Entscheidungsdatum: 22.07.2011
NV: Werden mehrere Beschwerden durch Beschluss zur gemeinsamen Entscheidung durch den Bundesfinanzhof verbunden, ist für jedes der miteinander verbundenen Beschwerdeverfahren unter Ansatz des jeweiligen Streitwerts eine eigene Gebühr nach dem Kostenverzeichnis anzusetzen .
I. Mit Beschluss hat der Senat die zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden des Kostenschuldners und Erinnerungsführers (Kostenschuldner) als unbegründet zurückgewiesen.
Der zuständige Kostenbeamte setzte hierauf --unter Berücksichtigung des Mindeststreitwerts von jeweils 1.000 €-- die Gerichtskosten durch Kostenrechnung mit 220 € (je 110 € nach Nr. 6500 des Kostenverzeichnisses) fest.
Gegen diesen Streitwertansatz wendet sich der Kostenschuldner und macht unter Hinweis auf den Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 8. August 1968 V B 29-32/68 (BFHE 93, 266, BStBl II 1968, 778) geltend, für ein verbundenes Verfahren sei nur ein einheitlicher Streitwert festzusetzen. Er beantragt daher, den Streitwert der beiden verbundenen Verfahren auf 1.000 € fest- und die zu entrichtenden Gerichtskosten mit 110 € anzusetzen.
II. Die Erinnerung des Kostenschuldners hat keinen Erfolg. Die Kostenrechnung für das Beschwerdeverfahren beruht auf einer zutreffenden Ermittlung des Streitwerts nach dem Gerichtskostengesetz (GKG).
1. Im Verfahren über die Beschwerde wegen der Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebliche Wert (§ 47 Abs. 3 GKG). Dieser richtet sich gemäß § 47 Abs. 1 GKG nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Hat der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren nicht erkennbar gemacht, dass er in einem Revisionsverfahren das Klagebegehren nur noch eingeschränkt weiterverfolgen werde, ist von dem Streitwert im Klageverfahren auszugehen (BFH-Beschluss vom 24. April 2007 IV E 1/07, BFH/NV 2007, 1899). Dieser bemisst sich grundsätzlich nach der sich aus dem Antrag des Klägers ergebenden Bedeutung der Sache (§ 52 Abs. 1 GKG). Hiervon abweichend regelt § 52 Abs. 4 GKG, dass der Streitwert --wie vorliegend-- nicht unter einen Mindestbetrag von 1.000 € angenommen werden darf. Der Ansatz eines Mindeststreitwerts bewirkt keine unzulässige Zugangsbeschränkung zu den Finanzgerichten und ist daher verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BFH-Beschluss vom 31. Mai 2007 V E 2/06, BFHE 217, 388, BStBl II 2007, 791).
2. Werden mehrere Beschwerden vom BFH durch Beschluss zur gemeinsamen Entscheidung verbunden, ist für jedes der miteinander verbundenen Beschwerdeverfahren unter Ansatz des jeweiligen Streitwerts eine eigene Gebühr nach dem Kostenverzeichnis anzusetzen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 23. Februar 2006 II E 7/05, BFH/NV 2006, 1311; vom 13. Juni 2000 VIII E 4/00, BFH/NV 2000, 1238; vom 26. Mai 2000 XI E 1/00, BFH/NV 2001, 43; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Rz 105; Schwarz in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 139 FGO Rz 235; Ratschow in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., Vor § 135 Rz 96; Müller in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 443; Hartmann, Kommentar zum GKG, § 40 Rz 3). Da die Gerichtsgebühren bereits im Zeitpunkt der den Rechtszug einleitenden Antragstellung entstehen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 2. November 2010 I E 8/10, BFH/NV 2011, 806; vom 30. April 2003 VII E 8/03, BFH/NV 2003, 1201; vom 4. Juli 1986 VII E 4/85, BFH/NV 1986, 693 zur Entstehung der Gebühr für das Revisionsverfahren mit Einreichung der Revisionsschrift) und ein einheitlicher Streitwert erst vom Zeitpunkt der Verbindung an gilt (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 43, Leitsatz 2), sind die Gebühren für beide Beschwerdeverfahren im Streitfall zu Recht getrennt mit jeweils 110 € auf insgesamt 220 € festgesetzt worden.
a) Aus dem vom Kostenschuldner angeführten BFH-Beschluss in BFHE 93, 266, BStBl II 1968, 778 ergibt sich nichts anderes. Danach ist der Streitwert für gleichzeitig erhobene Anfechtungsklagen desselben Klägers gegen mehrere getrennt erlassene Steuerbescheide, solange noch keine Verbindung der Klagen durch Gerichtsbeschluss stattgefunden hat, für jedes einzelne Verfahren getrennt, für die Zeit nach der Verbindung in einer Summe festzusetzen. In den Entscheidungsgründen führt der Senat aus, dass sich die Verbindung von Verfahren gebührenrechtlich nicht für die Vergangenheit auswirken kann und die Klägerin daher dem Prozessbevollmächtigten die bereits entstandenen Prozess- und Erledigungsgebühren schuldet, wie sie sich aus der Berechnung nach den Streitwerten der einzelnen Klagen ergeben, soweit sich aus § 7 Abs. 2 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, nunmehr § 22 Abs. 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes, die für die Gerichtskosten keine Bedeutung hat, nichts anderes ergibt.
b) Der VI. Senat des BFH hat zwar im Beschluss vom 25. November 2004 VI E 1/04 (BFH/NV 2005, 379) entschieden, dass bei einer Verbindung von zwei Nichtzulassungsbeschwerden zur gemeinsamen Entscheidung aus beiden Einzelstreitwerten ein Gesamtstreitwert zu bilden sei, am 9. Juni 2011 VI ER-S 1/11 (nicht veröffentlicht) jedoch beschlossen, dass er an seiner im o.g. Beschluss geäußerten Rechtsauffassung nicht mehr festhalte.
3. Das Verfahren über die Erinnerung ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 2 GKG).