 24.07.2014
NV: Der Einspruch gegen einen auf 0 € lautenden Umsatzsteuerbescheid ist im Allgemeinen unzulässig .
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist im Kraftfahrzeughandel tätig. Sie reichte ihre Umsatzsteuerjahreserklärung für das Streitjahr 2005, die nach § 168 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichstand, am 27. September 2006 beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) ein. Aufgrund einer Umsatzsteuernachschau ging das FA davon aus, dass die Klägerin für die Lieferung eines PKWs der Marke M an die spanische Firma C die Steuerfreiheit nach § 6a des Umsatzsteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (UStG) zu Unrecht in Anspruch genommen habe und änderte gemäß § 164 Abs. 2 AO die Steuerfestsetzung für das Streitjahr 2005 durch Bescheid vom 1. April 2009.
Hiergegen legte die Klägerin am 20. April 2009 Einspruch ein. Während des Einspruchsverfahrens fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt, bei der der Prüfer annahm, dass die Klägerin als Organgesellschaft gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in ein anderes Unternehmen eingegliedert und daher nicht selbständig tätig gewesen sei. Dementsprechend setzte das FA die Umsatzsteuer für das Streitjahr durch Bescheid vom 19. November 2010 auf 0 € herab und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Nach den Erläuterungen zum Steuerbescheid vom 19. November 2010 erledigte sich hierdurch der Einspruch vom 20. April 2009.
Hiergegen legte die Klägerin am 13. Dezember 2010 erneut Einspruch ein, der nicht begründet wurde. Nach schriftlicher Androhung einer Verböserung setzte das FA die Umsatzsteuer durch die Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2011 entsprechend dem Bescheid vom 1. April 2009 fest, da keine Organschaft bestanden habe, und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück.
Die Klage zum Finanzgericht (FG) hatte keinen Erfolg (veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2014, 795). Das FA habe für die Lieferung zu Recht die Steuerfreiheit für die innergemeinschaftliche Lieferung versagt. Die Klägerin habe den Beleg- und Buchnachweis nicht ordnungsgemäß geführt, da der CMR-Frachtbrief nicht den Anforderungen eines Versendungsbelegs entsprochen habe. Der Frachtbrief weise einen unzutreffenden Absender aus. An der Existenz des Abnehmers bestünden Zweifel. Die Voraussetzungen der Steuerfreiheit lägen auch nicht objektiv vor. Im Hinblick auf die Belegmängel sei der Klägerin auch kein Vertrauensschutz zu gewähren.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Revision. Das FG habe § 127 AO rechtsfehlerhaft angewendet. Die Einspruchsentscheidung enthalte zur Streitfrage der innergemeinschaftlichen Lieferung keine Begründung. Dies verletze § 366 AO. Die Eintragung eines falschen Absenders im CMR-Frachtbrief stehe der Steuerfreiheit nicht entgegen. Der CMR-Frachtbrief müsse nicht vollständig ausgefüllt sein. Der Nachweis der Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung könne auch geführt werden, wenn die Person des Auftraggebers des Frachtführers nicht bekannt sei. Es verblieben hinreichende Kontrollmöglichkeiten für die Finanzverwaltung. In Bezug auf die Person des Abnehmers habe das FG den Prozessstoff nur unvollständig berücksichtigt. Ihr sei zumindest Gutglaubensschutz zu gewähren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG aufzuheben und das FA zu verpflichten, den Umsatzsteuerbescheid 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2011 dahingehend zu ändern, dass die Lieferung zu einem Bruttoentgelt in Höhe von 31.900 € als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt wird.
Das FA beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Die Lieferung sei steuerpflichtig. Ein Verfahrensfehler liege nicht vor.
II. Die Revision der Klägerin ist aus anderen als den geltend gemachten Gründen begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und der (verbösernden) Einspruchsentscheidung des FA im beantragten Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Die Klage ist bereits deshalb begründet, da der Einspruch mangels Beschwer (§ 350 AO) unzulässig war, so dass für das FA keine Befugnis für eine Verböserung bestand.
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) ist die Beschwer Zulässigkeitsvoraussetzung für den Einspruch (BFH-Urteil vom 9. August 2007 VI R 7/04, BFH/NV 2008, 9, unter II.2.). Liegt keine Beschwer vor, ist der Einspruch als unzulässig zu verwerfen (§ 358 Satz 2 AO). Dies ist auch im Revisionsverfahren zu prüfen (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 9).
2. Nach § 350 AO ist nur befugt, Einspruch einzulegen, wer geltend macht, durch einen Verwaltungsakt beschwert zu sein. Die Beschwer bestimmt sich nach der Schlüssigkeit des Vortrags des Rechtsbehelfs- oder Einspruchsführers sowie --bei fehlender Begründung-- nach der verständigen Prüfung des angefochtenen Steuerbescheids. Erscheint danach eine Beschwer als möglich, ist die Rechtsbehelfsbefugnis zu bejahen (BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 9, unter II.2.).
3. Für den Bereich der Umsatzsteuer hat der erkennende Senat bereits entschieden, dass eine Klage --und damit auch ein Einspruch-- gegen einen auf 0 € lautenden Umsatzsteuerbescheid im Allgemeinen unzulässig ist und eine Beschwer nur dann vorliegt, wenn stattdessen die Festsetzung einer Steuervergütung erstrebt wird oder wenn sich die Steuerfestsetzung nicht in der Konkretisierung des Steuerschuldverhältnisses erschöpft (BFH-Urteil vom 15. April 2010 V R 11/09, BFH/NV 2010, 1830, unter II.1.b).
4. Im Streitfall war die Klägerin aufgrund der Nullfestsetzung durch den Bescheid vom 19. November 2010 nicht beschwert und ihr Einspruch daher unzulässig. Die Klägerin machte mit ihrem Einspruch gegen die Nullfestsetzung auch keinen Vergütungsanspruch geltend.
Der Einspruch der Klägerin hätte daher als unzulässig verworfen werden müssen (§ 358 Satz 2 AO). Der unzulässige Einspruch eröffnete dem FA nicht die Befugnis, die Umsatzsteuer-Festsetzung 2005 in sachlicher Hinsicht nochmals zu überprüfen und diese nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO im Hinblick auf das dann angenommene Fehlen einer Organschaft zu verbösern (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 9, unter II.4.).
Auf die Frage, ob das FA für den verbösernden Steuerbescheid vom 18. Mai 2011 eine andere Korrekturgrundlage, wie z.B. § 174 AO hätte in Anspruch nehmen können, kommt es im Streitfall nicht an. Denn der Steuerbescheid vom 18. Mai 2011 erging nicht als Verwaltungsakt, gegen den der Einspruch nach § 347 AO zulässig ist, sondern als Teil der gemäß § 348 Satz 1 AO nicht einspruchsfähigen Einspruchsentscheidung. Eine Umdeutung in einen nach § 174 AO erlassenen und einspruchsfähigen Änderungsbescheid kommt daher nicht in Betracht.
5. Mit der Aufhebung der Vorentscheidung und der (verbösernden) Einspruchsentscheidung vom 18. Mai 2011 tritt der geänderte Umsatzsteuerbescheid vom 19. November 2010 aber nur insoweit wieder in Kraft, als es den Klageanträgen entspricht. Eine weiter gehende Änderung zugunsten der Klägerin scheidet im Hinblick auf die Bindung an die Anträge (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO) aus. Daher war auch nicht zu entscheiden, ob die Klägerin u.U. doch Organgesellschaft gewesen sein könnte.
6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.