Entscheidungsdatum: 23.02.2012
1. NV: Der Nachweis der Behinderung kann nicht nur durch Vorlage eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises oder Feststellungsbescheids gemäß § 69 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) sowie eines Rentenbescheids erfolgen, sondern auch in anderer Form.
2. NV: Ein Anspruch auf Kindergeld besteht nur dann, wenn die Behinderung nach den Gesamtumständen des Einzelfalles in erheblichem Umfang mitursächlich dafür ist, dass das Kind nicht seinen (gesamten) Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten kann.
3. NV: Dabei spricht ein Grad der Behinderung von unter 50 % eher gegen eine Kausalität der Behinderung.
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bezog für seine am … August 1983 geborene Tochter S für das Streitjahr (2003) Kindergeld. Die von S begonnene Berufsausbildung endete vorzeitig mit Ablauf des 30. September 2002. In der Zeit vom 1. Januar bis 21. April 2003 erhielt S Arbeitslosengeld in Höhe von insgesamt 285,27 €. Mit Schreiben vom 11. Februar 2003 beschied die Berufsunfähigkeitsversicherung, S erhalte ab Mai 2002 eine Rente von monatlich 657,08 €. S erhielt ab März 2003 die laufenden monatlichen Zahlungen, zudem im Monat März 2003 für die Zeit von Mai 2002 bis Februar 2003 (zehn Monate) eine Nachzahlung von 6.530,80 €.
Im Juli 2004 wurde der Beklagten und Revisionsbeklagten (Familienkasse) bekannt, dass S ihre Lehre aus gesundheitlichen Gründen abgebrochen und sich arbeits- bzw. ausbildungsplatzsuchend gemeldet habe. Im November 2004 reichte der Kläger bei der Familienkasse einen Bescheid des Versorgungsamtes vom 22. Juli 2004 nach, in dem für S ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 % festgestellt wurde.
Mit Bescheid vom 14. Februar 2005 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung ab Januar 2003 auf, weil die Einkünfte und Bezüge der S den Jahresgrenzbetrag von 7.188 € übersteigen würden. Zugleich forderte die Familienkasse das hiernach für das Streitjahr überzahlte Kindergeld in Höhe von 1.848 € zurück.
Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) begründete sein Urteil im Wesentlichen damit, es könne dahingestellt bleiben, ob S als behindertes oder arbeitsloses Kind zu berücksichtigen sei. Selbst bei einer Berücksichtigung als behindertes Kind sei S wegen der Berufsunfähigkeitsrentennachzahlung (Nachzahlung) im Streitjahr nicht außerstande gewesen, sich selbst zu unterhalten. Es gelte das Monatsprinzip. Der am Ende des Zuflussmonats nach Abzug des Bedarfs nicht verbrauchte Betrag habe sich zu Beginn des Folgemonats nicht in --außer Ansatz bleibendes-- Vermögen umgewandelt. Jährlich anfallende Einnahmen seien auf den Zuflussmonat und die nachfolgenden elf Monate aufzuteilen, so dass im Streitjahr ein Betrag von 10/12 der Nachzahlung (= 5.442,33 €) berücksichtigt werden müsse. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob alle vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen zu berücksichtigen seien. Selbst dann hätten die finanziellen Mittel der S ihren gesamten Bedarf abgedeckt.
Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) mit Beschluss vom 28. März 2011 III B 144/09 (BFH/NV 2011, 1144) hinsichtlich Kindergeld Januar bis März 2003 zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, dass die durch S bezogene Nachzahlung erst ab dem Folgemonat des Zuflusses, d.h. erst ab April 2003 habe berücksichtigt werden dürfen. Das Urteil weiche insoweit von der Rechtsprechung des BFH ab.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
wegen Kindergeld Januar bis März 2003 das angefochtene Urteil, den Aufhebungsbescheid der Familienkasse vom 14. Februar 2005 sowie die Einspruchsentscheidung vom 3. Mai 2005 aufzuheben.
Die Familienkasse beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen,
hilfsweise, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Sie teilt nunmehr unter Berücksichtigung des im BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 1144 zitierten BFH-Urteils vom 4. November 2003 VIII R 43/02, BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046 die Auffassung, dass die Rentennachzahlung erst ab dem auf den Zuflussmonat folgenden Monat zu berücksichtigen sei. Für eine kindergeldrechtliche Berücksichtigung der S fehle es aber an der Ursächlichkeit der Behinderung für das Unvermögen, sich selbst zu unterhalten. Diese Ursächlichkeit könne bei einer Behinderung von nur 30 % nur angenommen werden, wenn besondere Umstände ersichtlich seien, die eine Erwerbstätigkeit unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausgeschlossen erscheinen ließen. Für derartige Umstände gebe es aber keine Anhaltspunkte.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Das FG geht im Ergebnis zwar zu Recht davon aus, dass die Voraussetzungen die Berücksichtigung der S als arbeitsloses Kind nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr 2003 geltenden Fassung (EStG) im Streitfall nicht vorliegen. Die Feststellungen des FG reichen aber nicht aus, um beurteilen zu können, ob S gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG deshalb als behindertes Kind zu berücksichtigen ist, weil ihre Behinderung ursächlich für ihr Unvermögen zur Selbstversorgung gewesen ist.
1. Im Ergebnis zu Recht hat das FG entschieden, dass der Kläger sich für einen Kindergeldanspruch für die streitigen Monate Januar bis März 2003 nicht auf § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG berufen kann.
Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Sätze 1 und 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG besteht für ein Kind, das --wie im Streitfall S-- das 18. Lebensjahr, aber noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitssuchender gemeldet ist, dem Grunde nach Anspruch auf Kindergeld. Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG wird ein Kind nach § 32 Abs. 4 Nr. 1 und 2 aber nur berücksichtigt, wenn es Einkünfte und Bezüge, die zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmt oder geeignet sind, von nicht mehr als 7.188 € im Kalenderjahr hat (Jahresgrenzbetrag). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt, weil die Einkünfte und Bezüge der S im Jahr 2003 durch das Arbeitslosengeld in Höhe von 287,27 €, die ab März 2003 gezahlte monatliche Berufsunfähigkeitsrente in Höhe von 657,08 € und die Nachzahlung in Höhe von 6.530,80 € mehr als 7.188 € betragen haben. Maßgebend für die Überschreitung der Freigrenze des § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG sind alle Einkünfte und Bezüge der S im Kalenderjahr 2003, nicht nur die der Monate Januar bis März.
a) Der Gesetzgeber unterstellt in § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG typisierend, dass Eltern nicht (mehr) mit Unterhaltsaufwendungen für das Kind belastet sind und ihre Leistungsfähigkeit damit derjenigen kinderloser Steuerpflichtiger entspricht, wenn die Einkünfte und Bezüge des Kindes den maßgebenden Grenzbetrag (im Jahr 2003: 7.188 €) übersteigen. Deshalb werden volljährige Kinder, auch wenn sie einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz suchen, bei Überschreitung dieser Grenze nicht mehr berücksichtigt (BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 III R 34/09, BFHE 230, 61, BStBl II 2010, 982).
b) Dabei hängt die Berücksichtigung des Kindes nicht von der Situation in den einzelnen Monaten ab, in denen das Kind einen Tatbestand nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG erfüllt, sondern von der Höhe der Einkünfte und Bezüge des Kindes in dem gesamten Zeitraum, in dem es die Voraussetzungen eines Berücksichtungstatbestands des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 oder 2 EStG erfüllt. Der Gesetzgeber ist, ohne dass dies zu beanstanden wäre, typisierend davon ausgegangen, dass ein Kind, das in einem Kalenderjahr Einkünfte und Bezüge in einer bestimmten Höhe erzielt, während des ganzen Jahres nicht unterhaltsbedürftig ist. Sind im Fall des Überschreitens des Jahresgrenzbetrags die Einkünfte und Bezüge eines Kindes in den einzelnen Berücksichtigungsmonaten unterschiedlich hoch, ist es nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG ausgeschlossen, Kindergeld für einzelne Monate zu gewähren, in denen keine oder nur geringe Einkünfte oder Bezüge zugeflossen sind (BFH-Urteile in BFHE 230, 61, BStBl II 2010, 982; vom 22. Dezember 2011 III R 67/10, nicht veröffentlicht --n.v.--; vom 22. Dezember 2011 III R 93/10, n.v.; BFH-Beschluss vom 31. Juli 2008 III B 64/07, BFHE 222, 471, BStBl II 2011, 37).
2. Der Senat kann aber nicht entscheiden, ob die Voraussetzungen eines Kindergeldanspruches nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG vorgelegen haben. Danach setzt der Kindergeldanspruch für ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, u.a. voraus, dass es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Die Feststellungen des FG erlauben keine abschließende Entscheidung, ob diese Voraussetzungen vorliegen. Entgegen der Auffassung des FG war S in den Monaten Januar bis März 2003 i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG außerstande, sich selbst zu unterhalten. Ob die Behinderung der S hierfür ursächlich war, lässt sich den Feststellungen des FG jedoch nicht entnehmen.
a) Ein behindertes Kind ist imstande, sich selbst zu unterhalten, wenn es über eine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit verfügt, die zur Bestreitung seines gesamten notwendigen Lebensbedarfs ausreicht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046; vom 15. Oktober 1999 VI R 183/97, BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72, und vom 15. Oktober 1999 VI R 40/98, BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75). Die Fähigkeit des Kindes zum Selbstunterhalt ist dabei anhand eines Vergleichs zweier Bezugsgrößen, nämlich des gesamten Lebensbedarfs des Kindes einerseits und seiner finanziellen Mittel andererseits, zu prüfen. Erst wenn sich daraus eine ausreichende Leistungsfähigkeit des Kindes ergibt, kann davon ausgegangen werden, dass den Eltern kein zusätzlicher Aufwand erwächst, der ihre steuerrechtliche Leistungsfähigkeit mindert (z.B. Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BVerfGE 82, 60, 87, BStBl II 1990, 653, 658; BFH-Urteil in BFHE 189, 449, BStBl II 2000, 75). Der gesamte existentielle Lebensbedarf des behinderten Kindes setzt sich typischerweise aus dem allgemeinen Lebensbedarf (Grundbedarf) und dem individuellen behinderungsbedingten Mehrbedarf zusammen (BFH-Urteile in BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, und in BFHE 189, 442, BStBl II 2000, 72).
b) Bei der Prüfung, ob ein volljähriges Kind wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten, ist --abweichend von § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG gemäß § 66 Abs. 2 EStG-- auf den Kalendermonat abzustellen (ausführlich BFH-Urteil in BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, m.w.N., Leitsatz; vgl. auch BFH-Urteil vom 16. Dezember 2002 VIII R 65/99, BFHE 201, 195, BStBl II 2003, 593). Behinderten Kindern kann daher auch für solche Berücksichtigungsmonate Kindergeld gewährt werden, in denen sie keine oder nur geringe Einkünfte/Bezüge haben, selbst wenn ihre insgesamt im Kalenderjahr erhaltenen Einkünfte/Bezüge über dem Bedarf liegen. Außerdem wirkt sich eine im Laufe eines Monats ausbezahlte Nachzahlung, die zum Wegfall der Bedürftigkeit führt, erst in dem auf den Zuflussmonat folgenden Monat aus (BFH-Urteil in BFHE 204, 120, BStBl II 2010, 1046, unter II.4.).
c) Zu Unrecht hat daher das FG --auch wenn im Urteil sinngemäß auf § 66 Abs. 2 EStG Bezug genommen wird-- die Berechnung nach § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG vorgenommen, indem es die Nachzahlung von 6.530,80 € auch auf die Monate Januar bis März 2003 verteilt hat.
Der für das Streitjahr 2003 zu berücksichtigende existenzielle Lebensbedarf betrug 7.188 € jährlich, also monatlich 599 €. Da die im März 2003 erfolgte Rentennachzahlung für S erst ab dem der Auszahlung folgenden Monat, also ab April 2003 und nicht in den Monaten Januar bis März 2003 berücksichtigt werden durfte, lagen die Einnahmen der S aus Arbeitslosengeld in Höhe von 285,27 € im Streitzeitraum unter dem existenziellen Lebensbedarf. Es kann deshalb insoweit dahingestellt bleiben, ob und in welchem Umfang ein behinderungsbedingter Mehrbedarf vorgelegen hat.
Für den Monat März 2003 muss das FG allerdings feststellen, ob die den monatlichen existenziellen Lebensbedarf von 599 € übersteigende, erstmals gezahlte monatliche Rente von 657,08 € der S bereits am 1. März 2003 zur Verfügung stand und deshalb keine Nachzahlung darstellte.
d) Der Senat kann aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Behinderung der S ursächlich i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG für ein Unvermögen zum Selbstunterhalt war.
aa) Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch --SGB IX--).
bb) Der Nachweis der Behinderung kann nicht nur durch Vorlage eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises oder Feststellungsbescheids gemäß § 69 SGB IX sowie eines Rentenbescheids erfolgen, sondern auch in anderer Form wie beispielsweise durch Vorlage einer Bescheinigung bzw. eines Zeugnisses des behandelnden Arztes oder auch eines ärztlichen Gutachtens erbracht werden (vgl. BFH-Urteile vom 9. Februar 2012 III R 47/08, n.v.; vom 16. April 2002 VIII R 62/99, BFHE 198, 567, BStBl II 2002, 738, m.w.N.; Dienstanweisung zur Durchführung des Familienleistungsausgleichs (DA-FamEStG), Stand 2011, Rz 63.3.6.2 Abs. 1 Satz 2, BStBl I 2009, 1030, 1069, BStBl I 2011, 716, 719).
cc) Ein behindertes Kind kann sowohl wegen der Behinderung als auch wegen der allgemein ungünstigen Situation auf dem Arbeitsmarkt oder wegen anderer Umstände (z.B. mangelnder Mitwirkung bei der Arbeitsvermittlung, Ablehnung von Stellenangeboten) arbeitslos und damit außerstande sein, sich selbst zu unterhalten. Ein Anspruch auf Kindergeld besteht nur dann, wenn die Behinderung nach den Gesamtumständen des Einzelfalles in erheblichem Umfang mitursächlich dafür ist, dass das Kind nicht seinen (gesamten) Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit bestreiten kann (BFH-Urteil vom 22. Dezember 2011 III R 46/08, BFH/NV 2012, 730, unter II.2.b, m.w.N.). Die Frage, ob eine Behinderung für die mangelnde Fähigkeit des behinderten Kindes zum Selbstunterhalt in erheblichem Umfang mitursächlich ist, hat das FG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu entscheiden (BFH-Urteile vom 9. Februar 2012 III R 47/08, n.v.; vom 19. November 2008 III R 105/07, BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057). Dabei kommt auch dem GdB eine wichtige indizielle Bedeutung für die Prüfung der Ursächlichkeit der Behinderung für die mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt zu. Je höher der GdB ist, desto stärker wird die Vermutung, dass die Behinderung der erhebliche Grund für die fehlende Erwerbstätigkeit ist. Dabei spricht ein GdB unter 50 eher gegen eine Kausalität der Behinderung (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2012, 730, und in BFHE 223, 365, BStBl II 2010, 1057, unter II.2.c). In Übereinstimmung damit geht daher auch die Verwaltung in Abschnitt 63.3.6.3 DA-FamEStG (BStBl I 2011, 716, 720) zu Recht davon aus, dass eine Behinderung des Kindes grundsätzlich als nicht ursächlich für die mangelnde Fähigkeit zum Selbstunterhalt anzusehen ist, wenn der GdB weniger als 50 beträgt und keine besonderen Umstände hinzutreten, die einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entgegenstehen.
dd) Im Streitfall liegt zwar eine Bescheinigung des Versorgungsamtes vor, aus der sich ergibt, dass S zu 30 % behindert war. Der Bescheid enthält jedoch keine Äußerung darüber, ob die Behinderung zu einer Einbuße der körperlichen Beweglichkeit geführt hat oder auf einer typischen Berufskrankheit beruht. Auch aus der auf einer privaten Versicherung beruhenden Rentenzahlung ergeben sich keine für die steuerrechtliche Beurteilung überprüfbaren Anhaltspunkte. Das FG hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob anderweitige Nachweise z.B. in Gestalt ärztlicher Gutachten vorgelegen haben und auch selbst keine entsprechenden Gutachten eingeholt. Das FG hat auch keine Feststellungen getroffen, die Anhaltspunkte für die Annahme ergeben, dass trotz eines GdB von nur 30 % von einer erheblichen Mitursächlichkeit der Behinderung für die Unfähigkeit der S zum Selbstunterhalt auszugehen sein könnte. Diese Feststellungen muss das FG nachholen.
3. Die Entscheidung erfolgt im Einvernehmen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 90 Abs. 2, 121 FGO).