Bundesgerichtshof

Entscheidungsdatum: 05.03.2012


BGH 05.03.2012 - NotZ (Brfg) 14/11

Notarbestellungsverfahren in Hessen: Erfüllung der Wartezeit für einen Rechtsanwalt mit einer Zweigstelle im Amtsbereich eines Anwaltsnotariats


Gericht:
Bundesgerichtshof
Spruchkörper:
Senat für Notarsachen
Entscheidungsdatum:
05.03.2012
Aktenzeichen:
NotZ (Brfg) 14/11
Dokumenttyp:
Urteil
Vorinstanz:
vorgehend OLG Frankfurt, 15. September 2011, Az: 2 Not 4/11
Zitierte Gesetze

Leitsätze

Ein Bewerber um ein Anwaltsnotariat, der in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich nur eine Zweigstelle unterhält, die eigentlichen Grundlagen seiner Existenz aber am Hauptsitz seiner in einem anderen Amtsgerichtsbezirk gelegenen Kanzlei erwirtschaftet, erfüllt nicht das Erfordernis der örtlichen Wartezeit nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO in der Fassung vom 30. November 2000.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des 2. Notarsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 15. September 2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen. Von der Auferlegung der außergerichtlichen Kosten der Bei-geladenen wird abgesehen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Im Amtsgerichtsbezirk B.      ist eine im JMBl. Hessen vom 1. Juli 2010 ausgeschriebene Notarstelle zu besetzen, auf die sich der Kläger sowie die Beigeladene beworben haben. Der Kläger ist seit 1987 als Rechtsanwalt zugelassen und übte seine Tätigkeit zunächst von Oktober 1987 bis zum 31. Dezember 1990 in O.       (Amtsgerichtsbezirk B.      ) aus, bevor er in den Amtsgerichtsbezirk G.    wechselte. Nach Aufhebung des Zweigstellenverbots meldete er zum 6. August 2007 bei der Rechtsanwaltskammer Frankfurt am Main unter Beibehaltung seiner Kanzlei in G.    eine Kanzlei in O.     an.

2

Mit Bescheid vom 28. Februar 2011 hat der Beklagte dem Kläger mitgeteilt, seiner Bewerbung könne nicht entsprochen werden, weil er im Amtsgerichtsbezirk B.     lediglich eine Zweigniederlassung in O.       betreibe und somit nicht die Wartezeit des § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO a.F. erfülle; es sei deshalb beabsichtigt, die Beigeladene zu berücksichtigen.

3

Die hierauf vom Kläger erhobene Klage, den Bescheid des Beklagten aufzuheben und diesen zu verpflichten, die ausgeschriebene Notarstelle mit ihm zu besetzen, hilfsweise ihn neu zu bescheiden, hat das Oberlandesgericht abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Berufung.

Entscheidungsgründe

4

Die Berufung des Klägers ist zulässig (§ 111d Satz 1 BNotO), hat aber in der Sache keinen Erfolg.

5

1. Zutreffend ist der Beklagte davon ausgegangen, dass das Regelerfordernis der örtlichen Wartezeit der Auswahl unter den geeigneten Bewerbungen vorgelagert ist (Senat, Beschluss vom 21. Februar 2011 - NotZ(Brfg) 6/10 - juris mwN). Diese örtliche Wartezeit nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO a.F. erfüllt der Kläger bereits nicht.

6

a) Gemäß § 120 Abs. 1 BNotO findet auf das im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 2. April 2009 (BGBl. I S. 696) am 1. Mai 2011 noch nicht abgeschlossene Besetzungsverfahren § 6 BNotO in der bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Fassung Anwendung. Danach soll in der Regel als Anwaltsnotar nur bestellt werden, wer bei Ablauf der Bewerbungsfrist seit mindestens drei Jahren ohne Unterbrechung in dem in Aussicht genommenen Amtsbereich hauptberuflich als Anwalt tätig ist. Ausschlaggebend ist dabei nicht, wo ein Bewerber formell zugelassen ist, sondern wo er tatsächlich seine hauptberufliche Tätigkeit ausübt. Diese örtliche Wartezeit tritt neben die allgemeine Wartezeit des § 6 Abs. 2 Nr. 1 BNotO. Sie setzt voraus, dass der Rechtsanwalt während einer bestimmten, der angestrebten Notarbestellung unmittelbar vorangehenden Zeit durchgängig bei dem Amtsgericht tätig war, das für den künftigen Amtsbereich zuständig ist. Der Amtsbereich entspricht dabei dem Bezirk des Amtsgerichts, in dem der Notar seinen Amtssitz hat (§ 10a BNotO). Zum einen soll der zukünftige Notar mit den Besonderheiten der örtlichen Verhältnisse vertraut sein, zum anderen muss ein Bewerber auch die erforderlichen wirtschaftlichen Grundlagen für die angestrebte Notariatspraxis gelegt haben, um seine persönliche Unabhängigkeit zu gewährleisten. Im Anwaltsnotariat wird das Notaramt nur im Nebenberuf ausgeübt. Es ist deshalb nicht zulässig, wenn die wirtschaftlichen Grundlagen des aufzubauenden Notariats in der Anwaltstätigkeit des Bewerbers liegen, die laufenden Mittel, die den künftigen Notariatsbetrieb sicherstellen sollen, aus dem Gebührenaufkommen zu entnehmen, das außerhalb des Amtsbereichs erwirtschaftet wird. Darüber hinaus soll die örtliche Wartezeit eine gleichmäßige Behandlung aller Bewerber gewährleisten und verhindern, dass Bewerber, die die allgemeine Wartezeit zurückgelegt haben, sich für die Bestellung zum Notar den ihnen hierfür am günstigsten erscheinenden Ort ohne Rücksicht auf dort bereits ansässige Rechtsanwälte aussuchen können (Senatsbeschlüsse vom 24. Juli 2006 - NotZ 13/06 - juris und - teilweise - abgedruckt in DNotZ 2007, 75, 76, sowie vom 22. März 2010 - NotZ 10/09 - ZNotP 2010, 232 ff. und vom 21. Februar 2011 - NotZ(Brfg) 6/10 - juris).

7

b) Der Kläger unterhält zwar seit dem 6. August 2007 unter Beibehaltung seiner Kanzlei in G.    eine Zweigstelle in O.      . Diese hat er nach den insoweit auch durch das Berufungsvorbringen im Kern nicht in Zweifel gezogenen Feststellungen des Oberlandesgerichts mit einem möglichst geringen Aufwand und Kostenrisiko seit dem Jahre 2007 aufgebaut. Vorhanden sind Räumlichkeiten zum Empfang und zur Besprechung mit Mandanten sowie moderne Kommunikationsmittel. Für die Zweigstelle existiert eine eigene Telefonnummer, eingehende Anrufe werden automatisch in die Kanzlei nach G.     weitergeleitet, wo sich die Mitarbeiter aufhalten, wo Aktenführung und Buchhaltung erfolgen und wo die Schreibarbeiten ausschließlich erledigt werden. Demzufolge führt der Kläger seine Kanzleigeschäfte nahezu ausschließlich an seinem Kanzleisitz in G.    , wo sich im Übrigen die wirtschaftlichen Grundlagen seiner Tätigkeit befinden. Auch wenn die Zweigstelle von Anfang an "schwarze Zahlen geschrieben" hat, also einen gewissen, vom Kläger nicht konkret dargelegten Gewinn erzielt hat, ändert das nichts daran, dass der Kläger nicht hauptberuflich bzw. schwerpunktmäßig in O.        tätig war, sondern vielmehr - was er selbst nicht in Abrede stellt - die eigentlichen Grundlagen der Existenz in G.    erwirtschaftet hat.

8

c) Soweit der Kläger meint, der Gesetzgeber habe es nach Aufhebung des Zweigstellenverbots lediglich versäumt, § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO a.F. entsprechend anzupassen, verkennt er, dass der Gesetzgeber durch die inhaltlich kaum geänderte Neufassung des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BNotO durch Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 2. April 2009 (BGBl. I S. 696) zum Ausdruck gebracht hat, an dem Erfordernis der örtlichen Wartezeit mit dem bisher verstandenen Inhalt festhalten zu wollen (vgl. Schmitz-Valckenberg in Eylmann/Vaasen, BNotO, 3. Aufl., § 6 Rn. 32; Görk in Schippel/Bracker, BNotO, 9. Aufl., § 6 Rn. 33). Es war nicht Sinn und Zweck des Wegfalls des Zweigstellenverbots, einem Rechtsanwalt allein durch den Betrieb von mehreren Kanzleien an verschiedenen Orten ohne Berücksichtigung eines Tätigkeitsschwerpunkts erweiterte Optionen für eine Notarstelle zu verschaffen.

9

d) Schließlich ist das pauschale Vorbringen des Klägers, § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO a.F. sei mit "EU-Normen" nicht vereinbar, nicht nachvollziehbar. Weder wird dargetan, gegen welche "EU-Norm" § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO a.F. verstoßen soll, noch ist ersichtlich, inwiefern das vom Kläger angeführte Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 24. Mai 2011 (- C - 54/08 NJW 2011, 2941 ff.) betreffend den Staatsangehörigkeitsvorbehalt für Notare Bedeutung für die Vorschriften über die Wartezeiten haben könnte.

10

e) Da der Kläger nach alledem die örtliche Wartezeit des § 6 Abs. 2 Nr. 2 BNotO a.F. nicht erfüllt und eine Ausnahme von diesem Regelerfordernis erkennbar nicht in Betracht kommt (dazu vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Juli 2006 - NotZ 13/06 - DNotZ 2007, 75, 77 und vom 17. November 2008 - NotZ 10/08 - NJW RR 2009, 350, 352), ist dessen Bewerbung zu Recht nicht in das Auswahlverfahren gemäß § 6 Abs. 3 BNotO einbezogen worden.

11

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 111b Abs. 1 Satz 1 BNotO, §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren nicht für erstattungsfähig zu erklären, weil diese sich nicht durch einen eigenen Sachantrag an dem Kostenrisiko beteiligt hat.

Galke                             Diederichsen                             Appl

              Brose-Preuß                                   Frank