Entscheidungsdatum: 23.10.2014
1. NV: Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann der durch die Meldung eines Kindes als arbeitsuchend begründete Status entfällt, sind für das Kindergeld die Vorschriften des Sozialrechts heranzuziehen .
2. NV: Zwar ist die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt i.S. des § 31 SGB X, dennoch setzt der Wegfall der Arbeitsuchendmeldung nicht konstitutiv die wirksame Bekanntgabe der Einstellungsverfügung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III voraus .
3. NV: Wird die Einstellung der Arbeitsvermittlung dem Arbeitsuchenden nicht bekanntgegeben, ist für den Fortbestand der Arbeitsuchendmeldung maßgeblich darauf abzustellen, ob das arbeitsuchende Kind eine die Agentur für Arbeit zur Einstellung der Vermittlung berechtigende Pflichtverletzung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III begangen hat .
I. Streitig ist die Berechtigung der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse), die Kindergeldfestsetzung für die Tochter des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) für den Zeitraum Oktober 2012 bis März 2013 gemäß § 70 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufzuheben und zu viel gezahltes Kindergeld in Höhe von 1.104 € nach § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung zurückzufordern.
Der Kläger ist Vater der 1993 geborenen M, die sich bis Juli 2012 in Schulausbildung befand. Am 9. August 2012 meldete sich M bei der Agentur für Arbeit als arbeitsuchend ohne Arbeitslosengeldanspruch. M erhielt eine Einladung in die Arbeitsvermittlung für den 11. September 2012. Gleichzeitig wurde sie in die Berufsberatung der Agentur für Arbeit aufgenommen und bekam einen Termin zur Berufsberatung am 4. September 2012. Am gleichen Tag beantragte der Kläger bei der Familienkasse die Gewährung von Kindergeld für ein volljähriges Kind ohne Ausbildungs- oder Arbeitsplatz. In seinem Antrag gab er an, dass M seit 9. August 2012 einen Ausbildungsplatz/Studienplatz suche und bei der Agentur für Arbeit registriert sei. Die Familienkasse gewährte daraufhin weiter fortlaufend Kindergeld für M.
Am Tage des Termins zur Berufsberatung (4. September 2012) teilte M der Agentur für Arbeit um 9:15 Uhr per E-Mail mit, dass sie es zeitlich nicht mehr schaffe, den Termin um 9:30 Uhr wahrzunehmen und bat, den Termin auf die nächste Woche zu verschieben. Am 11. September 2012 nahm sie den Termin bei der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit ohne Angabe von Gründen nicht wahr. Noch am selben Tag erfolgte die interne Abmeldung aus der Arbeitsvermittlung durch die Agentur für Arbeit. Eine Mitteilung über die Abmeldung erhielt M nicht. Am 24. September 2012 erschien M zu einem weiteren Termin bei der Berufsberatung ohne Angabe von Gründen nicht. Erst am 23. April 2013 setzte sich M wieder mit der Agentur für Arbeit in Verbindung und erhielt für den 29. April 2013 einen Termin zur Berufsberatung, den sie auch wahrnahm.
Mit Bescheid vom 14. Mai 2013 hob die Familienkasse die Kindergeldfestsetzung gegenüber dem Kläger ab Oktober 2012 gemäß § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte das für den Zeitraum Oktober 2012 bis Mai 2013 in Höhe von 1.472 € gezahlte Kindergeld zurück.
Gegen die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und Rückforderung des Kindergelds für den Zeitraum Oktober 2012 bis Mai 2013 richtete sich nach erfolglosem Einspruchsverfahren die Klage. Im Klageverfahren hob die Familienkasse die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung und die Rückforderung des Kindergelds für den Zeitraum April 2013 bis Juni 2013 auf. Die Beteiligten erklärten das Klageverfahren insoweit in der Hauptsache für erledigt, so dass nur noch die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung für die Monate Oktober 2012 bis März 2013 streitig blieb.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Zur Begründung führte es aus, der Status der M als "Arbeitsuchender" i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG sei nicht mit Ablauf des Septembers 2012 weggefallen. Die Abmeldung und Einstellung der Arbeitsvermittlung gemäß § 38 Abs. 3 Satz 2 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch in der ab 1. Januar 2009 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 21. Dezember 2008 (BGBl I 2008, 2917 --SGB III--) durch die Agentur für Arbeit sei nicht wirksam gewesen, weil die behördliche Maßnahme nur durch eine interne Löschung der M aus den Registern der Agentur für Arbeit erfolgt sei. Bei der Abmeldung und Einstellung der Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III handele es sich aber um einen Verwaltungsakt, der bekannt zu geben sei. Da eine Bekanntgabe unterblieben sei, sei der Kindergeldanspruch nicht erloschen.
Hiergegen wendet sich die Familienkasse mit der Revision. Zu deren Begründung trägt sie vor, die Abmeldung und Einstellung der Arbeitsvermittlung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III stelle keinen Verwaltungsakt dar, der der Bekanntgabe bedürfe. Selbst wenn aber eine Bekanntgabe erforderlich sein solle, könne deren Fehlen nicht dazu führen, dass der Kindergeldanspruch nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG fortbestehe, obwohl das Kind die ihm obliegenden Pflichten verletzt habe.
Das folge u.a. daraus, dass mit der im Streitjahr geltenden Neuregelung in § 38 Abs. 3 SGB III gegenüber der außer Kraft getretenen Regelung in § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III a.F. stärkere Mitwirkungspflichten für den Arbeitsuchenden verbunden seien.
Die Familienkasse beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Zu Unrecht hat das FG entschieden, dass wegen des Fehlens einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung gemäß § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III die Meldung als Arbeitsuchender i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG zeitlich unbefristet fortbestehe. Ob die Voraussetzungen für die Meldung als Arbeitsuchende bei M im Streitzeitraum vorgelegen haben, kann der Senat anhand der vom FG getroffenen Feststellungen nicht entscheiden.
1. Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender gemeldet ist.
Vorliegend ist streitig, ob der von M im Monat September 2012 begründete Status als Arbeitsuchende durchgehend im Streitzeitraum bestanden hat. Dies richtet sich nach den Vorschriften des Sozialrechts, hier insbesondere nach § 38 SGB III (Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. April 2014 III R 19/12, BFHE 245, 200; vom 10. April 2014 III R 37/12, BFH/NV 2014, 1726).
a) Zwar hat das FG zutreffend entschieden, dass die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt i.S. des § 31 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch ist (BFH-Urteil in BFHE 245, 200) und für den Senat insoweit bindend festgestellt (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), dass es im Streitfall mangels feststellbaren Zugangs an einem solchen Verwaltungsakt fehlt.
b) Dennoch setzt der Wegfall der Arbeitsuchendmeldung --entgegen der Rechtsansicht des FG-- nicht konstitutiv die wirksame Bekanntgabe der Einstellungsverfügung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III voraus. Ist --wie im Streitfall-- das arbeitsuchende Kind tatsächlich aus der Vermittlung abgemeldet, fehlt es aber an einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung, hängt der Fortbestand der Arbeitsuchendmeldung davon ab, ob das arbeitsuchende Kind eine Pflichtverletzung begangen hat, die die Agentur für Arbeit nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III zur Einstellung der Vermittlung berechtigt (BFH-Urteile in BFHE 245, 200; in BFH/NV 2014, 1726). Allerdings kommt danach eine Einstellung der Vermittlung nicht bei jeglicher Form einer nicht ausreichenden Mitwirkung in Betracht. Erforderlich ist gemäß § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III, dass ein Verstoß gegen § 38 Abs. 2 SGB III, gegen die Eingliederungsvereinbarung oder gegen den Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III vorliegt.
2. Die Feststellungen des FG reichen nicht aus, um abschließend beurteilen zu können, ob die Arbeitsuchendmeldung der M mit Ablauf des Monats September 2012 wegen einer nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III beachtlichen Pflichtverletzung weggefallen ist.
a) Das FG hat insoweit für den Senat lediglich bindend festgestellt, dass M der Agentur für Arbeit am 4. September 2012 um 9:15 Uhr per E-Mail mitteilte, dass sie den Termin um 9:30 Uhr nicht wahrnehmen könne, dass sie sowohl den Termin am 11. September 2012 als auch den Termin am 24. September 2012 ohne Angabe von Gründen nicht wahrnahm und sich erst am 23. April 2013 wieder mit der Agentur für Arbeit in Verbindung setzte. Diese Feststellungen reichen jedoch nicht zur Prüfung der Frage aus, ob M die ihr nach § 38 Abs. 2 SGB III, einer Eingliederungsvereinbarung oder einem Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III obliegenden Pflichten nicht erfüllt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben.
b) Bei seiner erneuten Entscheidung wird das FG zu berücksichtigen haben, dass die Familienkasse --wenn sie sich auf das Vorliegen einer beachtlichen Pflichtverletzung beruft-- die Feststellungslast dafür trägt, dass dem arbeitsuchenden Kind eine entsprechende Pflicht oblegen hat. Umgekehrt trägt der Kindergeldberechtigte die Feststellungslast dafür, dass das Kind die ihm obliegenden Pflichten erfüllt oder nur aufgrund des Vorliegens eines wichtigen Grundes verletzt hat (BFH-Urteil in BFH/NV 2014, 1726, Rz 17).
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.