Entscheidungsdatum: 17.03.2014
Zum Auskunftsanspruch eines Dritten gegenüber der Landesjustizverwaltung oder der Notarkammer über den Namen und die Adresse des Berufshaftpflichtversicherers sowie die Versicherungsnummer nach § 19a Abs. 6 BNotO.
Auf die Berufung der Beigeladenen wird das Urteil des Senats für Notarsachen des Kammergerichts vom 17. April 2013 teilweise abgeändert und neu gefasst.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
Streitwert: 5.000 €
Von Rechts wegen
Die Beteiligten streiten um die Berechtigung des Beklagten, den Beigeladenen Auskunft über die Berufshaftpflichtversicherung sowie die Versicherungsnummer des Klägers zu geben.
Mit Schreiben vom 14. Mai 2012 baten die Beigeladenen den Beklagten, ihnen mitzuteilen, bei welcher Haftpflichtversicherung der Kläger versichert ist. Diese Auskunft benötigten sie nach ihren Angaben, um Schadensersatzforderungen gegen den Kläger geltend zu machen, die ihnen entstanden seien, weil dieser sich zum Schutz des Grundstückseigentümers weigere, vollstreckbare Ausfertigungen der Grundschuldbestellungsurkunden zu dessen Urkundennummern 5/2011 und 26/2006 zu erteilen. Hierdurch seien sie gehindert, im laufenden Zwangsversteigerungsverfahren ihre Rechte aus den Grundschulden zu vollstrecken.
Zugunsten des Beigeladenen zu 1 ist unter der laufenden Nummer 12 in Abteilung III des Grundbuchs von M. , Blatt 4 , eine Grundschuld über 200.000 € eingetragen. Eine weitere zur laufenden Nummer 6 in Abteilung III des genannten Grundbuchs eingetragene Grundschuld über 150.000 € ist an den Beigeladenen zu 2 abgetreten worden. Auf Antrag des Beigeladenen zu 1 ordnete das Amtsgericht M. am 2. März 2012 wegen eines zu seinen Gunsten in Abteilung III unter der laufenden Nummer 15 eingetragenen dinglichen Rechts die Zwangsversteigerung des Grundstücks an.
Der Kläger zeigte die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen durch die Beigeladenen ihm gegenüber mit Schreiben vom 3. September 2012 seinem Haftpflichtversicherer an.
Der Beklagte kündigte dem Kläger an, zuletzt mit Schreiben vom 19. Juni 2012, dass er die erbetene Auskunft den Beigeladenen erteilen wolle.
Mit Beschluss vom 22. November 2012 untersagte der Notarsenat des Kammergerichts dem Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung den Beigeladenen bis zum 31. Januar 2013, Auskunft zu erteilen. Ein weiteres vom Kläger angestrengtes Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz, mit dem er die Verlängerung der Frist aus der ersten Anordnung beantragte, erklärten die Parteien übereinstimmend für erledigt, nachdem der Beklagte zugesagt hatte, das Hauptsacheverfahren vor der Erteilung der Auskunft abzuwarten.
Der Kläger ist der Auffassung, dass ein Auskunftsbegehren der Beigeladenen gegenüber dem Beklagten nicht auf § 19a Abs. 6 BNotO gestützt werden könne. Ihn als Träger eines öffentlichen Amtes treffe nicht die in § 2 Abs. 1 Nr. 11 der Verordnung über Informationspflichten für Dienstleistungserbringer (DL-InfV) vom 12. März 2010 (BGBl. I S. 267) einem Rechtsanwalt obliegende allgemeine Auskunftspflicht, die über § 51 Abs. 6 Satz 2 BRAO auch Auskunftsansprüche Dritter gegenüber der Rechtsanwaltskammer begründe. Im Übrigen müsse der Auskunftsersuchende zumindest irgendein Interesse an der verlangten Auskunft darlegen. Das Gesetz solle nicht ermöglichen, über die Berufshaftpflichtversicherung Druck auf den Notar ausüben zu können. Außerdem handelten die Beigeladenen querulatorisch und äußerten sich ihm gegenüber beleidigend.
Der Beklagte hat sich demgegenüber nach § 19a Abs. 6 BNotO für verpflichtet gehalten, die beantragte Auskunft zu erteilen. Dem sind die Beigeladenen beigetreten und haben geltend gemacht, dass der Kläger seine versicherungsrechtlichen Obliegenheiten nicht erfüllt habe, da er den Versicherer nicht über alle erforderlichen Tatsachen unterrichtet habe. Sie verweisen hierzu auf die Versicherungsbedingungen ihres Prozessvertreters. Um zu vermeiden, dass der Versicherer sich auf Obliegenheitsverletzungen seitens des Klägers berufen könne, sei es ihr Ziel, den Versicherer selbst umfänglich zu unterrichten. Ihnen sei insgesamt durch das Fehlverhalten des Klägers ein Schaden in Höhe von 2.080.000 € entstanden, den sie mit mehreren Schreiben beim Notarversicherungsfonds, von denen der Kläger jeweils eine Durchschrift erhalten habe, angezeigt hätten.
Das Kammergericht hat der Klage überwiegend stattgegeben und dem Beklagten untersagt, den Beigeladenen über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Klägers sowie dem Beigeladenen zu 1 darüber hinaus über die Versicherungsnummer Auskunft zu erteilen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Mit der vom Kammergericht zugelassenen Berufung verfolgen die Beigeladenen ihren Klageabweisungsantrag weiter.
Die Berufung der Beigeladenen ist zulässig und hat Erfolg.
I.
Die form- und fristgerechte Berufung der Beigeladenen ist zulässig. Sie werden durch die Verurteilung des Beklagten zur Unterlassung der von ihnen beantragten Auskunft beschwert, da er infolge der Verurteilung gehindert sein würde, die von ihnen begehrte Auskunft zu erteilen.
II.
Die Berufung ist begründet. Im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts steht dem Kläger kein Anspruch auf Unterlassung der Auskunft durch den Beklagten gegenüber den Beigeladenen über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Klägers sowie gegenüber dem Beigeladenen zu 1 darüber hinaus über die Versicherungsnummer zu. Vielmehr haben die Beigeladenen einen entsprechenden Auskunftsanspruch gemäß § 19a Abs. 6 BNotO gegenüber dem Beklagten. Nach dieser Vorschrift hat die Landesjustizverwaltung, der der Notar angehört, Dritten zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen auf Antrag Auskunft über den Namen und die Adresse der Berufshaftpflichtversicherung des Notars sowie die Versicherungsnummer zu erteilen, soweit der Notar kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse an der Nichterteilung der Auskunft hat.
1. Die Beigeladenen begehren die Auskunft zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Kläger. Dabei ist nicht Voraussetzung für die Auskunft, dass sie einen Direktanspruch gegen die Versicherung nach § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 VVG haben. Der Wortlaut des § 19a Abs. 6 BNotO lässt eine solche Einschränkung nicht erkennen, und der Gesetzgeber hat einen so engen Anwendungsbereich bei der Fassung der Norm auch nicht beabsichtigt. Vielmehr ergibt sich aus der Gesetzesbegründung und dem Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens, dass der Gesetzgeber ein weites Verständnis vom Anwendungsbereich des § 19a Abs. 6 BNotO hatte (vgl. BT-Drucks. 16/513 S. 24 und 16/3837 S. 25 zu § 51 BRAO; BT-Drucks. 16/11355 § 19a BNotO).
Soweit das Kammergericht zu einer einschränkenden Auslegung der Vorschrift kommt und eine Auskunftserteilung lediglich in Betracht zieht, wenn der Dritte auf die Information angewiesen ist, und seine Prüfung darauf beschränkt, ob eine Anzeigepflicht der Beigeladenen gegenüber der Versicherung bestehen kann, hat es den Blick zu sehr verengt. Gleiches gilt für die Annahme des Kammergerichts, der in den Gesetzesmaterialien genannte Beispielsfall des Bestehens eines Auskunftsanspruchs, wenn der Notar unberechtigt die Auskunft über die Berufshaftpflichtversicherung verweigere, liege nicht vor, weil den Beigeladenen ein Auskunftsanspruch gegen den Kläger direkt nicht zustehe.
Die vom Gesetzgeber ausdrücklich in den Blick genommene Möglichkeit eines Auskunftsanspruchs, wenn der Notar sich unberechtigt weigert, die Auskunft zu erteilen, kann nicht mit der Erwägung ausgeschlossen werden, dass ein Auskunftsanspruch gegen den Notar generell nicht bestehe. Vielmehr gibt gerade dies Anlass, ein weitergehendes Verständnis vom Anwendungsbereich der Norm anzunehmen. Ansonsten wäre die vom Gesetzgeber angenommene Fallkonstellation niemals geeignet, Auskunftsansprüche nach § 19a Abs. 6 BNotO zu begründen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit § 51 Abs. 6 Satz 2 BRAO einen gleichgerichteten Auskunftsanspruch gegen die Rechtsanwaltskammer im Hinblick auf die Berufshaftpflichtversicherung eines Rechtsanwalts geschaffen hat. Ein Auskunftsverlangen wegen eines geltend gemachten Schadensersatzanspruchs gegen einen Rechtsanwalt hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 22. Oktober 2010 (AnwZ(Brfg) 60/11, NJW 2013, 234 ff.) für berechtigt gehalten, ohne als Voraussetzung dafür geprüft zu haben, ob eine eigene Anzeigepflicht des Geschädigten gegenüber der Berufshaftpflichtversicherung besteht. Der Bundesgerichtshof hat weiter ausgeführt, dass für eine den Wortlaut des § 51 Abs. 6 Satz 2 BRAO unter Hinweis auf bestimmte Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren einschränkende Interpretation der Auskunftspflicht die rechtfertigende Grundlage fehle. Zur Begründung hat er insoweit auf die für Rechtsanwälte geltende Dienstleistungs-Informationspflichten-Verordnung vom 12. März 2010 (BGBl. I, 267) abgestellt. Auch wenn diese Verordnung nur auf Dienstleistungsempfänger und nicht auf Notare anwendbar ist, so bleibt es jedoch dabei, dass der Wortlaut des § 19a Abs. 6 BNotO weitergehend ist als die in der Gesetzesbegründung aufgezählten Einzelfälle. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich einen Gleichklang des § 19a Abs. 6 BNotO zu § 51 Abs. 6 Satz 2 BRAO gewollt (BT-Drucks. 16/11355 S. 51). Der wesentliche Zweck des Auskunftsrechts des Dritten gegenüber der Notarkammer und der Landesjustizverwaltung ist deshalb darin zu sehen, die Rechtsverfolgung für ihn zu erleichtern. Dabei ist auch in den Blick zu nehmen, dass die ordnungsgemäße Regulierung von Schäden auch im Interesse der Landesjustizverwaltung und der Notarkammer liegt (vgl. Arndt/Lerch/Sandkühler-Sandkühler, BNotO, 7. Aufl., § 19a Rn. 72).
2. Im vorliegenden Fall können Schadensersatzansprüche der Beigeladenen möglich sein. Die Beigeladenen haben Schadensersatzansprüche geltend gemacht und diese damit begründet, dass ihnen als Grundschuldgläubigern die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung zur Vollstreckung gegen den jeweiligen Grundstückseigentümer durch den Kläger als Notar verweigert worden sei. Dieser hat als Begründung für seine Verweigerung ausgeführt, der Beigeladene zu 1 habe die eidesstattliche Versicherung abgegeben, und er hege den Verdacht, dass es sich bei der angegebenen Anschrift in M. um eine Deckadresse handele und es sich bei den Grundschulden um sogenannte Leerrechte handele. Die Prüfung sei auch noch nicht abgeschlossen. Damit sind Schadensersatzansprüche grundsätzlich möglich, auch wenn im Rahmen der weiteren Prüfung zum Schluss die vollstreckbare Ausfertigung für die Grundschulden noch erteilt werden würde, da auch die verzögerte Erteilung geeignet sein kann, Schadensersatzansprüche auszulösen. Im Rahmen der Prüfung der Voraussetzungen der Auskunftserteilung kann auch nicht der Landesjustizverwaltung oder der Notarkammer auferlegt werden, die Berechtigung der Schadensersatzforderung abschließend zu prüfen. Dies würde gegebenenfalls die Möglichkeiten der Auskunftsverpflichteten übersteigen, insbesondere wenn Beweise erhoben werden müssen. Zuständig für die Feststellung von Schadensersatzansprüchen gemäß § 19 Abs. 3 BNotO sind die Landgerichte. Es würde die Zuständigkeitsgrenzen zwischen Landesjustizverwaltung und Notarkammer zu den Zivilgerichten überschreiten, wenn im Rahmen der Auskunftserteilung die abschließende Feststellung von Schadensersatzansprüchen verlangt werden würde. Im Übrigen kann die Frage des Bestehens von Ansprüchen gegen den Notar und einer möglichen Einstandspflicht der Berufshaftpflichtversicherung dieser überlassen bleiben. Die Auskunftserteilung dient ja gerade dazu, dass die zur Begleichung von Schadensersatzansprüchen eventuell zuständige Stelle, die Berufshaftpflichtversicherung, vom Anspruchsteller über die Schäden informiert wird und selbständig die Berechtigung der angemeldeten Ansprüche prüfen kann.
3. Dem Auskunftsbegehren der Beigeladenen steht auch kein überwiegendes schutzwürdiges Interesse des Klägers entgegen. Mit dem Gesetzeswortlaut hat der Gesetzgeber klargestellt, dass er, wenn Schadensersatzansprüche bestehen können, grundsätzlich von einer Auskunftspflicht der Landesjustizverwaltung und der Notarkammer ausgeht. Ein Ausschluss findet nach dem Wortlaut nämlich nur statt, wenn ein überwiegendes Interesse an der Nichterteilung der Auskunft besteht. Ein entgegenstehendes überwiegendes Interesse kann nicht aus dem Notaramt und dessen öffentlich-rechtlicher Ausgestaltung selbst abgeleitet werden. Der Gesetzgeber hat vielmehr mit der Regelung in § 19a Abs. 6 BNotO zum Ausdruck gebracht, dass er das Auskunftsbegehren für mit dem Notaramt vereinbar ansieht.
Ein entgegenstehendes Interesse des Notars an der Geheimhaltung der Berufshaftpflichtversicherung kann bestehen, wenn die Auskunft allein für sachfremde Zwecke begehrt wird, etwa um den Notar durch beleidigende Äußerungen gegenüber der Berufshaftpflichtversicherung herabzuwürdigen. Wenn jedoch ein berechtigtes Auskunftsbegehren dem Grunde nach vorliegt, kann nicht durch die Beifügung herabwürdigender oder beleidigender Ausführungen von vornherein der Anspruch auf Auskunft ausgeschlossen werden. Gegenüber solchen Äußerungen muss gegebenenfalls zivil- oder strafrechtlicher Schutz in Anspruch genommen werden.
Zutreffend hat das Kammergericht weiter ausgeführt, dass ein - vom Kläger befürchteter - unberechtigter Druck durch den Versicherer auf ihn, um bestimmte Amtshandlungen zu erreichen, dem Auskunftsanspruch nicht entgegensteht. Der Notar übt ein öffentliches Amt aus. Er ist gehalten, rechtmäßig zu handeln. Das öffentliche Amt verlangt von ihm, Druck zu rechtswidrigem Handeln von Beteiligten Stand zu halten und entsprechende Ansinnen zu pflichtwidrigem Handeln zurückzuweisen. Dies gilt auch gegenüber seiner eigenen Berufshaftpflichtversicherung. Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass die Berufshaftpflichtversicherung durch die ihr erteilten Informationen über die geltend gemachten Schadensersatzansprüche veranlasst wird, die Berechtigung der Forderung zu prüfen und gegebenenfalls unberechtigte Forderungen von sich aus zurückzuweisen. Dies liegt ebenfalls im Interesse des Notars, aber auch der Notarkammer und der Landesjustizverwaltung.
Da den Beigeladenen ein Auskunftsanspruch zusteht, erweist sich die erhobene Unterlassungsklage des Klägers als unbegründet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO in Verbindung mit § 111b Abs. 1 BNotO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 111g Abs. 1 Satz 1 BNotO in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG.
Galke Herrmann Wöstmann
Doyé Strzyz