Entscheidungsdatum: 07.02.2017
NV: Das Überlassen von Zimmern in einem Bordell ist keine Vermietungsleistung.
Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 17. November 2015 4 K 81/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist die Rechtsnachfolgerin der am 10. Juni 2016 verstorbenen Frau X, die in einem bis zum 31. Juli 2005 gepachteten Gebäude ein Bordell betrieben und dazu Räume an Prostituierte überlassen hat. Nachdem die Klägerin ausschließlich Umsätze aus Zimmervermietung erklärte, gelangte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) zu der Rechtsauffassung, die Klägerin habe sämtliche Dienstleistungen erbracht und schätzte weitere Umsätze hinzu, sodass sich insgesamt (einschließlich der als Vermietungsleistung erklärter Umsätze) ein täglicher Umsatz in den Streitjahren 2004 und 2005 von 90 € pro Prostituierter ergab.
Die hiergegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. Maßgeblich sei, ob die Klägerin lediglich Zimmer an die Prostituierten vermietete oder ob sie aus der Sicht der Kunden als diejenige aufgetreten sei, die über die Zimmervermietung hinaus das Bordell organisiert habe. Nach Würdigung der Gesamtumstände gelangte das FG zu dem Ergebnis, dass dies der Fall sei. Die Bauweise des Hauses mit 18 mit Bad und WC, Doppelbett und teilweise Whirlpool sowie Direkttelefon ausgestatteten Zimmern spreche hierfür, ebenso wie die Kameraüberwachung, die Bewirtung der Damen, die Lieferung von Bettwäsche und Papierrollen, die vorgegebenen auf den Betrieb des Bordells abgestimmten Öffnungszeiten von 10 Uhr bis 3 oder 4 Uhr des mit einem einheitlichen Namen beschrifteten Hauses. Im Eingangsbereich sei ein Schaukasten mit Fotos der Damen angebracht und im Internet sei mit Fotos der "aktuellen" Damen geworben worden. Die mündlich geschlossenen Mietverträge seien mit einer Frist von drei Tagen kurzfristig kündbar gewesen. Es seien Gutscheine an die Damen überlassen und die Aufsicht im Haus geführt worden, um bei Streitigkeiten die Polizei zu rufen. Im Internet habe sie sich als Bordellbetreiberin dargestellt. Soweit sich im Haus ein Hinweis auf die Selbständigkeit der Prostituierten befunden habe, trete die Bedeutung dieser Erklärung gegenüber den übrigen tatsächlichen Umständen zurück, die für die Organisation der Verschaffung des Geschlechtsverkehrs durch die Klägerin sprächen. Ebenso könne auch bei der Gesamtwürdigung offen bleiben, ob die einheitliche Preisgestaltung im Bordell auf eine Vorgabe der Rechtsvorgängerin oder auf eine Einigung der Damen unter sich zurückzuführen sei. Die vom FA geschätzte Höhe der Umsätze bewege sich am untersten Rand des Schätzungsrahmens.
II. Die auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Divergenz sowie Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet.
1. Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) wird nicht entsprechend den Anforderungen in § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
a) Wird die Beschwerde mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, hat der Beschwerdeführer zur Erfüllung der Darlegungsanforderungen eine hinreichend bestimmte für die Entscheidung des Streitfalls erhebliche abstrakte Rechtsfrage herauszustellen, der grundsätzliche Bedeutung zukommen soll. Hierzu ist schlüssig und substantiiert unter Auseinandersetzung mit den zur aufgeworfenen Rechtsfrage in Rechtsprechung und Schrifttum vertretenen Auffassungen darzulegen, weshalb die für bedeutsam gehaltene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im Streitfall klärbar ist. Dazu muss auch dargetan werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchen Gründen die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist. Liegt zu der herausgestellten Rechtsfrage bereits Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vor, so gehört zu der Darlegung der Klärungsbedürftigkeit eine fundierte Stellungnahme, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuen Entwicklungen sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 15. Oktober 2008 II B 74/08, BFH/NV 2009, 125; vom 8. Oktober 2010 II B 111/10, BFH/NV 2011, 73; vom 22. Juli 2013 I B 158/12, BFH/NV 2013, 1807). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
b) Die Klägerin hebt die Rechtsfrage heraus, "ob eine Umsatzsteuerpflicht eines Bordellbetreibers für die Entgelte auf sexuelle Dienstleistungen auch dann gilt, wenn dieser keinen Einfluss auf die Rechtsbeziehungen zwischen den Prostituierten und ihren Kunden hat, bzw. die konkreten vertraglichen Vereinbarungen nicht beeinflussen kann und den Inhalt der Vereinbarungen nicht einmal zur Kenntnis erhält". Diese Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, da sie durch die Rechtsprechung des BFH grundsätzlich geklärt ist.
c) Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) sowie des BFH liegt eine steuerfreie Grundstücksvermietung nach § 4 Nr. 12 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) vor, wenn dem Vertragspartner auf bestimmte Zeit gegen eine Vergütung das Recht eingeräumt wird, ein Grundstück so in Besitz zu nehmen, als wäre es dessen Eigentümer (EuGH-Urteil Varenne vom 22. Januar 2015 C-55/14, EU:2015:29, Rz 21; BFH-Urteil vom 24. September 2015 V R 30/14, BFH/NV 2016, 153 zu einer Vermietung in einem Stundenhotel m.w.N.). Die entgeltliche Überlassung von Räumen ist aber dann keine Vermietungsleistung mehr, wenn die Überlassung der Zimmer wegen darüber hinausgehender weiterer Leistungen ein anderes Gepräge erhält. Dies ist der Fall, wenn nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse die Vermietung eines Grundstücks oder von Grundstücksteilen durch andere wesentliche Leistungen überlagert wird und die Zimmervermietung nur vorgeschoben ist (BFH-Urteil vom 17. Dezember 2014 XI R 16/11, BFHE 248, 436, BStBl II 2015, 427 zur Vermietung in einem Bordell). Denn maßgebend bei einem Leistungsaustausch ist der objektive Inhalt des Vorgangs und nicht die Bezeichnung, die die Parteien ihm geben (EuGH-Urteile Mac Donalds Resorts vom 16. Dezember 2010 C-270/09, EU:C:2010:780, Rz 46, und Varenne, EU:2015:29, Rz 21 zur Vermietung eines Fußballstadions mit weiteren Leistungen). So kann trotz Bezeichnung der Beteiligten als Vermietungsverhältnis nach dem objektiven Inhalt eine sonstige Leistung des Bordellinhabers anzunehmen sein, wenn dieser nach den nach außen erkennbaren Gesamtumständen aufgrund von Organisationsleistungen selbst derjenige ist, der durch die Anwerbung von Prostituierten und Unterbringung das Bordell betreibt. Hierbei ist es unerheblich, ob die Prostituierten weisungsgebunden als Arbeitnehmerinnen oder als Subunternehmerinnen anzusehen sind (BFH-Urteile vom 19. Februar 2014 XI R 1/12, BFH/NV 2014, 1398; in BFHE 248, 436, BStBl II 2015, 427; BFH-Beschlüsse vom 21. Januar 2015 XI B 88/14, BFH/NV 2015, 864; vom 25. November 2009 V B 31/09, BFH/NV 2010, 959; vom 31. März 2006 V B 181/05, BFH/NV 2006, 2138; vom 29. Januar 2008 V B 201/06, BFH/NV 2008, 827; Beschluss des Bundesgerichtshofes --BGH-- vom 6. Oktober 1989 3 StR 80/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 1990, 582). Von diesen Grundsätzen ist auch das FG im Rahmen einer tatsächlichen Würdigung ausgegangen.
d) Weiteren Klärungsbedarf hat die Klägerin nicht dargetan, wenn sie ausführt, dass von der bisherigen Rechtsprechung die Regelungen des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten vom 20. Dezember 2001 --ProstG-- (BGBl I 2001, 3983) nicht berücksichtigt worden sei. Hieraus ergibt sich keine weitere klärungsbedürftige Rechtsfrage. Während in der älteren Rechtsprechung die Steuerbarkeit der Umsätze trotz der vormals angenommenen Sittenwidrigkeit unter Berufung auf die Regelung des § 40 der Abgabenordnung angenommen wurde (BGH-Urteil vom 2. November 1995 5 StR 414/95, HFR 1996, 363; BFH-Urteil vom 23. Februar 2000 X R 142/95, BFHE 191, 498, BStBl II 2000, 610), führt die Regelung des § 1 ProstG, wonach die Vereinbarung bei einem Rechtsgeschäft über sexuelle Handlungen nach neuerer Rechtslage rechtswirksam ist, nicht zu einem anderen Ergebnis. Zur vorliegend streitigen Frage, ob die streitbefangenen Umsätze dem Bordellbetreiber oder den Prostituierten zuzurechnen sind, enthält das ProstG keinerlei Regelungen.
e) Geklärt ist auch, dass eine Zimmervermietung in einem Bordell nicht mit der Raumvermietung in einem Einkaufszentrum gleichgestellt werden kann, in dem die Umsätze der einzelnen Geschäfte nicht dem Eigentümer zugerechnet werden können. Denn die Vermietung an Geschäfte verschiedener Branchen in einem Einkaufszentrum erfolgt ausschließlich langfristig und nicht --wie im Streitfall bei einer Kündigungsfrist von drei Tagen-- kurzfristig (so schon BFH-Beschluss vom 26. April 2002 V B 168/01, BFH/NV 2002, 1345). Zudem erbringt der Vermieter von Geschäftslokalen innerhalb eines Einkaufszentrums keinerlei weitere wesentliche Organisationsleistungen, die ihn nach der Verkehrsauffassung als Erbringer der Umsätze der völlig unabhängig geführten Einzelhandelsgeschäfte erscheinen lassen, während in einem Bordell gleichartige Leistungen (im Streitfall in 18 Zimmern) erbracht werden. Es stellt auch keinen verfassungswidrigen Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 des Grundgesetzes) dar, wenn demjenigen, dem als Bordellbetreiber wegen seiner Organisationsleistung Umsätze zuzurechnen sind, diese auch zu versteuern hat.
f) Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass nach der Rechtsauffassung der Klägerin die Umsatzzurechnung zum Bordellbetreiber bei Annahme einer Subunternehmerstellung der Prostituierten zu einer Doppelbesteuerung führe. Abgesehen davon, dass eine Doppelbesteuerung nach den Feststellungen des Bundesrechnungshofes (Bericht vom 24. Januar 2014 VIII-2010-0500, S. 16 f.) in aller Regel wegen des fehlenden Erklärungsverhaltens der Prostituierten und ihres häufigen Wohnortwechsels rein faktisch nicht erfolgt, ist bereits entschieden, dass dem Bordellinhaber im Falle der Beschäftigung von Subunternehmern der Vorsteuerabzug aus Leistungen der Damen zusteht, sofern Rechnungen vorliegen und diese die hierzu erforderlichen Voraussetzungen des § 15 UStG erfüllen (BGH-Urteil in HFR 1996, 363).
2. Die Revision ist auch nicht wegen Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zum Urteil des FG Hamburg (vom 20. Februar 2013 2 K 169/11) zuzulassen. Eine Divergenz liegt nur vor, wenn die Klägerin darlegt, dass in der Rechtsprechung eines Gerichts abweichende Rechtsgrundsätze bei vergleichbaren Sachverhalten erkennen lassen, dass eine Nichtübereinstimmung im Grundsätzlichen besteht (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2011 X B 50/11, BFH/NV 2012, 440). Dies ist nicht der Fall, wenn ein Gericht von den Rechtsgrundsätzen der BFH-Rechtsprechung ausgeht und lediglich eine unzutreffende Anwendung der Grundsätze auf den Einzelfall gerügt wird. Es wird dann lediglich ein materiell-rechtlicher nicht zur Revisionszulassung führender Fehler gerügt.
3. Schließlich liegt auch kein zur Revisionszulassung führender Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) vor, weil das FG die als Zeugin benannte und im Termin anwesende Frau Y vom Bundesverband sexueller Dienstleistungen, den Zeugen F sowie "die im Hause tätigen Damen" nicht vernommen worden seien.
a) Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde als Verfahrensfehler die Nichterhebung eines angebotenen Zeugenbeweises gerügt, so genügt es nicht, wenn der Beschwerdeführer lediglich darlegt, dass das FG einem angebotenen Zeugenbeweis nicht nachgekommen ist. Vielmehr gehört zur ordnungsgemäßen "Darlegung" eines Verfahrensfehlers i.S. des § 116 Abs. 3 FGO auch der Vortrag, dass nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des FG die Tatsache, hinsichtlich der das FG keinen Zeugenbeweis erhoben hat, entscheidungserheblich ist und das FG bei seinem Urteil von einem anderen --den Beweisanträgen nicht entsprechenden-- Sachverhalt ausgegangen ist (BFH-Urteil vom 7. Juli 1976 I R 218/74, BFHE 119, 274, BStBl II 1976, 621; BFH-Beschluss vom 15. Februar 2000 X B 122/99, BFH/NV 2000, 1082). Denn ein Urteil kann nicht auf der fehlerhaften Gewinnung der tatsächlichen Grundlagen einer Entscheidung beruhen, wenn es auf die nach Auffassung des Beschwerdeführers fehlerhaft gewonnene Feststellung nach der Rechtsauffassung des FG rechtlich nicht ankommt oder das FG dem Vortrag des Klägers gefolgt ist (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 81 Rz 3).
b) Im Streitfall fehlt es an konkreten Darlegungen, welche nach der Rechtsauffassung des FG entscheidungserhebliche Aussage Frau Y vom Bundesverband sexueller Dienstleistungen sowie Herr F gemacht hätten, die zu einem anderen Ergebnis hätten führen können. Dass sich die Klägerin exakt "an die Vorgaben des Prostitutionsgesetzes" hält und zur "ungerechten Besteuerungspraxis" hätte äußern können, ist für die Entscheidung unerheblich. Nicht ausreichend ist auch der Hinweis der Klägerin, dass der Zeuge F "zu allen Indizien aufklärend im Sinne des Begehrens der Klägerin" hätte vortragen können und die im Hause tätigen Prostituierten sich zur Organisationsstruktur hätten äußern können, zumal das FG das Fehlen von Preisvorgaben durch die Klägerin als wahr unterstellt hat, indem es dieser Frage im Rahmen einer Gesamtwürdigung keine Bedeutung zugemessen hat (BFH-Beschluss vom 26. März 2015 X B 92/14, BFH/NV 2015, 955; zu Preisvorgaben im Bordellgewerbe vgl. im Übrigen Landgericht Augsburg, Urteil vom 19. November 2009 10 KLs 103 Js 1011064/09, juris mit Preisangaben; FG München, Urteil vom 25. Oktober 2007 14 K 4564/04; Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 11. September 2014 S 5 R 120/14 ER, juris zu den im Bordell zu beachtenden "goldenen Regeln").
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.