Entscheidungsdatum: 14.12.2011
1. NV: Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten, neben der Versendung der Nichtzulassungsbeschwerde sei im Fristenkontrollbuch die erforderliche Nachreichung der Begründung nebst eines noch zu notierenden Wiedervorlagetermins vermerkt worden, rechtfertigt --unabhängig von der Beachtung des Vermerks-- nicht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand .
2. NV: Bei der alleinigen Eintragung eines Wiedervorlagetermins ist eine ausreichende Fristenkontrolle nicht gegeben, da nicht ersichtlich ist, wann die Beschwerdebegründungsfrist abläuft und ob die Beschwerdebegründung rechtzeitig abgesandt wurde. Der Fristablauf selbst ist in das Fristenkontrollbuch einzutragen .
Die Beschwerde ist unzulässig. Die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) haben die Beschwerde zwar fristgerecht erhoben, aber nicht innerhalb der Begründungsfrist (§ 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) begründet. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO kann nicht gewährt werden.
1. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils des Finanzgerichts (FG) zu begründen. Diese Voraussetzung haben die Kläger nicht erfüllt.
a) Das Urteil des FG wurde den Klägern nach dem von der Prozessbevollmächtigten unterzeichneten Empfangsbekenntnis am 21. März 2011 zugestellt. Die zweimonatige Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde lief mit Ablauf des 23. Mai 2011 --einem Montag-- ab (§ 54 FGO, § 222 Abs. 1 und 2 der Zivilprozessordnung --ZPO--, §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs).
b) Die Kläger haben mit Schriftsatz vom 22. Juni 2011 (beim Bundesfinanzhof --BFH-- eingegangen am selben Tag) die Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nachgereicht. Diese war verspätet, da eine Verlängerung der Begründungsfrist nicht beantragt war (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO).
2. Die mit selbigem Schriftsatz beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden. Die Voraussetzungen sind nicht glaubhaft gemacht worden.
a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 56 Abs. 1 FGO kann auf Antrag gewährt werden, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Hiernach schließt jedes Verschulden --also auch einfache Fahrlässigkeit-- die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Die Kläger müssen sich ein Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO).
Wenn --wie im Streitfall-- Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt wird, muss substantiiert und schlüssig vorgetragen werden, dass kein Organisationsfehler vorliegt, d.h. dass der Prozessbevollmächtigte alle Vorkehrungen getroffen hat, die nach vernünftigem Ermessen die Nichtbeachtung von Fristen auszuschließen geeignet sind, und dass er durch regelmäßige Belehrung und Überwachung seiner Bürokräfte für die Einhaltung seiner Anordnungen Sorge getragen hat (BFH-Beschlüsse vom 7. Februar 2002 VII B 150/01, BFH/NV 2002, 795; vom 24. Juni 2002 IX R 38/01, BFH/NV 2002, 1467, und vom 14. Mai 2007 VIII B 47/07, BFH/NV 2007, 1684). Der Prozessbevollmächtigte, der zur Rechtfertigung seines Wiedereinsetzungsantrags vorbringt, er habe die Notierung und Kontrolle der maßgeblichen Frist für die Einlegung bzw. Begründung eines Rechtsmittels einer zuverlässigen und erfahrenen Bürokraft überlassen, muss hiernach vortragen, durch welche Maßnahmen er gewährleistet hat, dass in seinem Büro die Fristen entsprechend seinen Anordnungen notiert und kontrolliert werden (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 795; in BFH/NV 2007, 1684, und vom 8. Februar 2008 X B 95/07, BFH/NV 2008, 969, m.w.N.). Dazu gehört auch der Vortrag, wann und wie er seine Bürokräfte entsprechend belehrt und wie er die Einhaltung dieser Belehrungen überwacht hat (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2002, 795; in BFH/NV 2007, 1684, und in BFH/NV 2008, 969). Unerlässliche Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Büroorganisation ist dabei ein Fristenkontrollbuch oder eine vergleichbare Einrichtung, in der der Ablauf sämtlicher Fristen vermerkt und eine Frist erst nach Vornahme der zu ihrer Einhaltung erforderlichen Handlung gestrichen wird (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Februar 1992 III R 57/91, BFH/NV 1992, 615; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 56 Rz 20, Stichwort "Fristenkontrolle", m.w.N.).
Es genügt nicht, wenn ein Prozessbevollmächtigter lediglich Wiedervorlagefristen für die Bearbeitung einer Sache in einen dafür bestimmten Fristenkalender einträgt. Bei einer solchen Verfahrensweise ist eine korrekte Kontrolle, wann die Frist abläuft und ob die Beschwerdebegründungsschrift rechtzeitig abgesandt wurde, nämlich nicht möglich (BFH-Entscheidungen vom 11. November 1972 VIII R 8/67, BFHE 107, 486, BStBl II 1973, 169; in BFH/NV 1992, 615, und vom 31. Juli 2002 VI B 17/02, BFH/NV 2002, 1490; Gräber/Stapperfend, a.a.O., § 56 Rz 20, Stichwort "Fristenkontrolle").
b) Diesen Maßstäben genügt der Vortrag der Prozessbevollmächtigten der Kläger nicht.
aa) Nach ihrem eigenen Vortrag wurde die Versendung der Nichtzulassungsbeschwerde im Fristenkontrollbuch eingetragen, wobei neben dem Kürzel Nichtzulassungsbeschwerde, dem Datum und dem Namenszeichen lediglich vermerkt wurde, dass die Begründung nachzureichen sei, und als Wiedervorlage der 15. Mai 2011 notiert werden sollte. Bei Austrag aus dem Fristenkontrollbuch sei der Vermerk betreffend die Wiedervorlage unbeachtet geblieben. Daraus ist zu schließen, dass lediglich eine Wiedervorlagefrist eingetragen werden sollte, nicht dagegen der Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist selbst. Auf diese Weise wäre --selbst bei Beachtung des Vermerks, die Wiedervorlagefrist zu notieren-- aus dem Fristenkontrollsystem nicht ersichtlich gewesen, wann die Begründungsfrist ablief und ob die Beschwerdebegründung rechtzeitig abgesandt wurde. Wie oben dargestellt, ist dies organisatorisch unzureichend.
bb) Ferner fehlt jeglicher Vortrag zur Belehrung und Überprüfung des Personals bei der Einhaltung der Fristen. Die Prozessbevollmächtigte hat zu diesem Punkt lediglich ausgeführt, die für die Fristenkontrolle zuständige Mitarbeiterin, Frau X, sei seit 1992 in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten angestellt und führe seit vielen Jahren das Fristenkontrollbuch ohne Beanstandungen. Aus dem Vortrag ergibt sich nicht, auf welche Weise und in welchen Zeitabständen die Belehrung und insbesondere die Überprüfung im Einzelnen durchgeführt werden. Vor diesem Hintergrund ist ein Organisationsverschulden als Ursache der Fristversäumnis nicht auszuschließen.
c) Zudem sind die behaupteten Tatsachen nicht glaubhaft gemacht. Es fehlen präsente Beweismittel i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 294 Abs. 2 ZPO, etwa eine Ablichtung der entsprechenden Seite des Fristenkontrollbuchs oder eine eidesstattliche Versicherung der Mitarbeiterin Frau X zur Richtigkeit der Sachverhaltsschilderung (Senatsbeschluss in BFH/NV 2008, 969).