Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 21.07.2014


BGH 21.07.2014 - NotZ (Brfg) 23/13

Verwaltungsrechtliche Notarsache: Persönliche Eignung des Bewerbers auf eine Notarstelle bei Nichtangabe von Nebentätigkeiten


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Senat für Notarsachen
Entscheidungsdatum:
21.07.2014
Aktenzeichen:
NotZ (Brfg) 23/13
Dokumenttyp:
Beschluss
Vorinstanz:
vorgehend KG Berlin, 6. November 2013, Az: Not 4/13
Zitierte Gesetze

Tenor

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Senats für Notarsachen des Kammergerichts vom 6. November 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist unbegründet. Ein Zulassungsgrund ist nicht gegeben. Entgegen der Auffassung der Beklagten bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr.1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO). Das Kammergericht hat zu Recht angenommen, dass die persönliche Eignung des Klägers für das Notaramt nicht wegen unterlassener Angaben zu Nebenbeschäftigungen in den - den Anträgen des Klägers auf Bestellung zum Notarvertreter beigefügten -Selbstauskünften vom 4. Januar 2006, 25. Februar 2008, 16. Juni 2011 und 13. Juli 2011 verneint werden kann.

2

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten musste der Kläger seine seit 2006 ausgeübte Vortragstätigkeit für den Immobilienverband Deutschland IVD Berlin-Brandenburg e.V. (nachfolgend: IVD) in seinen Anträgen für die Bestellung zum Notarvertreter nicht angeben. Denn hierbei handelt es sich um eine nicht genehmigungspflichtige Vortragstätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 4 BNotO, die von der Frage nach Nebentätigkeiten in den Formularen über die Bestellung zum Notarvertreter nicht erfasst war.

3

a) In den Formularen über die Bestellung von Notarvertretern wird nach Nebentätigkeiten gefragt und zur Erläuterung auf § 8 BNotO Bezug genommen. Zugleich wird darauf hingewiesen, dass die Nebentätigkeiten auf einem gesonderten Blatt im Einzelnen zu erläutern seien; soweit die Nebentätigkeit bereits genehmigt worden sei, genüge es, sie zu bezeichnen und das Datum der Entscheidung anzugeben. Darin unterscheidet sich das Formular von demjenigen für die Bestellung zum Notar, das zwar ebenfalls auf § 8 BNotO Bezug nimmt, dem aber die Erläuterung beigefügt ist, dass jede Nebentätigkeit anzugeben ist, unabhängig davon, ob sie genehmigungsbedürftig ist. Angesichts der in den Notarvertreterbestellungsfragebögen gestellten Frage ist vom Wortsinn her damit nur nach genehmigungsbedürftigen Nebentätigkeiten gefragt, unabhängig davon, ob sie genehmigungsfähig oder genehmigt sind. Damit durften die Nebentätigkeiten unerwähnt bleiben, die nicht genehmigungsbedürftig sind (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 20/13, ZNotP 2014, 113 Rn. 3).

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b) Das Kammergericht hat zu Recht angenommen, dass die Vortragstätigkeit des Klägers für den IVD als nicht genehmigungsbedürftige Vortragstätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 4 BNotO zu qualifizieren ist. Unstreitig hat sich der Kläger darauf beschränkt, an etwa vier Tagen im Jahr jeweils zwei- bis dreistündige Vorträge zu ausgewählten Rechtsfragen aus dem Bereich des Immobilienrechts zu halten. In einem dauerhaften Beschäftigungsverhältnis stand er insoweit nicht. Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt die Vertragsgestaltung zwischen dem IVD und dem Kläger auch nicht einem dauernden Auftragsverhältnis nahe. Denn die "pauschale Aufwandsentschädigung" von 500 € monatlich erhält der Kläger nicht nur für von ihm gehaltene Vorträge, sondern auch für die juristische Beratung von Mitgliedern des IVD, die pro Woche etwa ein bis zwei Stunden in Anspruch nahm und der anwaltlichen Tätigkeit des Klägers zuzurechnen ist.

5

Aus der Nichtangabe seiner Vortragstätigkeit für den IVD kann deshalb nicht auf eine mangelnde persönliche Eignung des Klägers im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO geschlossen werden.

6

2. Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Kammergericht dem Umstand, dass der Kläger seine Tätigkeit als Dozent für die Europäische Immobilien Akademie e.V. (EIA) in seinen Anträgen für die Bestellung zum Notarvertreter nicht angegeben hat, in der Eignungsbeurteilung nicht ein zu geringes Gewicht beigemessen. Im Ergebnis zutreffend hat es angenommen, dass die unterlassene Angabe dem Kläger vorzuwerfen ist, jedoch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes keine nicht ausräumbaren Zweifel an der persönlichen Eignung des Klägers als Notar gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BNotO begründet. Zwar handelt es sich bei der an sechs Studientagen mit jeweils neun Unterrichtsstunden im Jahr ausgeübten Dozententätigkeit nicht mehr um eine Vortragstätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 4 BNotO, sondern um eine auf systematische Vermittlung eines umfangreicheren Lehrstoffs ausgerichtete Lehr- und Unterrichtstätigkeit und damit um eine genehmigungspflichtige Nebentätigkeit im Sinne des § 8 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BNotO. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Tätigkeit aber genehmigungsfähig. Sie kann insbesondere das Vertrauen in die Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit des Notars nicht gefährden. Denn die Lehrveranstaltungen werden im Namen einer in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins betriebenen Bildungseinrichtung abgehalten, die die für die Tätigkeit als Immobilienmakler, Immobilienverwalter und andere Tätigkeitsfelder der Immobilienwirtschaft notwendigen Fachkenntnisse vermitteln möchte und deren Ausbildungsangebote allen auf diesem Gebiet tätigen bzw. daran interessierten Personen offenstehen. Ausweislich ihres Internetauftritts spricht die EIA alle diejenigen an, die in eine bestimmte Sparte der Immobilienwirtschaft, wie z.B. als Immobilienmakler, einsteigen und sich die notwendigen Fachkenntnisse aneignen wollen oder in einem bestimmten Berufsfeld der Immobilienwirtschaft arbeiten und ihr Wissen vertiefen wollen. Auch wenn sie durch den Immobilienverband Deutschland (IVD) gegründet worden ist, erzeugt der Kläger durch seine in ihrem Namen erbrachte Dozententätigkeit allein nicht den Anschein der Abhängigkeit oder Parteilichkeit.

7

Bei dieser Sachlage und unter Berücksichtigung des Umstands, dass sich das Fehlverhalten des Klägers nicht im Rahmen des Bestellungsverfahrens zum Notar ereignet hat, sondern in vorangegangenen Verfahren zur Bestellung als Notarvertreter (vgl. Senatsbeschluss vom 17. März 2014 - NotZ(Brfg) 20/13, aaO Rn. 8), begegnet die vom Kammergericht vorgenommene Gewichtung der für die persönliche Eignung des Klägers maßgeblichen Umstände keinen durchgreifenden Bedenken. Zwar ist ein Fehlverhalten im Rahmen des Verfahrens zur Bestellung als Notarvertreter grundsätzlich bei der Prüfung der persönlichen Eignung miteinzubeziehen. Die Anforderungen dürfen jedoch wegen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht überspannt werden. Sie sind nicht Selbstzweck, sondern müssen stets in Beziehung zu den Bedürfnissen einer leistungsfähigen vorsorgenden Rechtspflege gesetzt werden. Gefordert ist eine Gesamtbewertung aller - gemessen an den persönlichen Anforderungen an einen Notar - aussagekräftigen Umstände, die in der Persönlichkeit und in dem früheren Verhalten des Bewerbers zutage getreten sind (vgl. Senatsurteil vom 23. Juli 2012 - NotZ(Brfg) 12/11, BGHZ 194, 165 Rn. 14). Das Kammergericht hat zu Recht angenommen, dass sich der Kläger mit seinen Angaben im Bewerbungsverfahren gerade keine unberechtigten Vorteile sichern wollte, sondern hier seiner Wahrheitspflicht genügt hat. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger seine an neun Tagen im Jahr 2005 erbrachte Dozententätigkeit für den Veranstalter von Fachanwaltslehrgängen "Juristische Fachseminare" zunächst nicht mitgeteilt hatte. Denn dieser Tätigkeit, die der Kläger ohne weitere Veranlassung von sich aus im laufenden Bewerbungsverfahren nachgemeldet hat, kam aufgrund des zwischenzeitlich eingetretenen Zeitablaufs für das Bewerbungsverfahren offensichtlich keine Bedeutung mehr zu. Sie lag im Zeitpunkt der Bewerbung bereits sechs Jahre zurück. Aus diesem Grund hatte die Beklagte sie im Bewerbungsverfahren auch für irrelevant gehalten (Vermerk vom 18. April 2012). Der Kläger hatte sie bereits beendet, als er erstmals zum Notarvertreter bestellt wurde. Abgesehen davon war sie mit dem öffentlichen Amt des Notars ersichtlich vereinbar und konnte das Vertrauen in seine Unabhängigkeit oder Unparteilichkeit nicht gefährden.

8

Durch die Angabe seiner Dozententätigkeit für die EIA in der Bewerbung um die Bestellung zum Notar hat der Kläger sein Fehlverhalten als Bewerber zum Notarvertreter offengelegt und damit vor Ablauf der Bewerbungsfrist dokumentiert, dass er zwischenzeitlich zu besseren Einsichten hinsichtlich des Umfangs seiner Auskunftspflicht gekommen ist. Das Kammergericht hat es auch - ohne dass Zweifel an der Richtigkeit im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen - als positiv bewertet, wenn ein Bewerber, wie im vorliegenden Fall der Kläger auf konkrete Hinweise zum Umfang und zur Bedeutung der Auskunftspflicht reagiert und sein Fehlverhalten abstellt. Seine auf dieser Grundlage vorgenommene Gesamtbewertung, der Kläger habe seine gegenüber der Beklagten bestehende Auskunftspflicht aus freien Stücken neu bewertet und erfüllt und damit einen hinreichenden Beleg für seine Redlichkeit und Zuverlässigkeit erbracht, ist nicht zu beanstanden.

Galke                              Wöstmann                              von Pentz

              Müller-Eising                           Brose-Preuß