Entscheidungsdatum: 26.11.2012
Im Bereich des Anwaltsnotariats (§ 3 Abs. 2 BNotO) darf die Landesjustizverwaltung bei ihrer Entscheidung um die Besetzung einer Notarstelle im Falle der Konkurrenz eines bereits amtierenden (Anwalts-)Notars mit Rechtsanwälten, die noch nicht Notare sind, im Hinblick auf die zum 1. Mai 2011 wirksam werdende Änderung des § 6 BNotO das Vertrauen der anwaltlichen Bewerber in die Erheblichkeit der nach Maßgabe der bisherigen Rechtslage erworbenen Qualifikationen als schutzwürdig betrachten.
Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil des 1. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 9. Dezember 2011 zuzulassen, wird abgelehnt.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet. Entgegen der Auffassung des Klägers bestehen im Ergebnis weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Oberlandesgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) noch stellen sich entscheidungserhebliche Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO).
1. Dem Beklagten und dem Oberlandesgericht ist darin beizupflichten, dass es sich bei der Bewerbung des Klägers auf die ausgeschriebene Stelle der Sache nach um einen Antrag auf Amtssitzverlegung handelt, der an § 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO zu messen ist.
Die Auswahl nach § 6 Abs. 3 BNotO vollzieht sich, wie sich aus § 6 Abs. 1 BNotO ergibt, unter den Bewerbern, die erst das "Amt des Notars" anstreben. Ein solches Amt hat der Kläger bereits inne. Das Notaramt ist auch nicht identisch mit dem Amtssitz. Dies folgt insbesondere aus § 10 Abs. 1 Satz 1 BNotO, wonach dem Inhaber eines Notaramts ein bestimmter Ort als Amtssitz zugewiesen wird. Das Gesetz unterscheidet somit zwischen dem Amt des Notars und dessen Amtssitz. Diese Differenzierung zwischen dem Amt als solchem und dem Amtssitz liegt auch der Rechtsprechung des Senats zur Konkurrenz zwischen Notaren und Notaranwärtern um eine Stelle zugrunde. Danach hängt die Entscheidung der Landesjustizverwaltung über die Bewerbung des bereits amtierenden Notars nicht nur von einer Auswahl nach § 6 Abs. 3 BNotO, sondern auch - und vorrangig - davon ab, ob sein Wechsel nach dem Maßstab des § 10 Abs. 1 Satz 3 BNotO mit den Belangen einer geordneten Rechtspflege in Einklang steht. Bei der Beurteilung dieser Frage ist der Justizverwaltung ein weiterer Ermessenspielraum eingeräumt, als derjenige bei einer reinen Auswahlentscheidung nach § 6 Abs. 3 BNotO. Dies beruht darauf, dass der bereits amtierende Notar nicht in seiner Berufswahlfreiheit im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern durch das mögliche weitere Festhalten an seinem bisherigen Amtssitz lediglich in der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG) betroffen ist, die aufgrund der staatlichen Bindungen des Notaramts von vorneherein besonderen Beschränkungen unterliegt (z.B. Senat, Beschlüsse vom 18. Juli 2011 - NotZ(Brfg) 1/11, NJW-RR 2012, 53 Rn. 13 und vom 11. August 2009 - NotZ 4/09, DNotZ 2010, 467 Rn. 8 jew. mwN). Dies entspricht der Grundrechtssituation des Klägers. Er ist bereits Inhaber eines Notaramts. Ihm wird lediglich nicht der begehrte neue Amtssitz zugewiesen. Er wird damit durch die Besetzungsentscheidung des Beklagten nicht in seiner Berufswahl-, sondern lediglich in seiner Berufsausübungsfreiheit betroffen.
Dass sich der Kläger formal nicht als Notar, sondern lediglich als Rechtsanwalt auf die ausgeschriebene Stelle beworben hat, ist unbeachtlich. Die Ausgestaltung der Bewerbung ändert nichts daran, dass er bereits das Amt eines Notars ausübt und dementsprechend seine Berufswahlfreiheit nicht berührt wird.
2. Allerdings sind nicht sämtliche Erwägungen fehlerfrei, die der Beklagte bei seiner Würdigung angestellt hat, ob eine Amtssitzverlegung des Klägers mit den Belangen einer geordneten Rechtspflege vereinbar ist.
Entgegen der Ansicht des Beklagten ist es für das von ihm in den Blick genommene Verhältnis der im Amtsgerichtsbezirk I. anfallenden Urkundszahlen zur Anzahl der vorhandenen Notarstellen gleichgültig, ob die ausgeschriebene Stelle mit dem Kläger oder einem anderen Bewerber besetzt wird. Richtig ist zwar, dass nach Buchstabe A Nr. I 1 lit. b) des Runderlasses des Beklagten vom 26. Oktober 2009 (HessJMBl. S. 563) unabhängig von der Anzahl der Urkundsgeschäfte erneut eine Notarstelle für H. auszuschreiben wäre, wenn der Kläger auf der im vorliegenden Verfahren streitigen Stelle zum Zuge käme. Hierdurch würde sich jedoch im Vergleich zur Situation, dass ein noch nicht zum Notar bestellter Mitbewerber die umstrittene Stelle übertragen bekäme, weder etwas an der Anzahl der besetzten Notarstellen noch etwas an deren örtlicher Verteilung innerhalb des Amtsgerichtsbezirk I. ändern. Es entstünde entgegen der Auffassung des Beklagten nicht eine weitere Stelle.
3. Gleichwohl ist die Klage im Ergebnis unbegründet. Die Auswahlentscheidung des Beklagten wird unter Berücksichtigung der besonderen Situation, dass sich das Zulassungsverfahren ab dem 1. Mai 2011 änderte, bereits von seiner in dem angefochtenen Bescheid vorrangig angestellten Würdigung getragen, anderen Bewerbern müsse der berufliche Einstieg ermöglicht werden.
Der Beklagte hat im Hinblick darauf, dass sich ab dem 1. Mai 2011 die fachliche Eignung der Bewerber um ein Notaramt im Bereich des Anwaltsnotariats in der Regel nur nach den Ergebnissen der notariellen Fachprüfung und des die juristische Ausbildung abschließenden Staatsexamens richtet (§ 6 Abs. 3 Satz 2 BNotO), als tragendes Abwägungskriterium herangezogen, dass die von der Beigeladenen - und anderen konkurrierenden Rechtsanwälten - im Vertrauen auf die bisherige Rechtslage erbrachten fachlichen Leistungen nahezu gegenstandslos würden, wenn der von dem Kläger angestrebten Amtssitzverlegung der Vorzug gegeben würde. Diese Beurteilung ist unter Berücksichtigung des Senatsbeschlusses vom 11. August 2009 (NotZ 4/09, DNotZ 2010, 467; siehe auch Senatsbeschluss vom 18. Juli 2011 - NotZ(Brfg) 1/11, NJW-RR 2012, 53) nicht zu beanstanden. Zwar sind die dort ausgeführten Erwägungen nicht uneingeschränkt auf die vorliegende Fallgestaltung zu übertragen, da sich die Entscheidung auf die Konkurrenz zwischen Notarassessoren und bereits amtierenden Notaren im Bereich des hauptberuflichen Notariats (§ 3 Abs. 1 BNotO) bezieht. Eine den Regelvorrang für Notarassessoren rechtfertigende ausgeprägte Fürsorgepflicht der Landesjustizverwaltung besteht gegenüber Bewerbern aus der Rechtsanwaltschaft im Bereich des Anwaltsnotariats (§ 3 Abs. 2 BNotO) im Allgemeinen nicht. Die zugunsten der Notarassessoren streitenden Vertrauensgesichtspunkte können im Ausnahmefall jedoch auch im Bereich des Anwaltsnotariats für sich erstmals um ein Notaramt bewerbende Rechtsanwälte eingreifen. Der Beklagte durfte in der vorliegenden besonderen Situation, die sich daraus ergibt, dass der Gesetzgeber die Kriterien zur Bemessung der fachlichen Eignung änderte, das Vertrauen der Bewerber in die Erheblichkeit der nach Maßgabe der bisherigen Rechtslage erworbenen Qualifikationen als schutzwürdig betrachten.
4. Die übrigen vom Kläger vorgetragenen Gründe zur Rechtfertigung seines Zulassungsantrags hat der Senat ebenfalls geprüft, jedoch nicht für durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird abgesehen (vgl. § 124 Abs. 5 Satz 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO).
Galke Herrmann Wöstmann
Strzyz Frank