Entscheidungsdatum: 03.04.2012
1. NV: Die Voraussetzungen einer Haushaltsaufnahme im Sinne von § 63 Abs. 1 Nr. 3 EStG sind durch die höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt. Die Umsetzung dieser Grundsätze im Einzelfall beruht auf einer tatsächlichen Würdigung des Finanzgerichts und entzieht sich daher einer generellen und abstrakten Bestimmung durch den Bundesfinanzhof .
2. NV: Eine mehr als dreimonatige Aufenthaltsdauer in einem Haushalt begründet dann keine Haushaltsaufnahme, wenn die Rückkehr in den anderen Haushalt von vornherein feststeht .
Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 116 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Nach § 115 Abs. 2 FGO ist die Revision u.a. zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert (Nr. 2). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig ist (vgl. BFH-Beschluss vom 22. Juli 2011 V B 88/10, BFH/NV 2011, 1919). Ist über die Rechtsfrage bereits entschieden worden, so ist zusätzlich darzulegen, weshalb eine erneute Entscheidung des BFH für erforderlich gehalten wird. An der Klärungsbedürftigkeit fehlt es auch, wenn die Rechtsfrage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das Finanzgericht (FG) getan hat, die Rechtslage also eindeutig ist und nicht (erst) in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2011, 1919; vom 6. Mai 2004 V B 101/03, BFHE 205, 416, BStBl II 2004, 748).
a) Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage, "welcher Zeitraum bei einer Unterbringung zur Schulausbildung in Deutschland ausreichend ist, wenn die Schulpflichtige ihren gewöhnlichen Aufenthalt bei ihren Eltern im Ausland hat und nunmehr in den Haushalt der Großeltern in Deutschland aufgenommen wird", ist weder klärungsbedürftig noch wäre sie in einem Revisionsverfahren klärbar. Denn die Grundsätze, unter denen eine Haushaltsaufnahme i.S. von § 63 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung (EStG) zu bejahen ist, sind von der ständigen Rechtsprechung bereits hinreichend geklärt. Danach liegt eine Haushaltsaufnahme vor, wenn das Kind nicht nur vorübergehend in die Familiengemeinschaft mit einem dort begründeten Betreuungs- und Erziehungsverhältnis aufgenommen worden ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom 24. Oktober 2006 III S 3/06 (PKH), BFH/NV 2007, 238; vom 14. Januar 2011 III B 96/09, BFH/NV 2011, 788). Neben dem örtlich gebundenen Zusammenleben müssen Voraussetzungen materieller Art (Versorgung, Unterhaltsgewährung) und immaterieller Art (Fürsorge, Betreuung) erfüllt sein (BFH-Urteil vom 20. Juni 2001 VI R 224/98, BFHE 195, 564, BStBl II 2001, 713). Diese drei Merkmale können zwar je nach Einzelfall unterschiedlich ausgeprägt sein (BFH-Beschluss vom 18. Februar 2008 III B 69/07, BFH/NV 2008, 948), müssen aber alle vorliegen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2011, 788). Dabei bezieht sich das örtliche Merkmal der Haushaltsaufnahme auf die gemeinsame Familienwohnung als ortsbezogener Mittelpunkt der gemeinschaftlichen Lebensinteressen (BFH-Beschlüsse vom 16. April 2008 III B 36/07, BFH/NV 2008, 1326; in BFH/NV 2011, 788).
Von diesen Grundsätzen ist das FG in seiner Entscheidung ausgegangen und hat die Voraussetzungen einer Haushaltsaufnahme im Rahmen einer tatsächlichen Würdigung des Einzelfalls abgelehnt. An diese nicht mit substantiierten Verfahrensrügen angegriffene Tatsachenwürdigung ist der BFH nach § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich gebunden. Die Umsetzung der höchstrichterlichen Grundsätze im Einzelfall --insbesondere durch Festlegung einer zeitlichen Grenze im Sinne einer "Mindestaufnahmedauer"-- entzieht sich daher einer generellen und abstrakten Bestimmung, die Aufgabe des Revisionsgerichts sein könnte.
b) Nicht klärungsbedürftig sind auch die weiteren Rechtsfragen, "ob ein nach Deutschland zurückkehrendes schulpflichtiges Kind einen Aufenthalt in Deutschland begründen kann" und "ob die Aufnahme in eine Schule für 'lediglich' ein Schulhalbjahr dem Charakter des Urlaubs-/Besuchsaufenthalts widerspricht".
aa) Die Frage nach dem Aufenthalt im Sinne eines Wohnsitzes nach § 8 der Abgabenordnung (AO) oder eines gewöhnlichen Aufenthalts nach § 9 AO eines schulpflichtigen Kindes in Deutschland ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da sie sich nach § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG lediglich bei solchen Kindern stellt, die im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben. Für die Annahme einer Haushaltsaufnahme nach § 63 Abs. 1 Nr. 3 EStG kommt es nicht darauf an, sondern auf das Vorliegen der zuvor unter 2. a) dargelegten materiellen, immateriellen und örtlichen Elemente (vgl. auch BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1326).
bb) Die zweite Frage nach dem Charakter eines Urlaubs- oder Besuchsaufenthalts bei der Aufnahme in eine Schule für ein Schulhalbjahr bedarf keiner Klärung in einem Revisionsverfahren, da die Rechtslage eindeutig und die Frage offensichtlich so zu beantworten ist, wie es das FG getan hat.
Nach der Rechtsprechung des BFH besteht das für eine "Haushaltsaufnahme" erforderliche Obhutsverhältnis dann nicht, wenn das Kind nur für einen von vornherein begrenzten kurzfristigen Zeitraum aufgenommen wurde, etwa zu Besuchszwecken oder in den Ferien (BFH-Urteil in BFHE 195, 564, BStBl II 2001, 713). Von einer Haushaltsaufnahme kann zwar in der Regel ausgegangen werden, wenn das Kind seit mehr als drei Monaten in einem Haushalt lebt und eine Rückkehr in den Haushalt des sorgeberechtigten Elternteils nicht von vornherein feststeht (BFH-Urteil vom 25. Juni 2009 III R 2/07, BFHE 225, 438, BStBl II 2009, 968). Eine mehr als dreimonatige Aufenthaltsdauer in einem Haushalt begründet demnach dann keine Haushaltsaufnahme, wenn --wie im Streitfall-- eine Rückkehr in den anderen Haushalt von vornherein feststeht (vgl. BFH-Beschluss vom 7. Dezember 2010 III B 33/10, BFH/NV 2011, 433).
3. Soweit der Hinweis des Klägers auf den Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 23. August 2006 8 V 31/06 ("Entscheidungen der Finanzgerichte" --EFG-- 2007, 204) und das Urteil des FG Nürnberg vom 23. Januar 2009 7 K 1714/2007 (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst --DStRE-- 2010, 535) als Rüge einer Divergenz i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO zu verstehen sein sollte, ist eine Divergenz weder hinreichend dargelegt worden noch liegt die gerügte Abweichung tatsächlich vor.
a) Zur Darlegung einer Divergenz muss der Beschwerdeführer tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen FG-Urteil einerseits und aus der behaupteten Divergenzentscheidung andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (BFH-Beschlüsse vom 29. Mai 2006 V B 159/05, BFH/NV 2006, 1892; vom 22. März 2007 V B 136/05, BFH/NV 2007, 1719). Dabei ist insbesondere auch auszuführen, dass es sich im Streitfall um einen vergleichbaren Sachverhalt und um eine identische Rechtsfrage handele (BFH-Beschlüsse vom 17. Januar 2006 VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799; vom 1. Dezember 2006 VIII B 2/06, BFH/NV 2007, 450). Die bloße Behauptung des Klägers, die Entscheidung des FG stehe im Gegensatz zu den Entscheidungen des FG Baden-Württemberg und des FG Nürnberg, reicht daher zur Darlegung der Divergenz nicht aus.
b) Darüber hinaus liegt eine Abweichung des FG zu den bezeichneten FG-Entscheidungen auch nicht vor, da der Beschluss des FG Baden-Württemberg in EFG 2007, 204 und das Urteil des FG Nürnberg in DStRE 2010, 535 einen anderen Sachverhalt und eine andere Rechtsfrage betreffen. In beiden Entscheidungen ging es nicht um eine Haushaltsaufnahme nach § 63 Abs. 1 Nr. 2 und 3 EStG, sondern um die Anwendbarkeit des § 63 Abs. 1 Satz 3 EStG, wonach Kinder, die im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, nicht für Zwecke des Kindergeldes berücksichtigt werden können.